nerd­at­tack!

felix schwenzel

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chris­ti­an stö­cker hat vor un­ge­fähr zwei jah­ren ei­nen viel­be­ach­te­ten ar­ti­kel über die ge­ne­ra­ti­on C64 vs. ur­su­la von der ley­en ge­schrie­ben. ich habe ihn da­mals auch be­ach­tet und ge­lobt. spä­tes­tens seit dem ge­ne­ra­ti­on C64-Ar­ti­kel bin ich be­ken­nen­der stö­cker-fan.

im prin­zip hat chris­ti­an stö­cker sei­nen ar­ti­kel von da­mals mit ei­ner or­dent­li­chen ein­füh­rung über sechs oder sie­ben ka­pi­tel ver­se­hen und am ende den bo­gen auf­ge­spannt um sei­ne kern­the­se an ak­tu­el­len bei­spie­len zu il­lus­trie­ren. die kern­the­se, die es­senz des bu­ches steht be­reits im zwei jah­re al­ten spigel-on­line-ar­ti­kel, näm­lich: die din­ge die wir heu­te im in­ter­net be­ob­ach­ten kön­nen, sind alle mehr oder we­ni­ger eine di­rek­te fol­ge der ha­cker- und cra­cker-kul­tur die rund um den C64 ent­stan­den ist.

stö­cker 2009:

Gleich­zei­tig le­ben in die­sem Land an die 20 Mil­lio­nen Men­schen zwi­schen 15 und 35 (um mal eine will­kür­li­che Gren­ze für die An­ge­hö­ri­gen der Ge­ne­ra­ti­on C64 zu zie­hen), in de­ren Le­ben di­gi­ta­le Tech­no­lo­gie eine zen­tra­le, eine vor al­lem selbst­ver­ständ­li­che Rol­le spielt. Für die das In­ter­net nicht "der Cy­ber­space" ist, son­dern ein nor­ma­ler Teil ih­res All­tags, eben­so wie Te­le­fo­ne für die Ge­ne­ra­tio­nen da­vor.

in sei­nem buch steht auf sei­te 264:

Gleich­zei­tig le­ben in die­sem Land mehr als 20 Mil­lio­nen Men­schen, die jün­ger sind als 35 oder 40 (um mal eine will­kür­li­che Gren­ze für die An­ge­hö­ri­gen der Ge­ne­ra­ti­on C64 und der nach­fol­gen­den Ge­ne­ra­tio­nen zu zie­hen), in de­ren Le­ben di­gi­ta­le Tech­no­lo­gie eine zen­tra­le, eine vor al­lem selbst­ver­ständ­li­che Rol­le spielt. Für die das In­ter­net nicht »der Cy­ber­space« ist, son­dern ein nor­ma­ler Teil ih­res All­tags, eben­so wie Te­le­fo­ne für die Ge­ne­ra­tio­nen da­vor. Die Com­pu­ter­spie­le seit ih­rer Ju­gend ken­nen und des­halb nicht für ge­fähr­li­che Amok­trai­ner hal­ten. Die wis­sen, was ein Brow­ser ist.

das was stö­cker über sei­ne ju­gend, also un­se­re ju­gend, bzw. die ju­gend der men­schen um die 40 schreibt liest sich gut und füll­te mir beim le­sen so man­che ge­däch­nis­lü­cke. teil­wei­se wur­de ich sehr nost­al­gisch und stell­te mal wie­der er­schü­tert fest, wie ähn­lich die le­bens­läu­fe von mit­tel­stand­kin­dern im wes­ten der bun­des­re­pu­blik ver­lie­fen. eine ge­ne­ra­ti­on der er­leb­nis-klo­ne.

und stö­cker zieht klu­ge schlüs­se, bzw. er­klärt schlüs­sig wie sich ha­cker- und cra­cker-ethik, kin­der­zim­mer-dis­ket­ten-ko­pie­re­rei (die man heu­te raub­ko­pie­re­rei nennt) ver­misch­ten und hal­tun­gen schu­fen die wir heu­te im in­ter­net be­ob­ach­ten kön­nen. er spannt den bo­gen von cra­ckern, die ohne kom­mer­zi­el­le in­ter­es­sen den ko­pier­schutz von spie­len ent­fern­ten, zur heu­ti­gen demo- und open-source-sze­ne, von john per­ry bar­low, zu ju­li­an assan­ge und zen­sur­su­la-pro­tes­ten, vom C64-ko­pier­pro­gramm „fast­co­py“ zur pi­ra­te­bay.

