lebenslügen

felix schwenzel, , in wirres.net    

51 tatort-autoren haben offenbar die schnauze voll davon, im schatten von schauspielern und intendaten rum zu stehen und melden sich mit einer offenbar hastig formulierten wortmeldung für ihre 15 minuten ruhm aufmerksamkeit an.

nicht nur ole reißmann fragt sich, wovor die autoren eigentlich so viel angst haben. ole reißmann:

Warum muss man das Urheberrecht so vehement gegen “Lebenslügen” verteidigen, wo es doch ohnehin “ultimativ verbrieft” ist?

nach dem lesen des offenen briefs der 51 tatort-autoren fiel mir auf, dass sie nicht nur den grünen, den piraten, den linken und der netzgemeinde „lebenslügen“ vorhalten, sondern auch selbst unter ein paar lebenslügen oder wunschvorstellungen zu leiden scheinen:

lebenslügen von tatort-autoren:

  • zu glauben, weil man als drehbuchautor für den tatort arbeitet, schaffe man „qualitativ hochwertige Kunst und Kultur“.
  • die hoffnung, dass einem leute, die man als demagogisch, überdramatisierend, politisch verkürzt und rechtsverstösse kaschierend bezeichnet, bei den honorar-verhandlungen mit seinem arbeitgeber zur seite stehen.
  • der glaube, dass „Kunst/Kultur“ und „materielle Absicherung“ in einem direkten und garantierten zusammenhang stehen.
  • die hoffnung, dass man konstruktive gespräche mit der behauptung anfacht, die andere seite sei ahnungslos und feindlich gesinnt.

besonders gefällt mir wieder mal der pauschalvorwurf an die „user“, also alle benutzer des internets (also wohl auch mein vater und meine mutter), dass diese in einer „Umsonstkultur“ lebten:

Diese politische Verkürzung von Grünen, Piraten, Linken und Netzgemeinde dient lediglich der Aufwertung der User-Interessen, deren Umsonstkultur so in den Rang eines Grundrechtes gehievt werden soll.

erstmal bin ich natürlich froh, dass ich für den etwas lieblos gesetzen text der drehbuchautoren nichts zahlen musste, frage mich aber, ob die drehbuchautoren was dagegen haben, dass ich mir einfach so die daily show mit jon stewart ansehen kann oder dass ix auf spiegel-, zeit- oder dings-online teilweise harsche kritiken ihrer drehbücher kostenlos durchlesen kann.

möglicherweise meinen sie mit „umsonstkultur“ aber auch, dass es leute gibt, die sich tatorte aus der ARD-mediathek kinofilme oder musikstücke kostenlos aus dem internet saugen. das trifft sicherlich zu, genauso wie es zutrifft, dass es leute gibt die in den puff gehen, leute die durchfall haben oder leute die ladendiebstahl begehen. aber deshalb herrscht doch hier „in der Bundesrepublik“ keine bezahlsex-, dünnschiss- oder kleptomanie-kultur.

immerhin, das freut mich wirklich sehr, haben die tatort-autoren zum ersten mal seit langer zeit etwas geschrieben, das mich nicht unfassbar langweilt, sondern vor allem (und das finde ich immer gut) irritiert und inspiriert.

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Das Interessante an den #Tatort-Autoren ist, dass sie sich bereits per Kultur-Flatrate (via GEZ) finanzieren. Eigentlich zukunftsweisend.
@urbach
Matthias Urbach

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ich habe gehört, es gibt „in der Bundesrepublik“ sonntags so eine art tatort-ritual. bei uns läuft das übrigens so ab: ich setze mich mit meinem laptop in die küche um zu lesen, meine ruhe zu haben oder zu schreiben, die frau und manchmal das kind liegen vor dem fernseher und schauen tatort. in letzter zeit haben beide öfter ihre laptops auf den knien. wenn ich frage was sie mit den laptops machen, antworten beide: „tatort ist langweilig.“ das haben sie früher immer erst nach dem tatort gesagt.

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markus beckedahl weist auf eine „liebenswerte“ antwort des CCC an die drehbuchautoren hin:

Liebe Tatort-Drehbuchschreiber,

mit Freude nehmen wir – ganz kess als Vertreter der von Euch angeprangerten “Netzgemeinde” – Euer Interesse an unseren Gedanken zu einer Versachlichung der Diskussion über Urheber- und Urheberverwertungsrechte im digitalen Zeitalter wahr. Bevor wir aber unnötig gleich zu Beginn Schubladen öffnen: Auch wir sind Urheber, sogar Berufsurheber, um genau zu sein. Wir sind Programmierer, Hacker, Musiker, Autoren von Büchern und Artikeln, bringen gar eigene Zeitungen, Blogs und Podcasts heraus. Wir sprechen also nicht nur mit Urhebern, wir sind selber welche. Es wird daher keinen “historischen Kompromiß” geben, denn es stehen sich nicht zwei Seiten gegenüber, jedenfalls nicht Urheber und Rezipienten, sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite und Ihr und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.

und, nochmal markus beckedahl:

Wer sich übrigens fragt, woher plötzlich dieser PR-Spin des Verbandes der Drehbuchautoren kommt: Das war angekündigt. Die Politik hat sich das gewünscht und bekommt jetzt geliefert.

Gleichzeitig unterstrich er (Anmerkung: Staatssekretär Hans-Joachim Otto), wie auch seine Kollegen aus Reihen von CDU, SPD und FDP, dass vor allem die Kreativbranche selbst gefordert sei, der öffentlichen Diskussion eine neue Richtung zu geben, die Anliegen der Urheber begreifbar zu machen. Gerade Künstler seien “sprachgewaltige” Botschafter.”