next11, tag 2

felix schwenzel

heu­te am zwei­ten tag der next vie­le vor­trä­ge ge­se­hen und auch ei­ni­ge gute.

fa­bio ser­gio hat­te eine sehr, sehr hüb­sche prä­sen­ta­ti­on von der mir lei­der nicht sehr viel in er­in­ne­rung ge­blie­ben ist. un­ter an­de­rem ein zi­tat von hen­ry ford:

If I’d as­ked cus­to­mers what they wan­ted, they would have said „a fas­ter hor­se“.

wäh­rend sei­nes vor­trags bin ich ge­dank­lich et­was ab­ge­drif­tet und habe er­neut über die the­sen von ke­vin sla­vin nach­den­ken müs­sen. ist es nicht in der welt all­ge­mein und ge­ra­de im in­ter­net spe­zi­ell so, dass alle ent­wick­lun­gen, sei­en es gute oder schlech­te, ge­gen­re­ak­tio­nen aus­lö­sen? wie in der phy­sik: ac­tio et re­ac­tion. auf spam fol­gen spam­fil­ter, auf DRM fol­gen cracks, auf vi­ren fol­gen vi­rus­fil­ter, auf da­ten­schüt­zer fol­gen spa­cken, auf spa­cken alu­hü­te. und, so un­an­ge­nehm oder um mal das buz­zword der letz­ten vier next-kon­fe­ren­zen zu be­nut­zen, so dis­rup­tiv all die­se ent­wick­lun­gen sein mö­gen, sind sie nicht viel­leicht auch fort­schritts­trei­ber? vi­ren sind auch ziem­lich un­an­ge­nehm und sie ha­ben vie­le men­schen das le­ben ge­kos­tet, aber es gibt auch theo­rien, dass sie al­len men­schen auch erst das le­ben ge­schenkt ha­ben könn­ten, dass sie ein wich­ti­ger teil der evo­lu­ti­on wa­ren, weil sie DNA-bruch­stü­cke von ei­ner spe­zi­es zur an­de­ren tra­gen konn­ten?

ich glau­be, wir soll­ten vie­le ent­wick­lun­gen in der welt, bzw. im in­ter­net ge­las­se­ner be­trach­ten. klar sind die kos­ten­los-ge­schäfts­mo­del­le im in­ter­net vor al­lem dar­auf aus­ge­rich­tet un­se­re da­ten zu (wer­be-) geld zu ma­chen und un­se­re ak­ti­va aus­zu­beu­ten. jo­han staël von hols­ten warn­te uns laut­hals vor die­ser, wie er es aus­drück­te, mo­der­nen form der skla­ve­rei und schrie uns vom po­di­um ent­ge­gen: „trust no­bo­dy!“ mög­li­cher­wei­se, warn­te er, wür­den die chi­ne­sen ei­nes ta­ges face­book kau­fen — und dann gute nacht. um sei­ne glaub­wür­dig­keit zu un­ter­strei­chen, er­zähl­te er uns, dass er erst mit 26 le­sen ge­lernt habe und wor­te bild­lich wahr­neh­men wür­de. und weil er bild­lich den­ken kön­ne, sei er eben ein vi­sio­när. aber na­tür­lich ist er auch ein ge­schäfts­mann und woll­te auf sein pro­jekt my­cu­be.com hin­wei­sen. dort sei­en un­se­re da­ten si­cher. war­um wir ihm trau­en soll­ten, ver­gass er al­ler­dings zu er­wäh­nen.

wir brau­chen die­je­ni­gen, die un­se­re da­ten miss­brau­chen, uns un­fair be­han­deln, gren­zen des an­stands über­schrei­ten um sich ei­nen gol­de­nen arsch zu ver­die­nen (sie­he auch stich­wort „sam­wer-brü­der“) um zu er­ken­nen, dass man da­ten miss­brau­chen kann, dass es an­stands­gren­zen braucht — und nur so kön­nen wir die ge­gen­the­sen ent­wi­ckeln und ge­gen­mass­nah­men er­grei­fen — oder eben auf ge­gen­be­we­gun­gen war­ten, die so si­cher wie das amen in der kir­che — je­des­mal — kom­men.


