RSS

felix schwenzel

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die ba­sic thin­king-be­trei­ber kün­di­gen an, ih­ren RSS-feed ge­kürzt zu ha­ben. an­geb­lich aus ei­nem „ein­fa­chen grund“:

Basic Thinking muss sich früher oder später über Werbung refinanzieren. Im Feed wird die Werbung aber nicht angezeigt. Deshalb ist uns natürlich daran gelegen, dass die Besucher die Posts auf unserer Seite lesen – und eben nicht komplett über RSS.

die ein­nah­men die durch wer­bung im feed ge­ne­riert wür­den, reich­ten nicht aus und das sei zu­we­nig die „Re­dak­ti­on durch­zu­füt­tern“. die re­ak­ti­on vie­ler le­ser in den kom­men­ta­ren lau­tet: „und tschüss“. das wie­der­um fin­det jür­gen viel­mei­er vom yuc­ca­tree doof:

Wie undankbar kann man sein? Manchmal verstehe ich die Menschen nicht. BasicThinking hat ein kleines Redaktionsteam, das täglich in allen Kanälen des Internet nach spannenden Themen sucht und sie aktueller präsentiert als so manche Nachrichtenredaktion. Dafür verlangen die Macher kein Geld; Werbung ist bisher äußerst dezent auf der Seite geschaltet.

un­dank­ba­re le­ser? wer liest den zei­tun­gen oder web­logs aus dank­bar­keit? ehr­lich­ge­sagt fin­de ich, dass es ge­nau um­ge­kehrt ist. ich bin dank­bar für je­den le­ser, dank­bar für je­den der mir sei­ne auf­merk­sam­keit schenkt und viel­leicht so­gar das, was ich ma­che, schätzt. da­für bin ich be­reit ei­ni­ges zu tun. zum bei­spiel ver­su­che ich das le­sen so ein­fach wie mög­lich zu ma­chen. ich bie­te nicht nur ei­nen rss-feed an, den man ein­fach in ei­nem feed­rea­der abon­nie­ren kann, prü­fe re­gel­mäs­sig dass er in di­ver­sen feed­rea­dern ei­ni­ger­mas­sen aus­sieht, ich ver­su­che auch, mei­ne web­site so ein­fach wie mög­lich zu­gäng­lich zu ma­chen, ich ach­te dar­auf, dass die sei­ten (mög­lichst) schnell la­den, bie­te eine funk­tio­nie­ren­de su­che an, ach­te dar­auf, dass such­ma­schi­nen die site gut in­de­xie­ren kön­nen und dass alle ein­trä­ge ein­deu­ti­ge und auf wunsch kur­ze urls ha­ben. zu­min­dest tech­nisch ver­su­che ich wir­res.net so ein­fach wie mög­lich les­bar zu ma­chen. das mit der recht­schrei­bung und der feh­len­den gross/klein­schrie­bung wi­der­spricht dem zwar ein we­nig, aber zu­min­dest tech­nisch ver­su­che ich alle mög­li­chen stei­ne aus dem weg zu räu­men.

vor al­lem bin ich aus ei­ge­ner er­fah­rung der über­zeu­gung, dass voll­text-RSS-feeds der ein­fachs­te und bes­te weg sind um ef­fi­zi­ent an in­for­ma­tio­nen zu kom­men. in­for­ma­ti­ons­quel­len ohne voll­text-RSS fal­len ruck-zuck aus mei­nen auf­merk­sam­keits-ra­dar. ein bei­spiel ist das blog von ri­chard gleim. ri­chard pos­tet manch­mal zehn bis zwan­zig bil­der täg­lich, meis­tens schnapp­schüs­se die klei­ne, kur­ze mo­men­te ein­fan­gen und die ich eben­so schnapp­schuss­ar­tig kon­su­mie­re. für eine wei­le war ri­chards RSS-feed ge­kürzt. in die­ser zeit tauch­ten nicht die bil­der in mei­nem feed­rea­der auf, son­dern nur kur­ze text-teaser. ich habe es für eine wei­le ver­sucht und auf die teaser ge­klickt, ver­lor aber schnell die lust dar­an. ich nahm gno­gon­go.de nicht mehr wahr. seit ein paar wo­chen ist der feed wie­der kom­plett und ich freue mich über fast je­des sei­ner bil­der in mei­nem feed­rea­der.

