wenn die leu­te wis­sen, wie würs­te ge­macht wer­den …

felix schwenzel in artikel

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So­me­ti­mes, ma­gic is just so­meone spen­ding more time on so­me­thing than an­yo­ne else might re­ason­ab­ly ex­pect. — Tel­ler

die­ses zi­tat von tel­ler, der ge­mein­sam mit penn das büh­nen­paar penn & tel­ler bil­det, ist auf vie­len ebe­nen gran­di­os. ei­ner­seits er­klärt es die es­senz des show­busi­ness, aber auch die des hoch­leis­tungs­sports und ich wür­de fast wa­gen zu sa­gen, auch der kunst.

men­schen die gros­se tei­le ih­res le­bens ei­ner sa­che wid­men und un­vor­stell­bar viel zeit dar­ein ste­cken, er­lan­gen da­mit im bes­ten fall die fä­hig­keit uns zu un­ter­hal­ten und zu fas­zi­nie­ren.

der trick ist, mehr ar­beit in eine fä­hig­keit zu ste­cken, als es sich je­mand an­ders ver­nünf­ti­ger­wei­se vor­stel­len kann.

mitt­ler­wei­le habe ich so­gar mei­ne zwei­fel, ob es so­was wie ta­lent über­haupt gibt und ob wir ta­lent als das wahr­neh­men, was ei­gent­lich das er­geb­nis von enorm viel übung, oder ge­nau­er vom fest­beis­sen und ma­ni­sche ver­fol­gen ei­ner sa­che, ei­ner fä­hig­keit, ei­nes ziels ist. nach die­ser les­art wäre ta­lent dann ei­gent­lich die fä­hig­keit und der wil­le sich auf eine sa­che so zu kon­zen­trie­ren, wie es sich nie­mand an­ders vor­stel­len mag oder kann.

aber ich woll­te ei­gent­lich auf et­was ganz an­de­res hin­aus: auf tel­ler und penn (spoi­ler: ei­gent­lich auf die­ses in­ter­view, aber bis da­hin brau­che ich noch ein paar zei­len). tel­ler ist der ma­ni­sche part vom büh­nen­duo penn & tel­ler. der nerd, der sich mo­na­te-, jah­re­lang mit der per­fek­tio­nie­rung, op­ti­mie­rung von zau­ber­tricks be­schäf­ti­gen kann. in die­sem wun­der­ba­ren pod­cast ist ein ka­pi­tel, in dem tel­ler zu ei­nem be­stimm­ten zau­ber­trick be­fragt wird: dem schwe­ben­der-ball-trick.

tel­ler er­zählt, wie er die­sen ziem­lich al­ten trick zu­erst be­herr­schen woll­te, dann ver­bes­ser­te und er­wei­ter­te und dar­an 8 mo­na­te al­lein und bei je­der ge­le­gen­heit, auch im ur­laub, dran ar­bei­te­te. al­lei­ne, vor dem spie­gel, nach ge­mein­sa­men auf­trit­ten nachts auf der büh­ne. nach 8 mo­na­ten zeig­te er den trick zum ers­ten mal sei­nem büh­nen­part­ner penn jil­let­te. der witz ist: penn moch­te den trick nicht, er war ihm zu schmal­zig, zu cir­ce-du-sol­eil-mäs­sig. tel­ler ar­bei­te­te wei­ter, mo­na­te­lang, an dem trick, gab dem auf­tritt eine rich­tung, eine art ge­schich­te, aber auch das reich­te nicht um penn zu über­zeu­gen (ich ver­kür­ze grob, es lohnt sich das gan­ze pod­cast-ka­pi­tel mit tel­ler an­zu­hö­ren). denn ab­ge­se­hen da­von, dass der trick ein­fach nicht penns ge­schmack ent­sprach, fehl­te eine ent­schei­den­de zu­tat, die alle — oder die meis­ten tricks — von penn & tel­ler aus­macht. ra­di­ka­le of­fen­heit, kein or­na­ment, kein schmalz, kene mys­tik. und: oft ver­rät penn auf der büh­ne das ge­heim­nis des tricks auf der büh­ne (tel­ler spricht auf der büh­ne nicht).

und ge­nau das war es, was den trick für penn dann er­träg­lich mach­te: er kün­digt den trick (wahr­heits­ge­mäss) an, als ei­nen trick, der ein­zig und al­lein mit ei­nem fa­den funk­tio­niert. trotz­dem, oder erst recht des­halb, ver­zau­bert der trick das pu­bli­kum. das ge­lüf­te­te ge­heim­nis nimmt dem trick nichts, im ge­gen­teil, durch die per­fekt ein­stu­dier­ten be­we­gun­gen tel­lers, fas­zi­niert der trick noch mehr als wenn das pu­bli­kum den hin­weis nicht er­hal­ten hät­te oder ir­gend­ei­nen mys­te­ri­en-scheiss auf­ge­tischt be­kom­men hät­te.

das was tel­ler hier macht, ist ein durch-cho­reo­gra­phier­ter tanz, mit un­ver­ständ­li­chen, nicht nach­voll­zieh­ba­ren be­we­gun­gen.

das glei­che prin­zip, wenn auch ein biss­chen plat­ter, er­kennt man in die­sem trick. ob­wohl penn & tel­ler hier so­gar je­des de­tail des tricks er­klä­ren, re­du­ziert das die fas­zi­na­ti­on nicht um das ge­rings­te, son­dern stei­gert sie in be­wun­de­rung.