uwe lüb­ber­mann von pre­mi­um cola trat mit an­ge­schnall­tem ruck­sack auf die büh­ne (das sei sein büro) und er­zähl­te, dass er nicht pri­mär ge­trän­ke ver­kau­fen wol­le, son­dern die welt ver­än­dern und da­ten schüt­zen wol­le, be­zie­hungs­wei­se, auch an­de­re ge­trän­ke­her­stel­ler dazu brin­gen wol­le, die da­ten die sie nichts an­ge­hen oder an die sie un­recht­mäs­sig ge­kom­men sei­en, nicht zu ver­wen­den. cola, ge­trän­ke und da­ten­schutz. das ist mal ein USP.

was ju­lia schramm sag­te war glau­be ich ziem­lich egal. ich habe aber auch nicht ver­stan­den, auf was sie ei­gent­lich hin­aus­woll­te.

ja­mes hil­ton von AKQA war laut und ein un­er­träg­li­cher an­ge­ber. mög­li­cher­wei­se hat sei­ne agen­tur tol­le pro­jek­te ge­macht, wo­von ich aber nichts er­fuhr, weil ich den saal ver­liess.

nach der pau­se habe ich mich in den wer­be­fuz­zi-track ge­setzt, weil flo­ri­an steps von vo­da­fone über vo­da­fones rei­se zu höl­le und zu­rück er­zäh­len woll­te („To Hell and Back — the Vo­da­fone Brand in the Di­gi­tal Age“). lei­der kann flo­ri­an steps kein eng­lisch („we went some sort to hell, but the good is we went back“) und auch wenn er am ende be­haup­te­te, dass vo­da­fone aus den feh­lern der ver­gan­ge­nen „so­cial me­dia“-kam­pa­gnen ge­lernt hat, stell­te er den ver­lauf der vo­da­fone „ge­ne­ra­ti­on upload“-kam­pa­gne als se­rie kleins­ter feh­ler dar. und über­haupt, sei der shit­s­torm auf das in­ter­net be­schränkt ge­we­sen und nicht in die wirk­li­che welt ge­schwappt. also ei­gent­lich sei nichts pas­siert, zu­mal ja im­mer nur die we­ni­gen lau­ten und de­struk­ti­ven ele­men­te ge­hört wer­den („a few re­ac­tions from se com­mu­ni­ty“).

im­mer­hin habe vo­da­fone jetzt ge­lernt, dass man erst zu­hö­ren müs­se, be­vor man sei­ne wer­be­bot­schaf­ten an­de­ren in die oh­ren schreit, dass es gut ist auf re­ak­tio­nen vor­be­rei­tet zu sein und auch mal zu ant­wor­ten, statt zu schwei­gen, wenn man in den dia­log mit nut­zern tre­ten möch­te und dass man nicht mehr ver­spre­chen sol­le, als man hal­ten kann. für nor­ma­le men­schen selbst­ver­ständ­lich­kei­ten, für vo­da­fone was ganz neu­es. glück­wunsch!

sehr ge­schickt der auf­tritt von mi­cha­el traut­mann von kem­per­traut­man. die ma­sche muss man sich wirk­lich mer­ken. sein auf­tritt war wer­ber­un­ty­pisch de­mü­tig, zu­rück­hal­tend, be­schei­den, aber deut­lich und ziel­ge­rich­tet. er stell­te drei cha­ri­ty-pro­jek­te von kem­per­traut­mann vor, be­schrieb sie kurz und sach­lich um dann mit klei­nen, vor­be­rei­te­ten film­chen pa­thosstür­me aufs pu­bli­kum zu schies­sen und die schmut­zi­ge, emo­tio­na­le trä­nen­drü­sen-ar­beit von sei­nen fil­men er­le­di­gen zu las­sen. ana­log zur „bad cop and good cop“-me­tho­de hat mi­cha­el („mei­kel“) traut­mann eine prä­sen­ta­ti­ons­me­tho­de er­fun­den, in der ein zu­rück­hal­ten­der, di­stin­gu­ier­ter wer­ber und ein pa­the­ti­scher, auf­ge­dreh­ter freak-wer­ber auf­tre­ten — und man trotz­dem nur den grau­me­lier­ten, di­stin­gu­ier­ten wer­ber vor sich sieht. re­spekt!

von jo­chen ad­ler habe ich ge­lernt, dass die deut­sche bank ein­gent­lich „deut­sche bänk“ heisst und mit wel­chen wi­der­stän­den und wid­ri­gen um­stän­den er bei der ein­füh­rung ei­nes in­tra­net-twit­ter-clons zu kämp­fen hat. ich fand das des­halb sym­pa­thisch, weil er ein sehr an­ge­neh­mens eng­lisch sprach, be­schei­den auf­trat und glaub­haft sei­ne eu­pho­rie beim ba­cken von klei­nen bröt­chen rü­ber­brach­te.

