interview mit einem „digital native“ (mit mir)

felix schwenzel

anja as­si­on hat auf te­le­me­di­cus ei­ner 14jäh­ri­gen gym­na­si­as­tin fra­gen ge­stellt. ich habe mir ge­dacht, die fra­gen kann ich auch be­ant­wor­ten und mit dem in­ter­net-ge­döns kenn ich mich auch ein biss­chen aus.

hier also die ge­klau­ten und teil­wei­se auf­ge­mö­bel­ten fra­gen von anja as­si­on und mei­ne ant­wor­ten:

Fe­lix*, dei­ne Ge­ne­ra­ti­on wird als „Di­gi­tal Na­ti­ves” be­zeich­net. Sagt dir die­ser Be­griff et­was?

ich dach­te un­se­re ge­ne­ra­ti­on heisst „ge­ne­ra­ti­on upload“ oder „kos­ten­los-kul­tur“ oder „golf“? aber den be­griff „di­gi­tal na­ti­ves“ hab ich schon­mal ge­hört. das soll wohl be­deu­ten, dass man es mit ei­ner ge­ne­ra­ti­on zu tun hat, die mit dem in­ter­net auf­ge­wach­sen ist.

Du bist 40 Jah­re alt und hast na­tür­lich auch ei­nen ei­ge­nen Com­pu­ter. Seit wann be­sitzt du ihn und musst nicht mehr den Fa­mi­li­en-PC be­nut­zen?

ei­nen ei­ge­nen com­pu­ter habe ich seit­dem ich drei­zehn bin. mit zwölf jah­ren habe ich in ir­gend­ei­ner zeit­schrift eine an­zei­ge ge­se­hen, die ei­nen ZX81 für 249 DM an­on­cier­te und für das ge­rät ein 14 tä­gi­ges rück­ga­be­recht an­bot. also hab ich mir den ZX81 ge­kauft und nach zwei wo­chen zu­rück­ge­schickt. da­nach folg­te ein TI99/4A von te­xas in­stru­ments, ein C64, ein PC mit nem 80386er pro­zes­sor und win­dows 1.0 und da­nach meh­re­re ap­ple-ge­rä­te, zu­erst ein LCII, ein Per­for­ma 640, ein PPC6300, zwei Power­Books und ak­tu­ell ein schwar­zes mac­book. das mac­book habe ich im­mer bei mir.
ei­nen fa­mi­li­en-PC gabs in mei­ner fa­mi­lie noch nie. zwar über­las­se ich meist mei­ne al­ten rech­ner mei­ner fa­mi­lie, aber in mei­ner fa­mi­lie herrscht eher eine „ich will nen ei­genn rech­ner ha­ben“-men­ta­li­tät.

Wo be­wegst du dich denn im In­ter­net? Hast du eine ei­ge­ne Home­page bzw. ei­nen Blog?

seit mei­nem stu­di­um an der uni-stutt­gart habe ich eine ei­ge­ne home­page, zu­nächst auf ei­nem uni-ser­ver, spä­ter dann, so ab 1997 un­ter mei­ner ei­ge­nen do­main schwen­zel.de. seit 2001 be­trei­be ich die do­main wir­res.net, un­ter der ich zu­nächst rund­brie­fe an mei­ne freun­de ver­öf­fent­lich­te, um mir das an­schrei­ben je­des ein­zel­nen zu spa­ren. ne­ben­bei be­trieb ich noch die home­page des „in­sti­tut für pa­ra­ar­chi­tek­to­ni­sche phä­no­me­ne“, ei­ner klei­nen agen­tur die ich wäh­rend un­se­rers stu­di­ums mit sechs kom­mi­li­to­nen grün­de­te. ne­ben­bei ak­tua­li­sier­te und pfleg­te ich ei­ni­ge pro­jekt­sei­ten an der uni, die home­page des in­sti­tuts für bau­kon­struk­ti­on 1 (ibk1) an der ar­chi­tek­tur-fa­kul­tät und di­ver­se an­de­re platt­for­men, die ich zum rum­ex­pe­ri­men­tie­ren und tes­ten nutz­te, un­ter an­de­rem edit­thispage.com oder blog­ger.com.

