die beifahrerin

felix schwenzel, , in wirres.net    

sie hat mich angebaggert. von anfang an. zuerst nur virtuell, mit andeutungen und versteckten botschaften. ich habe für solcherlei bauchpinseleien und andeutungen allerdings nur ein eingeschränktes sensorium. flirtversuche ziehen unbeachtet an mir vorbei. ich bemerke sie nichtg. eines tages kam sie geschäftlich in die stadt. ein mir bekannter und mit allen wassern gewaschener frauenheld organsierte ein treffen, sicherlich auch weil sie einst seinen bauch sorgfältig gepinselt hatte. flirtprofis wie er könnnen sowas sogar zwischen den zeilen lesen. ich noch nicht mal mit ausrufezeichen. dieses erste treffen zogen der frauenheld und ich unbewusst auf wie ein casting. wir hatten allerlei bekannte eingeladen, waren aber als einzige pünktlich. als sie die kneipe betrat, sassen wir nebeneinander, unterhielten uns über irgendeinen blöden technikkram und baten sie uns gegenüber platz zu nehmen. an diesem abend sah ich ihr strahlen zum ersten mal. ein wärmendes, über das ganze gesicht verteiltes strahlen. nicht nur ein lächeln. ein strahlen. schon ein lächeln kann einen wärmen. aber ihr strahlen war besonders warm. ich fing an zu schwitzen. wohl auch weil ich ihr interesse an mir nicht mehr verdrängen oder als fehlwahrnehmung verdrängen konnte. nicht dass ich aussergewöhnlich kontaktgestört wäre, aber der gedanke an körperliche nähe, an intimitäten mit fremden löst in mir unbehagen aus. sie blieb am ball. keine 10 minuten nach ihrem eintreffen fand sie es an der zeit gemeinsame fotos zu erstellen. sie verliess den ihr zugewisenen platz, also die sichere distanz und kamn zu mir rüber. der frauenheld sollte uns fotografieren. nicht nur wegen ihres strahlens, auch wegen ihres eindringens in meine intimsphäre (sie legte den arm um mich, wollte gesicht an gesicht posieren), lief ich zusätzlich zum schwitzen auch noch puterrot an.

mir ging das alles zu schnell. um vertrauen zu jemandem zu schöpfen brauche ich normalerweise zeit. ein bis zwei jahre, oder so. mein fluchtreflex siegte, nach drei hefeweizen konnte ich ohne zu lügen sagen ich sei hundemüde, total kaputt und müsse am nächsten tag früh raus.

am folgenden tag hatte sie eine ausstellungseröffnung. alle anwesenden hatten zugesagt auch zu kommen. ich war dann auf der vernissage der einzige der kam. als sie mich sah, kam sie strahlend auf mich zu und begrüsste mich. wieder lief ich puterrot (eventuell sogar krebsrot) an. im laufe des abends betrank und entspannte ich mich allerdings merklich. sie führte mich herum, strahlte, es kamen noch ein paar gemeinsame bekannte vorbei und beim absacken bei alkohol im prater hielten ich sogar mal kurz ihre hand in meiner. ich musste am nächsten morgen wieder früh raus und ging wieder als erster. weiter als sie zu einer veranstaltung einige wochen später in berlin einzuladen wollte und konnte ich an diesem abend allerdings nicht gehen. ich ging nachhause. alleine.

einige wochen später dann die veranstaltung zu der ich sie eingeladen hatte. sie war tatsächlich da. ich verdrängte erfolgreich die tatsache, dass sie allein wegen mir gekommen war und versuchte meine verpflichtung mich um sie zu kümmern zu ignorieren. ich trieb sie in den wahnsinn bevor ich mich nach stunden dazu durchringen konnte mich zu ihr zu setzen und mit ihr mit belegter stimme zu plaudern. sie strahlte. sie strahlte so sehr, dass mich fremde menschen zur seite nahmen um mich darauf hinzuweisen, dass diese frau offenkundig interesse an mir habe. ich erwischte mich selbst dabei, auch interesse zu entwickeln. aber der wichser, der soziopath in mir wehrte sich noch. ich weigerte mich, trotz enormen drucks („peer pressure“), sie in meine unaufgeräumte, komisch riechende junggesellenwohnung mitzunehmen. wir kannten uns ja gerade erst 2 monate.

jede noramle frau hätte spätesten an diesem punkt aufgegeben und die geschichte als gescheitertes experiment ad acta gelegt. sie nicht. sie liess sich strahlend mit dem versprechen abwimmeln, dass ich sie demnächst in ihrer heimatstadt zu einer ausstellungseröffnung besuchen würde.

und tatsächlich, nach einem halben jahr werben, 2 monate nach unserem ersten treffen machte ich mich locker und liess sie an mich ran, öffnete mich und nahm sie als meine beifahrerin.

warum ich das alles so detailiert aufschreibe? weil meine beifahrerin eine extrem angenehme beifahrerin ist und ich schon lange mal wieder was positives schreiben wollte und bemerkt habe, dass man fürs glück eigentlich nur eines tun muss: am ball bleiben und der inneren stimme folgen. ausserdem ist bald weihnachten und dann fahren wir bereits ein jahr zusammen.