meh­re­re high­lights dann im letz­ten track des ta­ges, ein­mal rus­sell da­vies, der über das in­ter­net der din­ge, be­zie­hungs­wei­se dar­über sprach, wie man mit klei­nen tech­ni­schen spie­le­rei­en das in­ter­net vom bild­schirm und in die welt bringt. er zeig­te tol­le (klei­ne) pro­jek­te die de­mons­trier­ten wel­che span­nen­den po­ten­zia­le dar­in ste­cken, das in­ter­net in ob­jek­te — und weg vom bild­schirm — zu brin­gen. auch sehr hübsch wie er sei­nen vor­trag ein­lei­te­te: mit der pom­pös-grös­sen­wahn­sin­ni­gen 20th-cen­tu­ry-tata-tata-tata-me­lo­die und dem klei­nen wort „hel­lo!“ als sie zu­en­de war.

eben­so un­ter­halt­sam, aber ein biss­chen we­ni­ger vi­sio­när und krea­tiv da­nach rafi hala­di­jan, der er­fin­der des na­baz­tag (vio­let, den na­baz­tag-her­stel­ler hat er mitt­ler­wei­le ver­kauft) und jet­zi­ger be­trei­ber von sen.se. er stell­te sich fol­gen­der­mas­sen vor: „i’m french, the­r­e­fo­re i will make this pre­sen­ta­ti­on in bad eng­lish.“ sein vor­trag war et­was holp­rig und in schlech­tem eng­lisch, nichts­des­to­trotz sehr un­ter­halt­sam, auch wenn er die meis­ten gags be­reits vor 2 jah­ren auf der next brach­te, als er vio­let vor­stell­te.

ei­nen gross­ar­ti­gen tumb­lr-blog-tipp hat­te er auch da­bei fu­ckye­a­hin­ter­net­fri­dge.tumb­lr.com: ein denk­mal für die zweit­blö­des­te tech­ni­sche wunsch­vor­stel­lung der welt: den in­ter­net-ver­bun­de­nen kühl­schrank (kommt di­rekt nach der vi­deo­te­le­fo­nie).

der letz­te vor­trag von der hoch­schwan­ge­ren sa­rah lacy war zu­erst we­gen ei­ner über­do­sis pat­hos­eu­pho­rie und grund­lo­sem lä­cheln schwer ge­wöh­nungs­be­dürf­tig, stell­te sich aber dann im ver­lauf der 20 mi­nu­ten vor­trag als ei­nes, wenn nicht das high­light der next her­aus. sa­rah lacy be­rich­te­te über ihre rei­se und ihre er­fah­run­gen mit start­ups und un­ter­neh­men in den so­ge­nann­ten ent­wick­lungs­län­dern. und das was sie er­zähl­te war ei­ner­seits ex­trem span­nend, an­de­rer­seits sehr rüh­rend aber vor al­lem liess es nur ei­nen schluss zu (den sa­rah lacy so nie aus­drü­cken wür­de): wir im wes­ten sind so voll mit über­heb­lich­keit und ge­fühl­ter über­le­gen­heit, dass wir blind und un­fä­hig sind, die wah­ren pro­ble­me, aber auch die gross­ar­ti­gen­kei­ten und un­ge­heu­ren po­ten­zia­le in den ent­wick­lungs­län­dern zu er­ken­nen. ihr vor­trag hat­te ei­nen sehr op­ti­mis­ti­schen bei­geschmack und war völ­lig frei von der üb­li­chen shock-and-awe-stra­te­gie, die man sonst hört, wenn von der künf­ti­gen wirt­schaft­li­chen über­le­gen­heit der (noch) ent­wick­lungs­län­der wie chi­na oder in­di­en oder di­ver­sen afri­ka­ni­schen staa­ten ge­spro­chen wird. ein biss­chen zu­viel eu­pho­rie — aber ex­trem in­spi­rie­rend.

und noch ein buch auf mei­ner wunsch­lis­te.

[nach­trag 18.05.2011, 22:30]
ein paar kor­rek­tu­ren und um­for­mu­lie­run­gen ein­ge­baut (was na­tür­lich nicht heisst, der text sei jetzt feh­ler­frei). aus­ser­dem noch der hin­weis auf ein vi­deo, das rus­sell da­vies in sei­nem vor­trag zeig­te, das sehr lus­tig ist und das in deutsch­land lei­der nicht ver­füg­bar ist.