ein vernünftiges auto

felix schwenzel

als ich noch klein war und glaub­te in zu­kunft ein auto zu be­nö­ti­gen, war mein traum­au­to vor al­lem eins: nicht ver­nünf­tig. als ab­so­lut in­ak­zep­ta­bles auto emp­fand ich da­mals den vw-pas­sat: durch und durch ver­nünf­tig und prak­tisch. güns­ti­ge an­schaf­fung, platz für kin­der­wa­gen, kin­der­sit­ze und fa­mi­lie, kei­ne ho­hen ver­brauchs­wer­te, ein auto als in­kar­na­ti­on des mit­tel­mäs­si­gen kom­pro­mis­ses. als eben­so lä­cher­lich emp­fand ich jede art von sport­wa­gen. denn sie folg­ten ih­rer ei­ge­nen ver­nunft, näm­lich der, schnell zu sein. als fol­ge die­ser lo­gik sind sport­wa­gen leicht, flach, klein und mit al­lem mög­li­chen ae­ro­dy­na­mi­schen schnick­schnack aus­ge­rüs­tet der sport­lich­keit und schnel­lig­keit si­gna­li­sie­ren (vor­täu­schen) soll. im­mer­hin hielt ich sol­cher­lei sport­wa­gen zu­gu­te un­prak­tisch zu sein, man konn­te nix mit ih­nen trans­por­tie­ren, sass un­be­quem und idio­tisch in ih­nen und wenn sie kon­se­quent tief ge­legt wa­ren, wa­ren sie in der stadt auch nicht wirk­lich schnell.

mei­ne ide­al­vor­stel­lung ei­nes coo­len, be­geh­rens­wer­ten au­tos glich der ei­nes pan­zers. so gross, dass man kei­nen park­platz fin­den wür­de, so schwer, dass er sprit ohne ende schlu­cken wür­de, so ge­räu­mig, dass es ab­surd er­schei­nen wür­de dar­in al­lei­ne zu fah­ren. mei­ne dif­fu­sen vor­stel­lun­gen gin­gen in rich­tung s-klas­se oder pick­up-truck, viel­leicht auch ein zum lei­chen­wa­gen um­ge­bau­ter ja­gu­ar e-type, wie ich ihn mal in „ha­rold and mau­de“ sah. haupt­sa­che viel blech, viel hub­raum, viel ps, viel un­ver­nunft.

es ist nie dazu ge­kom­men, bei der an­schaf­fung mei­ner au­tos war ich nie be­reit mehr als 1000 mark aus­zu­ge­ben, was zu eher leich­ten, gar nicht so un­ver­nünf­ti­gen au­tos führ­te. so­gar ei­nen ur­alten pas­sat fuhr ich für eine wei­le, al­ler­dings ei­nen ex­trem un­prak­tisch ge­schnit­te­nen, mit nur zwei tü­ren und schrä­ger heck­klap­pe, in des­sen kof­fer­raum man kaum et­was hin­ein­be­kam. mein letz­tes auto war dann so­gar ein golf die­sel. ein schreck­li­ches auto, null­acht­fünf­zehn, je­der fuhr so­et­was und dann auch noch mit ei­nem ver­nünf­ti­gen mo­tor, ei­nem die­sel. ich hass­te ihn, er mich auch. je­den mor­gen zwang er mei­nen in­ne­ren schwei­ne­hund mich in ihn zu set­zen und den knap­pen ki­lo­me­ter zur uni zu fah­ren um dort 20 mi­nu­ten ei­nen park­platz zu su­chen, um schluss­end­lich rie­si­ge fuss­we­ge oder rie­si­ge straf­zet­tel in kauf zu neh­men. ich war nicht son­der­lich trau­rig als ihn mir ir­gend­wel­che idio­ten vom uni-park­platz klau­ten, nur ir­ri­tiert, als ich ihn nach ei­ner durch­ge­ar­bei­te­ten nacht mor­gens nicht fand. die po­li­zei fand ihn ei­nen mo­nat spä­ter wie­der, mit ei­ner tank­fül­lung su­per kas­triert und mit sehr or­dent­lich auf­ge­räum­ten in­nen­raum und re­pa­rier­ter an­ten­ne. ich habe ihn kurz dar­auf mei­ner schwes­ter ge­schenkt, der golf war mir so­wohl zu ver­nünf­tig, als auch zu un­ver­nünf­tig für die stadt.

