ver­wand­te the­men

felix schwenzel

ix lese ge­ra­de sa­scha lo­bos ar­ti­kel dar­über, dass die at­ten­ta­te in oslo „im Netz ge­bo­ren“ sei­en. der ar­ti­kel fängt glän­zend und über­zeu­gend an (wei­ter als vier ab­sät­ze hab ich ge­ra­de noch nicht ge­le­sen, ich glau­be aber mein ur­teil wird sich nicht än­dern). sa­scha ver­linkt auch ei­nen ar­ti­kel von nils mink­mar, in dem er sagt, dass man den aten­tä­ter von oslo auch als „ers­ten Open-source-Na­zi­ter­ro­ris­ten 2.0“ be­zeich­nen könn­te und nennt mink­mars ar­ti­kel auch „glän­zend“. auch das glau­be ich ger­ne.

ne­ben dem ar­ti­kel fiel mir dann fol­gen­des auf:

ein ti­tel­bild des spie­gels auf dem der at­ten­tä­ter in ro­ter ge­la­ti­ne ab­ge­bil­det ist. was uns das wohl sa­gen soll? und was soll es uns sa­gen, dass „An­schlä­ge in Nor­we­gen“, „Sa­scha Lobo“ und „S.P.O.N. - Die Ko­lum­nis­ten“ an­geb­lich „VER­WAND­TE THE­MEN“ sei­en?

ich habe ehr­lich­ge­sagt kei­ne ah­nung und lese jetzt wei­ter.


jetzt habe ich zu­en­de ge­le­sen.

ich fin­de sa­scha lobo hat nicht an al­len stel­len recht. er lei­det wie vie­le an der ei­ner­seits rich­ti­gen, aber an­de­rer­seits auch fal­schen wahr­neh­mung, dass dass was wir im in­ter­net trei­ben eine neue qua­li­tät hat, als das was wir zu ei­ner zeit trie­ben, als es noch kein in­ter­net gab:

Wer In­for­ma­tio­nen zu ei­nem Pro­blem sucht, tut das nur dort, wo er die Lö­sung auch er­war­tet, er sucht den ver­lo­re­nen Schlüs­sel un­ter der La­ter­ne. Zu­sam­men mit der al­les­um­fas­sen­den In­for­ma­ti­ons­men­ge im Netz ent­steht der Me­cha­nis­mus der Query-Rea­li­tät: Wer sucht, der fin­det - im In­ter­net ex­akt das, was er fin­den möch­te oder er­war­tet. Sei­ne Netz­rea­li­tät kann sich der Nut­zer be­wusst oder un­be­wusst selbst kon­stru­ie­ren, ohne je in die Nähe der Ob­jek­ti­vi­tät zu ge­ra­ten.

la­ter­nen, fil­ter, ein­sei­tig­keit und die un­fä­hig­keit zu di­fe­ren­zie­re­en oder mensch­lich zu han­deln, sind kei­ne qua­li­tä­ten die das netz her­vor­ge­bracht hat, son­dern die mensch­heit. kurz ge­sagt, das in­ter­net ist scheis­se, weil die welt — oder eben die men­schen — scheis­se sind. je­der mensch kon­stru­iert sich sei­ne rea­li­tät selbst, das war be­reits in der stein­zeit so. eine welt vol­ler ge­heim­niss­vol­ler mäch­te und geis­ter in der man hin­ter je­dem wil­den tier ei­nen dä­mon oder hin­ter je­dem blitz eine ge­heim­nis­vol­le macht sah, ist ge­nau­so kon­stru­iert wie die welt ei­nes stadt­be­woh­ners. wenn wir uns die welt nicht in un­se­ren köp­fen zu­recht­kon­stru­ie­ren, wer­den wir ver­rückt. das heisst im um­kehr­schluss na­tür­lich nicht, dass men­schen die sich ihre welt zu­recht­kon­stru­iert ha­ben, nicht ver­rückt sein kön­nen. im ge­gen­teil.

sa­scha lobo:

