„für dich im­mer noch fan­ta sie“

felix schwenzel

ich war 1992 oder 1993 mal auf ei­nem kon­zert der fan­tas­ti­schen vier. ein freund frag­te mich da­mals ob ich ihn und sei­nen klei­nen bru­der da­hin be­glei­ten wür­de. das kon­zert fand im aa­che­ner eu­ro­gress statt, ei­nem kon­fe­renz-zen­trum mit holz­ver­tä­fel­ten mehr­zweck­räu­men. das pu­bli­kum be­stand aus hun­der­ten 12- bis 14jäh­ri­gen teen­agern die vor­ne an der büh­ne stan­den und die band be­ob­ach­te­ten und meh­re­ren hun­dert el­tern, die mit zu­ge­hal­te­nen oh­ren an der rück­wand des rau­mes stan­den und ihre kin­der be­ob­ach­te­ten. mein kum­pel und ich sa­hen uns das schau­spiel eine wei­le an und be­schlos­sen dann zu ei­nem ge­trän­ke­stand hin­aus­zu­ge­hen, um uns erst­mal ein bier­chen zu gön­nen. lei­der war das fan­ta4-kon­zert al­ko­hol­frei. es gab nur fan­ta (sic!), cola und was­ser. an viel mehr kann ich mich nicht er­in­nern, aus­ser dass die kin­der alle sehr glück­lich wirk­ten, ihre arme mit vier aus­ge­streck­ten fin­gern in die höhe streck­ten und rhyt­misch auf und ab sprin­gend „vier-vier-vier-vier“ rie­fen. seit dem kon­zert kann ich „is­ses die da?“ nicht mehr hö­ren.

am mitt­woch war ich ein­ge­la­den, mir mit ein paar jour­na­lis­ten und „me­di­en­part­nern“ das „Al­bum­Pre­Lis­tening“ (so nennt smu­do das, des­halb wirds auch stim­men) der neu­en plat­te der fan­tas­ti­schen vier an­zu­se­hen an­zu­hö­ren. um 19 uhr soll­te es los­ge­hen. ich woll­te ei­gent­lich nur fünf mi­nu­ten zu früh da sein, durch ein miss­ge­schick war ich aber schon um 10 vor sie­ben da. die dame an der re­zep­ti­on des lux11-ho­tels (vor­sicht, web­site plärrt!) schick­te mich ins pent­house im fünf­ten stock, wo die ver­an­stal­tung statt­fin­den soll­te, da war aber erst die fan­tas­ti­sche vie­rer-putz­trup­pe.

die pres­se und „me­di­en­part­ner“ durf­ten sich dann bis 20 uhr an der ho­tel­bar mit kom­pli­men­tie­ren­den ge­trän­ken ver­gnü­gen (es gab bier!), bis es wie­der hoch in den fünf­ten stock ging, wo es dann zum bier kom­pli­men­tie­ren­de häpp­chen gab.

das war al­les sehr le­cker und die aus­sicht war auch su­per.

ge­gen vier­tel nach acht ka­men die vier dann, setz­ten sich auf ein sofa und smu­do fing so­fort an zu quas­seln. mi­chi beck film­te die an­we­sen­den und dad­del­te da­nach an sei­nem ipho­ne (weiss!). wenn mi­chi beck re­de­te, dad­del­te smu­do an sei­nem ipho­ne (schwarz!). tho­mas d. re­de­te auch hin und wie­der, pack­te sein ipho­ne aber nicht aus. an­dre­as rie­ke re­de­te gar nicht, be­nut­ze kei­ne gad­gets und be­schränk­te sich den gan­zen abend dar­auf an­we­send zu sein und sym­pa­thisch zu wir­ken.

ob­wohl: sym­pa­thisch wirk­ten alle vier. vier män­ner, ein paar jah­re vor der mid­life-cri­sis, die mit ih­rem on­kel-bärt­chen, ge­pfleg­ten voll­bär­ten, ehe­ring­voll­aus­stat­tung und job­atey-beschuhung haar­scharf an der spies­sig­keit vor­bei­ge­stylt sind und un­prä­ten­ti­ös von ih­rer ar­beit er­zäh­len und mit ih­ren ipho­nes spiel­ten.

ja, so in etwa war das.