jür­gen viel­mei­er meint, das sei doch nur ein „maus­klick mehr“. mag sein, aber dar­um geht es nicht. es geht dar­um, dass ich je­man­dem auf­merk­sam­keit schen­ke und die­ser je­mand der sei­nen RSS-fedd kürzt meint, durch eine tech­ni­sche hür­de noch ei­nen zu­sätz­li­chen ti­cken auf­merk­sam­keit ver­lan­gen zu kön­nen. und es geht um ef­fi­zi­enz (und nicht etwa um ober­fläch­lich­keit). mein feed­rea­der ist prop­pe­voll, ich habe ge­nug da­mit zu tun den müll aus­zu­blen­den, zu über­sprin­gen und das was mich in­ter­es­siert, auf ei­nen blick er­ken­nen zu kön­nen. wenn ich erst nach ei­nem klick, zehn, zwan­zig se­kun­den la­de­zeit, ei­nem wei­te­ren klick um den tab im brow­ser zu wech­seln und wei­te­re se­kun­den um die stel­le wie­der­zu­fin­den an der ich auf­ge­hört habe zu le­sen, ent­schei­den kann ob mich das was ich sehe in­ter­es­siert, ist das ein un­ter­schied von zehn bis zwan­zig se­kun­den. das ist zu­viel. zu­mal ich in mei­nem feed-rea­der gar nicht kli­cke, son­dern kom­plett per tas­ta­tur na­vi­gie­re.

wenn ich et­was in­ter­es­sant fin­de, bin ich ger­ne be­reit mehr, viel mehr zeit zu in­ves­tie­ren. letzt­end­lich ist das in der ana­lo­gen, der pa­pier­welt nicht an­ders. wenn sich ein ver­le­ger ent­schei­den wür­de die über­schrif­ten auf der ti­tel­sei­te in der glei­chen schrift­grös­se wie den fliess­text zu set­zen und auf fo­tos oder il­lus­tra­tio­nen zu ver­zich­ten, da­mit die le­ser die ar­ti­kel auf­merk­sa­mer le­sen und nicht nur die sei­te nach in­ter­es­san­tem scan­nen, ver­liert er auf­merk­sam­keit, statt sie zu ge­win­nen. wer es dem le­ser schwer macht, ver­liert le­ser. wer den le­sern vor­schrei­ben möch­te wie sie et­was kon­su­mie­ren sol­len, ver­liert le­ser. wer den le­sern den ein­druck ver­mit­telt sie sei­en un­dank­bar, ver­liert le­ser und sym­pa­thien.

im prin­zip ist der streit dar­um, ob man RSS-feeds aus (an­geb­lich) kom­mer­zi­el­len grün­den, kür­zen soll­te, ur­alt. die rie­senmschi­ne hat ih­ren RSS-feed von an­fang an ge­kürzt und da­mit im lau­fe der zeit jede in­ter­essanz für mich ver­lo­ren. ich moch­te das pro­jekt, aber es war in­kom­pa­ti­bel zu mei­nen le­se­ge­wohn­hei­ten. aus dem sel­ben grund, ver­mu­te ich mal, schal­te­te eh­ren­senf vor jah­ren sei­nen RSS-feed ab. so nach dem mot­to: „wenn ihr uns auf­merk­sam­kiet schen­ken wollt, tut das auf un­se­rer site, sonst ha­ben wir nichts da­von“. of­fen­bar ist eh­ren­senf mitt­ler­wei­le so ver­zei­felt, dass sie seit ei­ni­gen ta­gen wie­der ei­nen funk­tio­nie­ren­den RSS-feed an­bie­ten. na­tür­lich ohne ein­ge­bet­te­te vi­de­os, das wür­de es dem le­ser ja zu ein­fach ma­chen, eh­ren­senf auf­merk­sam­keit zu schen­ken.

