10 grün­de ge­gen flattr?

felix schwenzel

me­la­nie lerch da­ni­el am frei­tag da­ni­el schnei­der hat 10 grün­de ge­gen flattr auf­ge­lis­tet, die ich lei­der über­haupt nicht über­zeu­gend fin­de.

1. Im End­ef­fekt ist es ein Bet­tel-But­ton. Und das hat, ge­ra­de wenn er nach dem Le­sen, am Ende ei­nes Tex­tes auf­taucht, ei­nen leich­ten Bei­geschmack.

bet­teln wir nicht stän­dig? um auf­merk­sam­keit, um sym­pa­thie, um mit­ge­fühl, um an­er­ken­nung? und wenn man den wunsch nach auf­merk­sam­keit oder an­er­ken­nung wirk­lich bet­teln nen­nen möch­te, was ge­nau ist dar­an so schlimm? ist ein stras­sen­mu­si­kant ein bett­ler, nur weil er kei­nen ein­tritt nimmt, son­dern sei­nen (oft ver­dien­ten) obu­lus als frei­wil­li­ge gabe nimmt?

2. Das Ent­ste­hen der Sche­re im Kopf wird be­güns­tigt – man wird dazu ver­lei­tet, das zu ver­öf­fent­li­chen, was der Mas­se ge­fal­len könn­te.

die sche­re ist so­wie so da. die sche­re? hun­der­te von sche­ren. be­kom­me ich mehr links, mehr le­ser, mehr auf­merk­sam­keit wenn ich be­stimm­te the­men be­hand­le, schär­fer for­mu­lie­re, leu­te be­lei­di­ge oder po­pu­lis­tisch schrei­be? so­bald ich et­was ver­öf­fent­li­che wird es ge­wer­tet, durch auf­merk­sam­keits­strö­me, be­su­cher­zah­len, back­links, die zahl der kom­men­ta­re, li­kes und so wei­ter. die ge­fahr, po­pu­lis­tisch zu wer­den, be­steht seit der er­fin­dung des ge­schich­ten-er­zäh­lens, nicht seit der er­fin­dung von flattr.

3. Man­cher schwärmt schon da­von, wie es sein wird, wenn erst­mal Otto Nor­mal­sur­fer “flat­trt”. Doch für Otto gibt es über­haupt kei­nen An­reiz, sich ei­nen Flattr-Ac­count an­zu­le­gen.

wie­so? sind die 1300 flat­trs die tim pritl­ove be­kom­men hat alle von otto-spe­zi­al­sur­fern? von blog­gern, die sich ge­gen­sei­tig und un­ter­ein­an­der geld zu­schie­ben? und selbst wenn die pritl­ove-flat­te­rer alle blog­ger wä­ren, sind blog­ger nicht auch kon­su­men­ten, ge­nau­so wie sie auch pro­du­zen­ten sind? ich glau­be im ge­gen­teil, dass es mas­sig an­rei­ze gibt zu flat­tern. der wich­tigs­te: an­de­ren et­was gu­tes tun. oder wie ro­bert kin­der­mann es in ei­nem völ­lig an­de­ren zu­sam­men­hang ge­sagt hat: „Denn die Leu­te sind ger­ne be­reit für Din­ge zu be­zah­len, die ihr Le­ben auf­wer­ten.“ und als kon­su­ment von on­line-ge­döns sage ich, dass ich es äus­serst reiz­voll fin­de, tex­te die ich toll fin­de, die mich un­ter­hal­ten oder durch die ich et­was ler­ne oder die mich zum wei­nen brin­gen, zu be­loh­nen. je nied­ri­ger die reiz­schwel­le, des­to lie­ber. das fas­zi­niert mich an flattr ehrt­lich­ge­sagt sehr viel mehr, als die per­spek­ti­ve da­mit even­tu­ell auch geld zu ver­die­nen.