seit­dem fah­re ich ge­le­gent­lich miet­wa­gen oder den el­ter­li­chen mer­ce­des, wo­bei das ein­zi­ge was mich am au­to­fah­ren be­geis­tert das von a nach b ge­lan­gen ist, die fä­hig­keit von gros­sen au­tos gros­se din­ge zu trans­por­tie­ren — und na­vi­ga­ti­ons­sys­te­me.

nun fah­re ich seit 2 wo­chen wie­der auto. so rich­tig be­geis­tert bin ich nicht. das auto ist so furcht­bar ver­nünf­tig. es gibt sich zwar äus­ser­lich an­satz­wei­se un­ver­nünf­tig, also „sport­lich“, hat ex­trem gros­se rei­fen mit noch grös­se­ren alu­fel­gen die ruck zuck an bür­ger­stei­gen ver­krat­zen und tut so als sei es klein, eng und un­be­quem („sport­lich“), ist es aber nicht. der kof­fer­raum ist rie­sig, die rück­sitz­leh­nen sind asy­m­e­trisch zu­rück­zu­klap­pen um ihn noch grös­ser zu ma­chen, so gross, dass ich wahr­schein­lich mei­nen ge­sam­ten haus­rat da­mit trans­por­tie­ren könn­te. das auto ist so si­cher, idio­ten­si­cher bei­na­he, dass ich mir vor lau­ter air­bags, gurt­straf­fern, esp, abs, ids, elek­tro­ni­scher dämp­fer­kon­trol­le (cdc) und au­to­ma­tik­funk­tio­nen fast von über­eif­ri­gen si­cher­heits­fa­na­ti­kern ver­kack­ei­ert vor­kom­me. oha! ich kann das esp ab­schal­ten (zum „sport­li­chen fah­ren“), aber dass das ei­gent­lich un­er­wünscht ist, si­gna­li­siert mir eine grel­le zei­ge­fing­ri­ge warn­lam­pe im ta­cho.

der as­tra gtc ist so ver­nünf­tig, so be­quem, so si­cher, so au­to­ma­tisch und kom­for­ta­bel, dass ich heu­te ganz neid­voll auf die be­sit­ze­rin ei­nes trab­bis ge­schaut habe, des­sen sei­ten­tü­ren aus ei­ner pla­ne mit ösen be­stan­den und der si­cher die eine oder an­de­re schar­fe kan­te hat, an der man sich beim ein­stei­gen schwer ver­let­zen kann, der beim fah­ren lärmt und stinkt, mor­gens nicht so­fort an­springt und ei­nen durch und durch feuch­ten und stin­ken­den fuss­raum hat.

im­mer­hin be­lei­digt der as­tra die ver­nunft, in­dem er auf ge­trän­ke­hal­ter und ab­la­ge­flä­chen ver­zich­tet, mit sei­nem rie­si­gen rück­spie­gel 40 % der sicht nach vor­ne ein­schränkt und rück­wärts­fah­ren zu ei­nem ra­te­spiel macht, weil man ein­fach nix sieht. das, muss ich sa­gen, macht ihn mir fast wie­der sym­pa­thisch. zu­mal er mich auch von a nach b bringt, wenn man das gas­pe­dal stän­dig durch­drückt auch mit ak­zep­ta­bel un­ver­nünf­ti­gen ver­brauchs­wer­ten.