um end­lich zum punkt zu kom­men. ich glau­be, das ar­gu­ment RSS-feeds zu kür­zen oder zu ver­krüp­peln um mehr wer­be­um­sät­ze zu ma­chen, ist ein irr­tum. es geht um auf­merk­sam­keit. ja, sa­gen jetzt die RSS-kür­zer, von auf­merk­sam­keit kann ich mir aber nichts kau­fen. ich glau­be schon. es gibt ei­ni­ge kom­mer­zi­ell zu­min­dest an­satz­wei­se er­folg­rei­che blogs und web­sei­ten, die vol­le RSS-feeds an­bie­ten. das bild­blog, spree­blick, nerd­core oder zum bei­spiel dar­ing­fi­re­ball. und wie es der zu­fall will, hat john gru­ber, der be­trei­ber von dar­ing­fi­re­ball, ge­ra­de dar­über ge­schrie­ben, dass die kom­plet­ten RSS-feeds sich für ihn kom­mer­zi­ell ab­so­lut loh­nen:

It should go without saying that what works for me here at Daring Fireball, as a one-man show, may well not work (or work nearly as well) for a large operation with a full editorial staff such as Macworld. But: DF’s RSS feed, which contains the full content of the site, not only generates money directly, but has grown to become the single largest source of revenue on the site.
[…]
When I switched DF’s free public RSS feed to full-content in August 2007, DF’s web page views had been growing steadily month-to-month. After the switch, web page views were stagnant, with no growth, for about a year. (If anything, they went down in the first few months.) Butreadership clearly continued to grow: subscribers to the feed skyrocketed. And, about a year ago, even web page views started growing significantly once again — going from a little over one million per month to a little over two million per month.

na­tür­lich ist die si­tua­ti­on bei dar­ing­fi­re­ball spe­zi­ell. eng­lisch­spra­chi­ge blogs und vor al­lem gad­get-blogs ha­ben ei­nen po­ten­zi­ell rie­si­gen le­ser­kreis, aber vor al­lem schreibt gru­ber nicht so ei­nen müll wie ba­sic-thin­king („in­for­mel­le Selbst­be­stim­mung“ — was soll das sein, selbst­be­stim­mung ohne an­trags­for­mu­lar?*), son­dern kennt­nis­s­reich und un­prä­ten­ti­ös. gru­ber schreibt so gut, dass ich für sei­nen feed so­gar be­zah­len wür­de. aber er bit­tet mich we­der um geld, noch zwingt er mich sei­ne tex­te auf sei­ner web­sei­te zu le­sen — und ver­dient sich da­mit ei­nen gol­de­nen arsch.

[bild­quel­le]


[nach­trag]
über das kür­zen von feeds und ver­mark­tungs­ge­döns schreibt auch der wer­be­blog­ger le­sens­wert.

[nach­trag 06.03.2010]
mar­cel weiss schreibt le­sens­wert und weit aus­ho­lend über die auf­merk­sam­keits­öko­no­mie und das kür­zen von RSS-feeds.

aus­ser­dem hackr.de über sei­ne per­sön­li­che auf­merk­sam­keits­öko­no­mie und ei­nen wei­te­ren wich­ti­gen punkt:

als publisher muss man sich über eines jedenfalls im klaren sein: das umstellen von fullfeeds auf excerptfeeds bringt vl. einige klicks, birgt aber auch mitunter signifikante opportunitätskosten. man verliert nicht nur leser […], man verliert gerade die, denen das wichtig ist, weil sie mehr als nur eine quelle lesen und ihren output dann sharen und faven und streuen usw, man verliert die katalysatoren und damit alle von diesen getriggerten indirekten klicks.

[nach­trag 07.03.2010]
*) im rie­del-ar­ti­kel bei ba­sic thin­king steht jetzt nicht mehr „in­for­mel­le selbst­be­stim­mung“, son­dern „in­for­ma­tio­nel­le selbst­be­stim­mung“. in­for­mel­le kor­rek­tur, qua­si.