seit april 2002 nut­ze ich wir­res.net re­gel­mäs­sig um er­leb­nis­se, wit­ze, bil­der, was mir so über den weg lief, mich freu­te oder är­ger­te zu ver­öf­fent­li­chen. ir­gend­wann fand ich her­aus, dass man das „blog­gen“ nennt, was mich aber bis heu­te nicht son­der­lich be­ein­druckt.

seit kur­zem be­nut­ze ich wie­der face­book, pfle­ge schon seit län­ge­rem mei­ne xing-, lin­ke­din-, goog­le- und un­zäh­li­ge an­de­re pro­fi­le. seit ein paar jah­ren nut­ze ich auch die­ses twit­ter-dings. stu­diVZ kenn ich nicht.

Und wie schaut bei dir ein nor­ma­ler Tag – in Be­zug auf das In­ter­net – aus? Kannst du dei­nen Ta­ges­ab­lauf be­schrei­ben, also wie oft du am Tag E-Mails, Face­book- oder Twit­ter-Mit­tei­lun­gen checkst?

mor­gens klin­gelt und weckt mich mein han­dy und ich wer­fe, so­bald ich die au­gen öff­nen kann, als ers­tes ei­nen blick in mei­ne emails und kom­men­ta­re auf wir­res.net. auf dem han­dy. da­nach guck ich kurz in den goog­le-rea­der oder wenn da nix drin­steht auf riv­va.de, spie­gel.de oder zeit.de. nach der mor­gen­toi­let­te setz ich mich meist ein, zwei stünd­chen in ein café, lese mei­nen news­rea­der (der­zeit eine mi­schung aus net­news­wire und dem goog­le-rea­der) leer, be­ant­wor­te oder schrei­be kom­men­ta­re, schrei­be manch­mal bei­trä­ge für wir­res.net oder twit­te­re, dass ich ge­ra­de früh­stü­cke, kaf­fee trin­ke oder mal pup­sen muss.

auf dem weg zur ar­beit fo­to­gra­fie­re ich hin und wie­der die stadt und schi­cke die bil­der ent­we­der zu twit­pic oder in mein blog, frü­her hab ich das mit flickr.com ge­macht, flickr fin­de ich jetzt aber doof, twit­pic ei­gent­lich auch und yfrog so­wie­so.

da­nach sur­fe ich auf der ar­beit un­ge­fähr acht stun­den im in­ter­net, schrei­be emails, ins in­tra­net oder ins in­ter­net, te­le­fo­nie­re hin und wie­der ein biss­chen und lade mein han­dy auf. nach der ar­beit setz­te ich mich manch­mal in ein café um noch ein biss­chen im in­ter­et rum­zu­sur­fen, et­was ins in­ter­net zu schrei­ben oder das in­ter­net leer­zu­le­sen. manch­mal lei­he ich mir in der DVDhek eine DVD, wäh­rend ich die sehe, twit­te­re ich manch­mal zi­ta­te oder mei­ne mei­nung über den film ins in­ter­net. manch­mal, aber nur ganz sel­ten, schrei­be ich auch ei­nen län­ge­ren text über die DVD die ich mir an­ge­guckt habe.

ir­gend­wann lege ich mich ins bett, lese noch ein biss­chen im goog­le rea­der oder spie­gel-on­line rum oder eine hal­be sei­te mei­nes buc­kow­ski-bu­ches, das seit etwa zwei jah­ren in mei­nem bett liegt und was ich wohl nie zu­en­de be­kom­men le­sen wer­de, weil ich nie schaf­fe mehr als eine hal­be sei­te zu le­sen.