ach so. ihre CD ha­ben die vier na­tür­lich auch vor­ge­spielt. dem­nächst steht wahr­schein­lich wie­der über­all im in­ter­net und auf pa­pier, dass die fan­tas­ti­schen vier sich im­mer wie­der neu er­fin­den. das stimmt ja so­gar ein biss­chen. die 200 plat­ten die die fan­tas­ti­schen vier in den letz­ten 50 jah­ren pro­du­ziert ha­ben, las­sen sich nicht ein­fach in eine schub­la­de ste­cken und hö­ren sich alle ein biss­chen an­ders an. mit ei­ner aus­nah­me na­tür­lich: die stim­me von tho­mas d. hört sich auch auf der ak­tu­el­len plat­te an als wür­de er im nächs­ten re­frain sin­gen: „ist es die da?“.

nichts ge­gen die stim­me von tho­mas d. ich mag sei­ne stim­me sehr — wenn er re­det. sie er­in­nert mich mit ih­rem un­ter­drück­ten schwä­bisch an ei­nen gu­ten freund. ich weiss zwar nicht an wel­chen, aber die stim­me von tho­mas d. er­in­nert mich de­fi­ni­tiv an die ei­nes gu­ten freun­des. auch die art wie er „büro“ aus­spricht, er­in­nert mich an mei­ne zeit in stutt­gart. ei­gent­lich er­in­nert mich die gan­ze plat­te an ir­gend­was und weckt alle mög­li­chen er­in­ne­run­gen. das ist ei­ner­seits toll, an­de­rer­seits, wenns mich an den aa­che­ner eu­ro­gress und fan­ta und cola und „vier-vier-vier-vier-rufe“ er­in­nert, we­ni­ger toll.

zum be­spiel er­in­nert mich die „ma­chen wir mal ei­nen auf jung und wü­tend“-hal­tung bei den tracks 10 und 14 („schnau­ze“, „ka­putt“) an ramm­stein. ein wü­tend schrei­en­der smu­do brüllt in „ka­putt“: „wenn du mich hasst, fick dich! wen du mich liebst fick mich!“. raaaaaams­teeeeein! haaa­ass­s­s­ss! bes­ser hätt ich die zei­le so ge­fun­den: „wenn du mich hasst, fick mich! wen du mich liebst, fick mich! fick mich! fick mich!“. ob­wohl — der text wür­de durch so eine wen­dung ins de­vo­te auch nicht bes­ser. je län­ger ich über die­se text­pas­sa­ge nach­den­ke, des­to mehr wünsch ich mir manch­mal, dass die fan­tas­ti­schen vier auch mal nor­we­gisch sin­gen wür­den.

ma­chen sie aber na­tür­lich nicht, was auf ne art auch wie­der gut ist. denn die fan­tas­ti­schen vier le­gen ne­ben all dem neu­erfin­den auch wert auf strin­genz. da sind sie ein biss­chen wie jour­na­lis­ten. die hö­rer er­war­ten das so, also ma­chen wir das so. nie­mand soll über­mäs­sig ir­ri­tiert wer­den. da­durch wird der künst­le­ri­sche spiel­raum schmal. macht aber nix, stutt­gar­ter sind ja die kes­sel­la­ge ge­wohnt.

apro­pos ramm­stein. manch­mal, wenn ich ramm­stein höre, muss ich ki­chern. nicht weils wit­zig ist, son­dern weils so ab­surd ist. so ab­surd, dass eins der lie­der un­ter um­stän­den so­gar als un­ter­ma­lung ei­ner sze­ne in ei­nem da­vid-lynch-film be­nutzt wer­den könn­te. ein biss­chen muss­te ich auch bei „ka­putt“ ki­chern. so auf­ge­setzt und strin­gent die HEU­TE-MAL-HASS-hal­tung ist, das stück hat auch ein biss­chen was ab­sur­des (das ist ein kom­pli­ment!).

ge­nau­so wie die hoch­ge­zo­ge­ne, ein biss­chen ver­zwei­fel­te stim­me, ich ver­mu­te auch von smu­do, in „für dich im­mer noch fan­ta sie teil 2“. die stim­me in dem stück hat ge­nau das was die stü­cke mit tho­mas d. nicht ha­ben: et­was was nicht an die 1992er fan­ta4 er­in­nert. et­was, was ei­nen beim hö­ren nicht di­rekt sa­gen lässt „ach. das sind doch die fan­tas­ti­schen vier?“.