Brei­vik ge­hört zu ei­ner neu­en Ge­ne­ra­ti­on von Ter­ro­ris­ten, die ihre Ideo­lo­gie im In­ter­net auf­bau­en und mit In­ter­net-Me­cha­nis­men wei­ter­ent­wi­ckeln, die im In­ter­net ihre ra­di­ka­le So­zia­li­sie­rung er­fah­ren und sich die stän­di­ge, so­zia­le Be­stä­ti­gung im In­ter­net su­chen, auf dem rich­ti­gen Weg zu sein.

nein. der at­ten­tä­ter hat sei­ne ideo­lo­gie in sei­nem kopf auf­ge­baut. nicht im in­ter­net. wenn ich aus­schliess­lich cur­ry­wurst ässe, be­stün­de ich nicht aus cur­ry­wurst, ab­ge­se­hen da­von dass ich ne­ben cur­ry­wurst auch bier trin­ken müss­te und mein wahn nicht un­be­dingt mit ei­ner re­gu­lie­rung und kon­trol­le von cur­ry­wurst­bu­den zu hei­len wäre.

nein. hys­te­rie, hass, angst, ver­schwö­rungs­theo­rien sind kein in­ter­net­phä­no­men. sie sind ein phä­no­men, dass bei men­schen auf­tritt. mit in­ter­net, aber auch ohne in­ter­net.

trotz­dem hat lobo am ende recht:

Bre­viks Tat wur­de im In­ter­net ge­bo­ren. Das soll­te und wird Fol­gen ha­ben für die Art, wie man mit sei­nen Wor­ten im Netz um­geht: je­mand könn­te sie als Waf­fen be­nut­zen.

un­se­re wor­te soll­ten wir im­mer gut ab­wä­gen. nicht nur im in­ter­net.


den text von mink­mar habe ich jetzt auch ge­le­sen. und er ist in der tat glän­zend. kein wort des wi­der­spruchs kommt mir nach dem le­sen in den sinn. des­halb ein zi­tat. wir müs­sen, sagt min­mar, ge­nau blei­ben. wow. was für ein tref­fer ins schwar­ze:

Das be­deu­tet nicht, den nächs­ten An­schlag pas­siv ab­zu­war­ten, es ruft dazu auf, die De­bat­ten nicht kos­misch wer­den zu las­sen. Die Fra­gen von Im­mi­gra­ti­on und vom Kampf der Kul­tu­ren kon­kret zu hal­ten, fak­ten­ba­siert und im Dia­log mit den an­de­ren. Ras­se, Re­li­gi­on und Kul­tur nicht als Syn­ony­me zu ver­wen­den, son­dern zu dif­fe­ren­zie­ren, über ein­zel­ne Schrit­te und sach­li­che Fra­gen zu re­den und kei­ne Pa­nik zu ma­chen. Der theo­re­ti­sche Teil von Brei­viks Ma­ni­fest ist von Sei­ten wie „Po­li­ti­cal­ly In­cor­rect“ in­spi­riert, auf de­nen die Be­schrei­bung der frem­den Be­dro­hung kein Maß und kei­ne Gren­ze kennt, auf de­nen der Mus­lim im­mer auch der Ara­ber und der im­mer auch der po­ten­ti­el­le Dschi­ha­dist ist, und wenn nicht, so ver­stellt er sich bloß.

Und ihre gan­ze Art ver­er­ben sie, und nie wird et­was gut, und es gibt gar kein Ende der Ge­fahr, es sei denn, sie ver­schwän­den oder wür­den wie wir. Es geht aber auch nicht, wie die für die­sen Satz von Brei­vik ge­lob­te Bun­des­kanz­le­rin, ein­fach fest­zu­stel­len, „Mul­ti­kul­ti ist ge­schei­tert“, und dann nicht zu er­klä­ren, was bes­ser ist und statt­des­sen ge­sche­hen soll. Denn dass meh­re­re Kul­tu­ren in un­se­ren Städ­ten le­ben, das se­hen die Leu­te doch ganz ge­nau. Sol­che lo­sen En­den darf man nicht in der Land­schaft her­um­lie­gen las­sen, wir müs­sen jetzt ge­nau sein.

al­lein für den link auf mink­mars text muss man sa­scha lobo dank­bar sein.

p.s.: die faz hat jetzt schö­ne urls.