4. Man kas­siert für an­de­rer Leu­te Ar­beit: Blog X gräbt ir­gend­ein tol­les Vi­deo/Text/etc. aus und die un­be­darf­ten Le­ser be­loh­nen den Fin­der für’s Fin­den, nicht den Er­schaf­fer für’s Er­schaf­fen des Vi­de­os/Tex­tes/etc.

sehe ich durch­aus als pro­blem, aber nicht als ei­nen grund der ge­gen flattr spricht. es ist ein­fach eine fra­ge des an­stands, kein geld für frem­de fe­dern zu neh­men, bzw. eine fra­ge des um­gangs mit dem flattr-but­ton. der­zeit bie­tet das stan­dard-word­press-flattr-plug­in (glau­be ich) kei­ne mög­lich­keit be­stimm­te blog­ar­ti­kel vom flattr-but­ton zu be­frei­en. aber das kommt si­cher bald. zu­dem zeigt die pra­xis, so­weit ich sie über­bli­cke, dass vor­nehm­lich lan­ge, gute tex­te ge­flat­trt wer­den und eben nicht die links und vi­deo-posts.

5. Ein Bei­trag kann noch so ge­ni­al sein – er sieht ein­fach trotz­dem schlecht und arm­se­lig aus, wenn da­ne­ben ein gro­ßer “Flattr: 0”-But­ton pappt.

ja, sich von drit­ten be­wer­ten zu las­sen kann ex­trem pein­lich sein. wer mit zu­rück­wei­sung oder igno­ranz nicht um­ge­hen kann, soll­te die fin­ger vom pu­bli­zie­ren oder der öf­fent­lich­keit las­sen. ein blog mit nur 30 le­sern — pein­lich. kei­ne kom­men­ta­re un­ter ei­nem ar­ti­kel — pein­lich. ein lied sin­gen und nicht in die charts kom­men — pein­lich. nur 20 freun­de bei face­book — pein­lich. alte PR-fuz­zi weis­heit: nur po­si­ti­ves an die öf­fent­lich­keit las­sen und trans­pa­renz um je­den fall ver­hin­dern.

6. Am An­fang ist “Flat­trn” lus­tig, doch wer denkt schon re­gel­mä­ßig dar­an, sein Flattr-Kon­to wie­der auf­zu­la­den oder In­ter­net­sei­ten zu “be­loh­nen”?

das wird sich zei­gen. abert spricht das ge­gen flattr?

7. Un­ge­klär­te Fra­gen zum Da­ten­schutz.

ja. die sa­che mit dem ver­trau­en ist es­sen­ti­ell. nur spricht die mög­lich­keit, das po­ten­zi­al des miss­brauchs ge­gen je­man­den? ver­trau­en ist eine fra­gi­le sa­che. aber wer ab­so­lu­te si­cher­heit möch­te, soll­te sei­nen in­ter­net-an­schluss kap­pen und das haus nicht ver­las­sen. und CDU wäh­len.

8. An Flattr ver­dient haupt­säch­lich ei­ner: Flattr selbst. (zum Ver­gleich: Pro­vi­si­on Flattr = 10%; Pro­vi­si­on Pay­pal = EU-weit 1,9% plus 35 Cent)

hier gilt das glei­che wie bei 1. wer ei­nen mehr­wert bie­tet soll­te da­für auch et­was be­kom­men kön­nen. und wer et­was auf­baut, braucht geld da­für. dass kann man sich na­tür­lich auch lei­hen oder von raff­gie­ri­gen ri­si­ko­ka­pi­tal­ge­bern vor­schies­sen las­sen, aber war­um sol­len die pro­fi­teu­re von et­was sich nicht auch an des­sen auf­bau be­tei­li­gen? ich gebe ger­ne ei­nen teil mei­nes gel­des ab — so­lan­ge ich glau­be dass das sinn­voll ist. und flattr fin­de ich ziem­lich sinn­voll.

9. Bald gibt es Dut­zen­de sol­cher Diens­te, die dann eben­falls ge­nau wie schon be­reits jetzt Flu­ten von But­tons so­zia­ler Netz­wer­ke in­te­griert wer­den wol­len.

ge­nau. auch ein su­per ar­gu­ment ge­gen blogs. es gibt ja schon flu­ten von blogs die je­den er­denk­li­chen scheiss ver­öf­fent­li­chen. wozu da noch selbst blog­gen?

10. Es gibt preis­wer­te­re Mög­lich­kei­ten, zu zei­gen, dass ei­nem et­was im Netz ge­fal­len hat.

wel­che wa­ren das noch­mal? („ich gebe gern, aber soll das nix.“)

Nach­trag; 6.6.2010:
11. Wenn Flattr aus­fällt, la­den auch die an­ge­schlos­se­nen Sei­ten nicht mehr rich­tig.

da­für kann so­gar ich mir eine tech­ni­sche lö­sung vor­stel­len.