ich weiss es nicht, steht ja nir­gend­wo, aber ich glaub mi­chi beck singt „das letz­te mal“. das stück ge­fällt mir und er­in­nert mich vom sound ein biss­chen an alte turn-ta­ble-ro­cker-stü­cke. nicht zu rap­pig, et­was me­lo­di­ös, mit pri­ma pas­sen­den sound­schnip­seln ge­back­groun­ded und ein biss­chen groo­vig (wäh­rend ich eben „groo­vig“ schrob ha­ben sich mei­ne fuss­nä­gel nach oben ge­rollt. in zeit­lu­pe. echt).


im pres­se­text steht, das al­bum sei (un­ter an­de­rem) „böse“, „ka­putt“ und „gna­den­los“. aber cher­no job­atey hält sich auch für cool und böse. nee, das al­bum ist nicht schlecht, reimt sich teil­wei­se und hört sich an drei, vier stel­len nicht nach den fan­tas­ti­schen vier an (ein re­cy­cel­tes kom­pli­ment!). das ist ja gar­nicht­mal soo selbst­ver­ständ­lich. aber böse? na gut im knor­ka­tor-sin­ne viel­leicht („Ich bin so böööö­se, Ich eß Nu­tel­la mit dem Löf­fel“). ka­putt? die vier adret­ten her­ren die ich am mitt­woch ge­sehn habe wa­ren so in­takt und auf­ge­räumt wie die da­men aus dem trom­mel- und nor­dic-wal­king-kreis mei­ner schwie­ger­mut­ter. kei­ne spur ka­putt. gna­den­los? OK. gna­den­los dis­zi­pli­niert. muss man wohl auch sein um 18 jah­re mit den glei­chen leu­ten zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. das ist auch to­tal in ord­nung und be­wun­derns­wert.

apro­pos pres­se­text: dort wer­den auch „pro­mo­ti­on“-part­ner auf­ge­zählt. un­ter TV steht zum bei­spiel: 8.5.2010, schlag den raab, 21.05.2010 NDR talk­show. un­ter „on­line“ steht:

MAS­SI­VE PRÄ­SENZ IN AL­LEN RE­LE­VAN­TEN BLOGS UND FO­REN
U.A. SPREE­BLICK.COM
NETZ­PO­LI­TIK.ORG
NERD­CORE.DE
BA­SIC­THIN­KING.DE
CAR­TA.INFO
STE­FAN-NIG­GE­MEI­ER.DE/BLOG
STYL­E­SPI­ON.DE

netz­po­li­tik pro­mo­tet die fan­tas­ti­schen vier? car­ta? nig­ge­mei­er? kann das sein, dass da ein miss­ver­ständ­nis vor­liegt und even­tu­el­le ban­ner-schal­tun­gen mit „mas­si­ver prä­senz“ ver­wech­selt wur­den? der ein­zi­ge blog­ger den ich am mitt­woch ge­se­hen habe, war mal­colm. mich hab ich auch ge­se­hen, auf dem klo, im spie­gel.


am aus­gang gabs als ab­schieds­ge­schenk die plat­te als „li­mi­tier­te de­lu­xe edi­ti­on“ (ecol­book mit au­dio-CD und DVD, sehr hübsch und hap­tisch an­spre­chend ge­macht) und das hie­ro­ny­mus-bo­schi­ge plat­ten­co­ver-bild auf ei­nen keil­rah­men auf­ge­zo­gen. über die plat­te (die es erst ab 14. mai zu kau­fen gibt), hab ich mich ge­freut, schliess­lich ge­fal­len mir tat­säch­lich ein paar der stü­cke, über den keil­rah­men hat sich die bei­fah­re­rin ge­freut: „oh! fan­tas­ti­scher keil­rah­men! das bild über­mal ich!“


[nach­trag 07.05.2010, 10:09]
smu­do fin­det hier ir­gend­was un­ver­schämt , nennt mich „jour­na­list“ mit an­füh­rungs­zei­chen und hash­tagt wir­res.net mit #Twen­Vor­ur­teils­Blog. ent­we­der hab ich ir­gend­was falsch ge­macht oder ir­gend­was rich­tig.

[nach­trag 08.05.2010]
nur der voll­stän­dig­keit hal­ber: smu­do fin­det, nach­dem ein paar leu­te auf twit­ter mit ihm dis­ku­tier­ten und er, so­weit ich das ge­se­hen habe, je­dem ein­zel­nen ant­wor­te­te, dass die gan­ze sa­che „no big deal“ und eh ir­gend­wie „sub­jek­tiv“ sei.

[nach­trag 11.05.2010]
die sz schreibt heu­te in ih­rer druck-aus­ga­be über die­ses smu­do-job­atey-nor­dic-wal­king-un­ver­schämt­heits-dings.