Wel­che Rol­le spielt das In­ter­net auf der Ar­beit? Habt ihr auf der Ar­beit Com­pu­ter mit In­ter­net­zu­gang und lernt ihr ge­zielt mit dem In­ter­net zu ar­bei­ten, also bei­spiels­wei­se dar­in zu re­cher­chie­ren? Und wer­det/wur­det ihr auf der Ar­beit von eu­ren Vor­ge­setz­ten dar­über auf­ge­klärt, was ihr im In­ter­net dürft und was nicht?

bei uns auf der ar­beit hat je­der ei­nen ei­ge­nen com­pu­ter. ich nut­ze mei­nen ei­ge­nen rech­ner und den mei­nes ar­beit­ge­bers. auf mei­nen ei­ge­nen will ich nicht ver­zich­ten, weil ich da­mit enorm schnell ar­bei­ten kann und al­les auf mei­ne be­dürf­nis­se und ar­beits­ab­läu­fe ein­ge­spielt ist.

in­ter­net ha­ben auch alle rech­ner, zu­mal sich un­se­re ar­beit zum gros­sen teil im in­ter­net ab­spielt. die meis­ten re­sour­cen die ich zur ar­beit be­nö­ti­ge fin­de ich im in­ter­net, hät­te ich kein in­ter­net, wäre ich wie ein förs­ter ohne wald oder ein metz­ger auf dem mond — völ­lig hilf­los.

über das was ich im in­ter­net darf oder nicht darf, ha­ben mich be­reits mei­ne el­tern und die an­wäl­te die mich ab­ge­mahnt oder nach ab­mah­nun­gen be­ra­ten ha­ben auf­ge­klärt.

Ei­ni­ge Ge­rich­te ha­ben ent­schie­den, dass El­tern haf­ten und Scha­dens­er­satz be­zah­len müs­sen, wenn ihre Kin­der im In­ter­net das Recht ver­let­zen. Denn Kin­der und Ju­gend­li­che un­ter 18 Jah­ren kön­nen in vie­len Fäl­len noch nicht be­langt wer­den. Be­auf­sich­tigst du dei­ne Kin­der, wenn sie im In­ter­net sind? Und hast du dei­ne Kin­der über „rich­ti­ges Ver­hal­ten” im In­ter­net ge­re­det?

klar ha­ben wir mit dem kind dar­über ge­re­det. mehr oder we­ni­ger ha­ben wir ihm die­sel­ben sa­chen ge­sagt, die mir mei­ne el­tern als kind er­zählt ha­ben: nimm kei­ne bon­bons von frem­den an, stei­ge bei frem­den nicht ins auto, sag frem­den nicht, wo du wohnst und nimm sie nicht mit nach hau­se. zer­stö­re kei­ne kau­gum­mi­au­to­ma­ten, drück nicht auf feu­er­mel­der, be­neh­me dich an­de­ren ge­gen­über so wie du selbst von ih­nen be­han­delt wer­den möch­test, gehe kei­ne all­zu gros­sen ri­si­ken ein.

Was ver­stehst du per­sön­lich – un­ab­hän­gig von der Mei­nung dei­ner Kol­le­gen, Freun­de oder an­de­ren – un­ter „rich­ti­gem Ver­hal­ten” im Netz?

hm. ich ver­ste­he die fra­ge nicht. oder an­ders­rum, ich könn­te die fra­ge auch nicht be­ant­wor­ten, wen ich ge­fragt wür­de, wie man sich in ei­ner stadt rich­tig ver­hält. man­che ge­hen in ei­ner stadt ger­ne in den puff, oder zu mc­do­nalds, an­de­re ko­chen und fi­cken lie­ber zu­hau­se, nur ob und in­wie­fern das „rich­tig“ oder nicht „rich­tig“ ist, ver­mag ich nicht zu be­ur­tei­len.

ab­ge­se­hen da­von ver­su­che ich mich so zu ver­hal­ten, dass ich nie­man­dem scha­den zu­fü­ge, keins auf die fres­se be­kom­me und ein biss­chen spass habe.