Der C64 und das um ihn her­um wu­chern­de Öko­sys­tem in­stal­lier­ten in un­se­ren Köp­fen ein Ge­fühl von na­he­zu un­be­grenz­ter Mach­bar­keit, der Kal­te Krieg, die dro­hen­de Um­welt­ka­ta­stro­phe ei­nes von na­he­zu ab­so­lu­ter Ohn­macht. Vie­les von dem, was den heu­te 30- bis 40-Jäh­ri­gen von den Äl­te­ren vor­ge­wor­fen wird – po­li­ti­sche Apa­thie, ein Man­gel an ge­sell­schafts­po­li­ti­schen Vi­sio­nen, eine laxe Ein­stel­lung zum Ur­he­ber­recht und nicht zu­letzt die Be­reit­schaft, sich tech­no­lo­gi­schen Wan­del ohne Rück­sicht auf Ge­schäfts­mo­del­le, ge­sell­schaft­li­che Kon­ven­tio­nen oder recht­li­che Fra­gen zu­nut­ze zu ma­chen – sind mit­tel­ba­re oder un­mit­tel­ba­re Fol­gen die­ser pa­ra­do­xen Kom­bi­na­ti­on aus Ohn­macht und gren­zen­lo­sen Mög­lich­kei­ten.

die bei­den ers­ten ka­pi­tel in de­nen stö­cker sei­ne schlüs­se vor­be­rei­tet hat er jetzt auch stark ge­kürzt auf spie­gel on­line ver­öf­fent­licht. das liest sich al­les sehr gut und beim le­sen kommt man aus dem kopf­ni­cken kaum raus.

man liest das und fühlt sich ge­bauch­pin­selt. wir wa­ren schon tol­le che­cker da­mals — und sind es heu­te im in­ter­net im­mer noch! wo­bei die­se eher un­kri­ti­sche ei­gen­bauch­pin­se­lei na­tür­lich auch pro­ble­ma­tisch ist: wer soll das bit­te le­sen, aus­ser leu­te die jetzt um die 40 sind und da­mals ih­ren el­tern mit der plat­ten lüge da­mit haus­auf­ga­ben zu ma­chen ei­nen home­com­pu­ter aus dem bauch ge­lei­ert ha­ben? de­ren el­tern viel­leicht, die jetzt von ih­ren kin­dern stö­ckers buch zu weih­nach­ten ge­schenkt be­kom­men, da­mit sie mit 20 jah­ren ver­spä­tung er­fah­ren, was sich da­mals im kin­der­zim­mer wirk­lich ab­ge­spielt hat?

stö­cker hat ein buch ge­schrie­ben, dass bei den an­ge­hö­ri­gen der ge­ne­ra­ti­on C64 of­fe­ne tü­ren ein­rennt und sie bauch­pin­selt und für den rest der welt den er­klär­bär macht. wenn der rest der welt sich denn da­für in­ter­es­sie­ren wür­de. beim le­sen fühl­te ich mich wie ein heis­ses mes­ser, dass durch but­ter schnei­det. hän­gen­ge­blie­ben ist nicht viel, aus­ser ein biss­chen fett, ein paar vor­ge­fer­tig­te ar­gu­men­te die künf­ti­ge dis­kus­sio­nen et­was schmie­ren und auf­la­den könn­ten.

das buch hat mir aus­ser­or­den­lich gut ge­fal­len — und das ist auch ein biss­chen das pro­blem. am ende sagt man „ja“ und ver­misst das was wirk­lich gute bü­cher in ei­nem hin­ter­las­sen: ein klei­nes in­spi­ra­ti­ons-pflänz­chen das man wei­ter he­gen und pfle­gen und gross­zie­hen kann.

im­mer­hin habe ich jetzt ein weih­nachts­ge­schenk für mei­ne el­tern.


der um­schlag sieht aus, als hät­te chris­ti­an stö­cker ihn höchst­per­sön­lich ge­zeich­net — mit dem mund. auf dem um­schlag fand ich dann nach ei­ni­gem su­chen auch den ur­he­ber der gräs­li­chen il­lus­tra­ti­on (ein kra­ke­lig ge­zeich­ne­ter tisch mit ei­nem fern­se­her, ei­ner da­ta­set­te, ei­nem joy­stick und ei­nem c64): www.bue­ro-jor­ge-schmidt.de

be­vor ich den link in mei­nen brow­ser ein­gab, schloss ich eine wet­te mit mir selbst ab. wet­ten das die büro jor­ge-schmidt-site eine voll-flash-site ist? in der tat, voll­flash es war. nach­dem ich den flash-blo­cker de­ak­ti­viert hat­te: mu­sik. gräs­lich. im­mer­hin, wenn man in der flash­da­tei ein biss­chen rum­klickt ret­tet das büro jor­ge-schmidt sei­nen ruf ein biss­chen: die ha­ben nicht nur scheuss­li­che buch­um­schlä­ge ge­stal­tet, son­dern auch ein paar ganz an­sehn­li­che.