likes und kreuzchen

felix schwenzel

im prin­zip hat john­ny na­tür­lich recht, wenn er sagt:

Doch eines ist Facebook nicht: Eine politische Plattform.

an­de­rer­seits ist das aber eben auch quatsch. po­li­tik hat doch nix mit der platt­form oder der zu­gäng­lich­keit zu tun. john­ny zi­tiert die­sen satz von sa­scha lobo

Es (gibt) kein niedrigschwelligeres ‘politisches Engagement’ als ein Klick auf Facebook.

um zu fol­gern, dass sys­te­me wie wahl­com­pu­ter oder eben face­book zu an­fäl­lig für ma­ni­pu­la­ti­on sei­en und „viel zu ein­fa­che Par­ti­zi­pa­ti­on“ zu­lies­sen, „als das man von ech­tem po­li­ti­schem En­ga­ge­ment spre­chen könn­te“. wenn par­ti­zi­pa­ti­on also zu ein­fach ist oder ma­ni­pu­la­ti­ons­an­fäl­lig, ist sie un­po­li­tisch?

sind e-pe­ti­tio­nen, wie die be­rühmt ge­wor­de­ne, von fran­zis­ka hei­ne in­i­tier­te pe­te­ti­on zu zen­sur­su­las netz­sper­ren auch zu „ein­fach“, um als po­li­tisch zu gel­ten? ist ein blog-ein­trag zu ein­fach zu ver­fas­sen, als dass man ihn po­li­tisch nen­nen könn­te? wa­ren „stoppt strauss“-sti­cker un­po­li­tisch, weil es zu ein­fach ist, sich ei­nen sti­cker an­zu­hef­ten?

john­ny re­la­ti­viert sei­ne re­la­ti­vie­rung im schluss­ab­satz noch­mal ein biss­chen, wenn er sagt:

Politik wird nicht bei Facebook entschieden, sondern in einem gesellschaftlichen Prozess […], den viele Faktoren mitbestimmen.

und ei­ner die­ser fak­to­ren der die „ge­sell­schaft­li­chen pro­zes­se“ mit­be­stimmt, ist eben auch der, der zu ei­nem ein­fa­chen „like“ auf face­book führt, ein an­de­rer fak­tor sind dum­me (oder we­ni­ger dum­me) sprü­che am stamm­tisch, ein ge­spräch am ess­tisch, viel­leicht auch mal ein blog­ein­trag, ein zei­tungs­ar­ti­kel, die rede ei­nes po­li­ti­kers oder am wahl­tag zu­hau­se zu blei­ben. so ge­se­hen sind die knei­pe oder die tank­stel­le ne­ben­an, ein ar­ti­kel, ein ge­spräch, ein tweet oder eben auch face­book ab­so­lut po­li­ti­sche platt­for­men, weil sie po­li­ti­sche und ge­sell­schaft­li­che pro­zes­se ab­bil­den und sicht­bar ma­chen, völ­lig un­ab­hän­gig von ma­ni­pu­la­ti­on oder re­le­vanz.

re­le­vanz ist fir­le­fanz, oder ge­nau­er, wer sind wir, die po­li­ti­sche re­le­vanz von äus­se­run­gen zu be­wer­ten? ist ja nicht das ers­te­mal, dass das po­li­ti­sche es­tabish­ment oder wir links- bis mit­tel-al­ter­na­tiv-li­be­ra­len tran­tü­ten uns be­quem in un­se­rer selbst­zu­ge­wie­se­nen re­le­vanz und über­le­gen­heit son­nen und die mei­nungs­äus­se­run­gen „der an­de­ren“, „der ein­fa­chen“, „der doo­fen“, der ma­ni­pu­lier­ba­ren als ir­rele­vant, un­wich­tig oder nicht wei­ter be­ach­tens­wert ab­tun und uns dann wun­dern, wenn wir ge­le­gent­lich von klei­nen oder gros­sen wel­len über­rannt wer­den.

ro­nald schill hat in ham­burg mal ge­zeigt, dass rechts lie­gen ge­las­se­ne und nicht ernst ge­nom­me­ne rumm­ei­ner und falsch- und dooff­in­der und dif­fe­ren­zie­rungs­all­er­gi­ker durch­aus zu mas­sen­haf­ter, nied­rig­schwel­li­ger par­ti­zi­pa­ti­on fä­hig sind — und da­mit auch mal eben wah­len ent­schei­dend be­ein­flus­sen kön­nen. oder an­ders ge­sagt: der un­ter­schied zwi­schen ei­nem face­book-like und ei­nem kreuz­chen auf ei­nem blatt pa­pier muss gar nicht so gross sein wie sich das john­ny (und manch an­de­rer) ge­ra­de vor­stellt oder wünscht.

aber be­quem ist es auf je­den fall, 500tau­send li­kes als irr­le­vant und un­po­li­tisch ab­zu­tun. würd ich wahr­schein­lich auch ma­chen, wenn mich je­mand fragt.

[/via 1 und /via 2]