Be­ziehst du Mu­sik und Fil­me aus dem In­ter­net? Kos­tet das Her­un­ter­la­den dann et­was und machst du das auch schon­mal il­le­gal?

mei­ne frau und ich ha­ben sämt­li­che un­se­rer CDs in MP3s um­ge­wan­delt und die knapp 30 gi­ga­byte auf ei­nen zen­tra­len ser­ver in un­se­rer woh­nung ko­piert. die frau und das kind fül­len ihre ipods mit die­ser mu­sik, ich habe ir­gend­wann be­merkt, dass ich mich für mu­sik ei­gent­lich nicht son­der­lich in­ter­es­sie­re. sie stört mich eher und lenkt mich meist von dem was ich tun will ab. neue mu­sik kauft die frau bei itu­nes oder ama­zon, eine ech­te CD ha­ben wir seit jah­ren nicht mehr ge­kauft.

vor vie­len jah­ren, als es noch „naps­ter“ als p2p-netz­werk gab, hab ich mal ein paar lie­der dort run­ter­ge­la­den um da­mit fil­me zu un­ter­ma­len die ich da­mals mit gros­sem ver­gnü­gen auf­ge­nom­men und ge­schnit­ten habe, seit­dem be­fin­den sich ein paar hei­no-stü­cke in mei­ner mu­sik­samm­lung und die ti­tel­me­lo­die der se­sam­stras­se. vie­le mp3s habe ich wäh­rend mei­nes stu­di­ums von freun­den be­kom­men. aber wie ge­sagt, wirk­lich in­ter­es­siert für mu­sik hab ich mich nie, des­halb hab ich auch nie gross nach mu­sik im in­ter­net ge­sucht, die „il­le­gal“ hät­te sein kön­nen.

fil­me lei­he ich mir ger­ne auf DVD und wenn sie sich ko­pie­ren las­sen, ko­pie­re ich mir sie auf die fest­plat­te um sie spä­ter zu se­hen. in den letz­ten jah­ren habe ich auch sehr vie­le fern­seh­se­ri­en oder fil­me auf DVD ge­kauft. man­che in deutsch­land, vie­le bei ama­zon.co.uk. ich fin­de es ganz gross­ar­tig fern­seh­se­ri­en wann ich will und im ori­gi­nal auf eng­lisch zu se­hen. was ich an den ge­kauf­ten DVDs auch sehr mag: man kann sie auch ganz gut wie­der bei ama­zon ver­kau­fen, das kann man mit dem teu­ren (le­ga­len) down­load-scheiss nicht ma­chen.

aus­ser­dem habe ich in den letz­ten jah­ren sehr vie­le DVDs im freun­des­kreis ge­tauscht, bzw. ge­gen­sei­tig aus­ge­lie­hen. so konn­te ich alle 300 staf­feln „frasier“ gu­cken, „the west wing“, „the wire“ und so wei­ter.

für eine gan­ze wei­le habe ich im ame­ri­ka­ni­schen itu­nes-store ame­ri­ka­ni­sche se­ri­en ge­kauft und run­ter­ge­la­den. das geht, wenn man sich in ame­ri­ka itu­nes-gut­schei­ne be­sorgt, aber als deut­scher fern­seh­se­ri­en im ame­ri­ka­ni­schen itu­nes-store zu kau­fen, ist, glau­be ich, nicht le­gal und ver­stösst ge­gen alle mög­li­chen vor­schrif­ten und AGBs die sich ir­gend­wel­che ju­ris­ten aus­ge­dacht ha­ben. die her­stel­ler der fern­seh­se­ri­en und fil­me mei­nen dass es ein bes­se­res ge­schäfts­mo­del ist, wenn sie be­stim­men wann und wo ich für eine se­rie oder ei­nen film be­zah­le, als wenn ich es selbst be­stim­me. ich glau­be die ha­ben zwei din­ge noch nicht be­grif­fen: ei­ner­seits, dass die welt durch das in­ter­net sehr klein ge­wor­den ist und an­de­rer­seits, dass man fil­me nicht un­ter­ti­teln oder syn­chro­ni­se­ren muss, um sie in eu­ro­pa zu ver­kau­fen.

Hast du eine Vor­stel­lung war­um das Ko­pie­ren von Mu­sik und Fil­men im In­ter­net in vie­len Fäl­len nicht er­laubt ist? Fin­dest du es rich­tig, dass das Hoch- und Her­un­ter­la­den in den meis­ten Fäl­len nicht er­laubt ist?

naja, selbst das kau­fen von mu­sik oder fil­men im in­ter­net ist in man­chen fäl­len il­le­gal, sie­he oben. das pro­blem ist mei­ner mei­nung nach nicht, dass es fern­seh­se­ri­en, fil­me oder mu­sik im in­ter­net „kos­ten­los“ gibt, son­dern dass man die sa­chen ent­we­der gar nicht kau­fen kann und wenn doch zu mond­prei­sen und oft in ka­put­ten, funk­tio­nal ein­ge­schränk­ten und ver­krüp­pel­ten da­tei­for­ma­ten. wenn in den USA ein film wie „wall*e“ hoch und run­ter ge­hypt und be­wor­ben wird, der film aber le­gal in deutsch­land erst sechs mo­na­te spä­ter raus­kommt, war­um wun­dert sich da noch je­mand, dass es leu­te gibt die von der wer­bung auf web­sei­ten so auf­ge­geilt wur­den, dass sie sich den film ir­gend­wo kos­ten­los be­sor­gen, weil sie ihn nicht kau­fen kön­nen. wür­de die­ser markt von der in­dus­trie be­dient und nicht aus­ge­trock­net wer­den, hät­te sie glau­be ich nichts mehr zu kla­gen.

wie war die fra­ge noch­mal?

Soll­te man dei­ner Mei­nung nach al­les, was im In­ter­net ver­füg­bar ist, auch frei nut­zen dür­fen? Oder kannst du auch die Ur­he­ber ver­ste­hen, die das nicht möch­ten?

wit­zi­ger­wei­se hört man von re­la­tiv we­ni­gen ur­he­bern, dass sie nicht möch­ten, dass man ihre wer­ke nutzt.

und: vie­le mu­si­ker und „ur­he­ber“ se­hen das der­zeit­ge ur­he­ber­recht mitt­ler­wei­le selbst als pro­ble­ma­tisch an, schliess­lich lei­den sie ja teil­wei­se sel­ber dar­un­ter: künst­ler wie „dan­ger mou­se“ wur­den selbst we­gen an­geb­li­cher ur­he­ber­recht­ver­stös­se ver­klagt, weil sie die wer­ke an­de­rer ge­sam­pelt oder ver­frem­det oder re­kom­bi­niert ha­ben.

trotz­dem habe ich na­tür­lich ver­ständ­nis für leu­te die be­stim­men wol­len wie ich ihre mu­sik höre oder ihre fil­me sehe oder was ich da­für zu zah­len habe, die mu­sik und fil­me mit DRM oder „re­gio­nal­codes“ ver­se­hen und da­mit zwar nicht ver­hin­dern, dass die wer­ke in tausch­bör­sen ge­lan­gen, da­für aber ver­hin­dern, dass ich die fil­me oder die mu­sik, die ich be­zahlt habe, se­hen oder hö­ren kann wo und wie ich will. ich habe aber auch ver­ständ­nis für leu­te die se­xu­el­le er­re­gung ver­spü­ren wenn sie aus­ge­peitscht oder er­nied­rigt wer­den. nur ernst­neh­men mag ich sol­che leu­te nicht.
teil­wei­se kann ich das auch gut ver­ste­hen, dass ki­no­be­sit­zer nicht wol­len, dass DVDs schnell raus­kom­men, dass ver­leih­fir­men ame­ri­ka­ni­sche fil­me erst mo­na­te ver­spä­tet nach deutsch­land brin­gen, dass man DVDs die man in den USA kauft hier nicht be­nut­zen und erst recht nicht ko­pie­ren kann. nur gut fin­den kann ich das al­les nicht. (ver­ständ­nis != ein­ver­stan­den)

meis­tens hört man „wir möch­ten das nicht“ üb­ri­gens nicht von den „ur­he­bern“, son­dern von gros­sen rech­te­ver­wer­tern, ver­leih­fir­men oder an­walts­kanz­lei­en.

ins­ge­samt den­ke ich, ist es kei­ne gute idee sich von ei­ner pro­fit­ori­en­tier­ten bran­che das ge­setz­buch dik­tie­ren zu las­sen. ich den­ke es gibt da noch ein men­ge dis­kus­si­ons­be­darf, der nicht mit der fra­ge „wol­len ur­he­ber das“, son­dern mit der fra­ge „wie soll sich un­se­re kul­tur frei wei­ter­ent­wi­ckeln“ be­gin­nen sol­te.

Du hast er­zählt, dass du ein Pro­fil bei Face­book hast. Wie stellst du dich dort sel­ber dar? Wer darf sich al­les dein Pro­fil an­schau­en?

face­book habe ich zum ers­te­mal vor zwei jah­ren be­nutzt und es hat mich tie­risch ge­nervt. stän­dig ka­men ir­gend­wel­che an­fra­gen an ir­gend­ei­ner um­fra­ge oder quiz oder sonst­was teil­zu­neh­men und all das ge­ne­rier­te wie­der­um emails die in mein post­fach fie­len und im weg la­gen. als dann face­book auch noch an­zei­gen mit mei­nem na­men (und de­nen von vie­len an­de­ren face­book-nut­zern) schal­te­te, hab ich mein face­book-ac­count bis vor drei wo­chen ru­hen las­sen.

mitt­ler­wei­le ha­ben sich die fil­ter- und ein­stell­mög­lich­kei­ten bei face­book sehr ver­bes­sert. man kann recht ge­nau ein­stel­len mit wem man was tei­len will, wer was se­hen kön­nen soll und was man selbst se­hen möch­te oder eben nicht.

der gros­se vor­teil an face­book ist, dass man dort kon­takt zu leu­ten wie­der­auf­neh­men kann, die man schon lan­ge aus den au­gen ver­lo­ren hat. so habe ich wie­der ein paar fa­mi­li­en-kon­tak­te wei­der­auf­le­ben las­sen kön­nen, mit ehe­ma­li­gen kom­mi­li­to­nen die sich mitt­ler­wei­le in alle welt ver­teilt ha­ben re­den kön­nen und so­gar wie­der kon­takt mit ei­ni­gen ame­ri­ka­ni­schen freun­den wie­der­auf­neh­men kön­nen, von de­nen ich ein hal­bes le­ben nichts mehr ge­hört habe.

mei­ne selbst­dar­stel­lung läuft aber eher über mei­ne eig­nen web­sei­ten oder die­ses twit­ter-dings — und nicht über face­book. aber das än­dert sich in die­sen zei­ten ja eh stän­dig, man geht da­hin, wo ei­nem die bes­ten werk­zeu­ge zur selbst­dar­stel­lung zur ver­fü­gung ste­hen.

Hast du das Ge­fühl, dass du dich zu an­de­ren im In­ter­net an­ders, viel­leicht of­fe­ner und di­rek­ter, als wenn sie in na­tu­ra vor dir ste­hen?

an­ders be­stimmt. ich über­le­ge das was ich ins in­ter­net ab­son­de­re meis­ten et­was sorg­fäl­ti­ger, als das was ich leu­ten in na­tu­ra sage. es ist ein biss­chen wie bei ei­nem be­wer­bungs­ge­spräch. da soll­te man nicht wie ein ro­bo­ter vor­ge­fer­tig­te und vor­for­mu­lier­te tex­te raus­bla­sen, son­dern ein­fach ein biss­chen be­dach­ter re­flek­tier­ter über sich re­den, als wenn man zum bei­spiel ei­nem freund ge­gen­über­sitzt. ins in­ter­net schrei­ben, sei es bei twit­ter, face­book, in blogs oder sonst­wo, ist de­fi­ni­tiv an­stren­gen­der und be­wuss­ter als das was ich in na­tu­ra ma­che. eben ein biss­chen wie ein ewi­ges be­wer­bungs­ge­spräch. mit ei­ner aus­nah­me: ich stren­ge mich so­wohl im vir­tu­el­len, als auch rea­len irre an, wit­zig zu wir­ken.

Ein be­kann­ter Wis­sen­schaft­ler hat ein­mal ge­sagt: „Das In­ter­net ver­gisst nie.” Was meinst du, hat er da­mit ge­meint?

wie­so sagst du nicht den na­men des wis­sen­schaft­lers? hast du ihn nicht im in­ter­net ge­fun­den? oder ein­fach nur ver­ges­sen? men­schen ver­ges­sen üb­ri­gens auch nie. al­les was wir uns ge­merkt ha­ben ist noch da, auch wenn wir uns nicht er­in­nern.

und das in­ter­net ver­gisst aber durch­aus. ich wür­de wahn­sin­nig ger­ne ein paar mei­ner frü­hen web­sites noch­mal an­se­hen - fast alle sind ver­schwun­den oder nur in frag­men­ten er­hal­ten. aus­ser­dem bin ich ein gros­ser freund der the­se, dass man durch in­for­ma­ti­ons­über­flu­tung die wich­ti­gen in­for­ma­tio­nen ver­de­cken oder ver­rau­schen kann. wenn man ein­fach stän­dig von sich selbst er­zählt, selbst wenn al­les wahr ist, sind die leu­te ir­gend­wann so durch­ein­an­der, dass sie gar nicht mehr wis­sen was sie über ei­nen wis­sen.

mei­ne te­le­fon­num­mer habe ich zum bei­spiel auf al­len mei­nen sei­ten und pro­fi­len an­ge­ge­ben, auf face­book und twit­ter, im im­pres­sum von wir­res.net und dem von schwen­zel.de, bei xing, lin­ke­din, goog­le — über­all. trotz­dem fra­gen mich die leu­te stän­dig: „wie kann ich dich er­rei­chen?“

ein biss­chen angst ma­chen mir al­ler­dings doch die tech­no­lo­gi­schen fort­schrit­te der letz­ten zeit. durch da­ta­mi­ning, ge­sichts- und mus­tere­ken­nung kann man das rau­schen des in­ter­net (das den men­schen of­fen­bar noch im­mer völ­lig über­for­dert) recht klar die we­sent­li­chen in­for­ma­tio­nen und pro­fi­le ex­tra­hie­ren. da nützt es dann bald nix mehr in­for­ma­tio­nen mit ge­gen­in­for­ma­tio­nen zu­zu­pu­dern.

Hast du dir schon­mal Ge­dan­ken dar­über ge­macht, dass dein Ar­beit­ge­ber dich dann viel­leicht vor dem Be­wer­bungs­ge­spräch goo­gelt und da­bei pein­li­che Fo­tos von dir fin­det?

naja, pein­li­che fo­tos soll­te man schon bei der ent­ste­hung ver­mei­den. und wenn es wel­che ge­ben soll­te, kann man ja auch meist noch was da­ge­gen un­ter­neh­men. trotz­dem frge ich mich, ob ich bei je­man­dem ar­bei­ten will, der rum­stresst, weil es pein­li­che fo­tos von mir gibt. will ich bei je­man­dem ar­bei­ten, der mir sagt: „wir ha­ben hin­wei­se im in­ter­net ge­fun­den, dass sie schon­mal be­trun­ken wa­ren.“

ab­ge­se­hen da­von: glaubst du al­les was in der zei­tung steht? glaubst du al­les was man so goog­len kann? oder willst bei je­man­dem ar­bei­ten, der so denkt?

Die „Ge­ne­ra­ti­on In­ter­net”, der du ja an­ge­hörst, un­ter­schei­det sich auch des­halb von frü­he­ren Ge­ne­ra­tio­nen, weil es für sie ganz nor­mal ist, Kon­tak­te übers In­ter­net zu knüp­fen. Wahr­schein­lich hast du auch schon Leu­te übers In­ter­net ken­nen­ge­lernt. Wie kam es zu den Kon­tak­ten und habt ihr euch auch in der „rea­len Welt” schon ein­mal ge­trof­fen?

was denn jetzt? „di­gi­tal na­ti­ves“? „ge­ne­ra­ti­on in­ter­net“? „upload“? „bo­he­me“?
es gab in mei­nem le­ben drei vier pha­sen, wo ich be­son­ders vile leu­te ken­nen­ge­lernt habe. ein­mal in der schu­le, bzw. den schu­len auf die ich ge­gan­gen bin. vie­le von den da­mi­li­gen freund­schaf­ten hal­ten bis heu­te. beim stu­di­um habe ich auch un­fass­bar vie­le leu­te ken­nen­ge­lernt, eben­so bei mei­nem zi­vil­dienst, mei­ner leh­re und den ers­ten be­rufs­jah­ren.

die pha­se wo ich mit ab­stand die meis­ten leu­te ken­nen­ge­lernt habe, ist al­ler­dings die, die mit die­sem in­ter­net-ge­döns zu tun hat. vie­le leu­te habe ich on­line ge­le­sen und be­wun­dert, don dah­l­mann, die grö­ner, den nig­ge­mei­er, den lobo, den jo­chen aus ber­lin, udo vet­ter, svenk, den knü­wer, das­nuf, mal­or­a­ma, die kalt­mam­sell, herr paul­sen, nico lum­ma und hun­der­te an­de­re — und spä­ter hab ich die alle auch mal ge­trof­fen, auf blog­ger­tref­fen, le­sun­gen oder zum kaf­fee oder bier und aus vie­len die­ser be­kannt­schaf­ten sind wun­der­ba­re freund­schaf­ten ent­stan­den. um­ge­kehrt fan­den mich, bzw. das was man von mir im in­ter­net le­sen oder se­hen kann, auch ein, zwei leu­te gut und mit ei­ner von de­nen bin ich jetzt ver­hei­ra­tet.

mit an­de­ren wor­ten, ob man sich an der uni, in ei­ner part­ner­bör­se, ei­ner knei­pe, im ur­laub oder ir­gend­wo im in­ter­net ken­nen­lernt ist nicht wirk­lich re­le­vant. re­le­vant ist aber, dass das po­ten­zi­al leu­te ken­nen­zu­ler­nen im in­ter­net sehr viel grös­ser ist als in ner knei­pe oder sonst­wo auf der welt.

Hat­test du vor Blog­ger­tref­fen Angst, dass sich in Wirk­lich­keit ganz an­de­re Per­so­nen hin­ter den Blog­gern ver­ber­gen als du er­war­tet hast?

nö.

Du bist er­staun­lich gut über Pro­blem­fel­der im In­ter­net und Ver­hal­tens­re­geln in­for­miert. Wo­her hast du dein Wis­sen, wenn du es nicht in der Schu­le oder von dei­nen El­tern ge­lernt hast?

ach du scheis­se. wenn ich nur wüss­te, was ich bei mei­nen el­tern, in der schu­le, der leh­re oder der uni ge­lernt hät­te, dann wäre ich ganz schön hohl. man muss nicht „au­to­di­dakt“ auf sei­ner vi­si­ten­kar­te ste­hen ha­ben oder stän­dig das man­tra vom le­bens­lan­gen ler­nen vor sich hin pfei­fen, um die welt zu be­grei­fen.

Fe­lix, herz­li­chen Dank für das Ge­spräch!

ger­ne.

die fra­gen stam­men ur­sprüng­lich von anja as­si­on und wur­den teil­wei­se von mir mo­di­fi­ziert.

*name von der re­dak­ti­on nicht ge­än­dert. [wel­che re­dak­ti­on?]

[nach­trag 09.11.2009]
pop64-sven und don dah­l­mann ha­ben auch die fra­gen oben be­ant­wor­tet.