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wahr­schein­lich ist es ähn­lich wie beim bal­let. man sieht und ver­steht ver­meint­lich jede be­we­gung, aber kaum ei­ner ist in der lage, die­se be­we­gun­gen nach­zu­voll­zie­hen, je­den­falls nicht in die­ser per­fek­ti­on und die­ser (ver­meint­li­chen) leich­tig­keit.

aber der ent­schei­dens­te punkt von al­len ist noch et­was an­de­res, was penn in die­sem in­ter­view (hier ge­fun­den) er­klärt:

Vul­tu­re: But why is the au­di­ence wil­ling to get emo­tio­nal­ly en­ga­ged even af­ter you’ve ex­pli­cit­ly said the trick is done with th­read?

Penn: It’s be­cau­se the­re’s a se­cret that I would like to take cre­dit for un­co­ve­ring: The au­di­ence is smart. That’s all. Our goal when we star­ted was “Let’s do a ma­gic show for peo­p­le smar­ter than us.” No other ma­gi­ci­ans have ever said that sen­tence. I ha­ted the who­le idea that some smar­my mo­ther­fu­cker who couldn’t get laid was out the­re say­ing, “I can do this; you can’t.” So when Tel­ler and I first got tog­e­ther I said, “I want to do a ma­gic show that’s ho­nest and has com­ple­te re­spect for the au­di­ence.” And when you start be­ing ho­nest with the au­di­ence, they start to play a game wi­thin them­sel­ves. Here’s an ex­am­p­le that kills me: Peo­p­le who have just tal­ked to Tel­ler will come over to me af­ter the show and say, “I think it’s gre­at that Tel­ler never says any­thing.” In­ter­na­li­zing a coun­ter­fac­tu­al is just so­me­thing peo­p­le can do.

man zieht das pu­bli­kum auf sei­ne sei­te, wenn man es ein­weiht, die in­ter­nen ab­läu­fe trans­pa­rent dar­stellt und es re­spekt­voll, auf au­gen­hä­he be­han­delt. das hört sich jetzt abs­trakt und theo­re­tisch an, aber wenn man sich vor au­gen hält wie zum bei­spiel jour­na­lis­mus heut­zu­ta­ge (oder auch schin im­mer) funk­tio­niert, wird ei­nem schnell klar, dass jour­na­lis­mus, der mit den ge­füh­len sei­ner le­ser­schaft spielt, der ge­zielt emo­tio­nen schürt, ge­nau dem prin­zip ent­spricht, wie zau­be­rei die penn & tel­ler ver­ach­ten. zau­be­rei, die uri-gel­ler-mäs­sig dem pu­blli­kum ir­gend­wel­che mys­te­ri­en und un­be­kann­ten kräf­te auf­tischt, um sen­sa­tio­nel­ler zu wir­ken, ist das glei­che, wie rau­nen­der jour­na­lis­mus, der tat­sa­chen­frag­men­te auf­peppt mit ver­schwö­rung, res­sen­ti­ments ver­stärkt und letz­ten en­des mit dem pu­bli­kum spielt. bou­le­vard­me­di­en, klatsch­blät­ter be­die­nen ihre le­ser nicht, sie spie­len (von oben her­ab) mit ih­ren ge­füh­len und wen­den da­für alt-be­währ­te re­zep­te an.

die meis­ter­schaft, der es be­darf sich in die kar­ten gu­cken zu las­sen, die in­ter­nen ab­läu­fe dar­zu­stel­len — und trotz­dem das pu­bli­kum zu be­geis­tern oder min­des­ten zu in­ter­es­sie­ren, be­herr­schen die we­nigs­ten jour­na­lis­ten — und na­tür­lich auch die we­nigs­ten en­ter­tai­ner. und schlim­mer: sich auf au­gen­hö­he her­ab­zu­las­sen und dem pu­bli­kum eben­dort zu be­geg­nen, das pu­bli­kum zu re­spek­tie­ren und an des­sen in­tel­li­genz zu glau­ben, scheint nach wie vor ein ding der un­mög­lich­keit für die meis­ten öf­fenbt­lich­keits­ar­bei­ter zu sein.

auf ei­nen ähn­li­chen ge­dan­ken geht penn in dem in­ter­view ein, als er dem in­ter­view­er in ei­nem punkt hef­tig wi­der­spricht:

Vul­tu­re: So what you’re say­ing is that you’re skep­ti­cal that the­re’s been a shift, which is of­ten at­tri­bu­ted to Trum­pism, in tho­se peo­p­le’s wil­ling­ness to be­lie­ve things at odds with facts?

Penn: But when you say “tho­se peo­p­le” you’ve made a huge er­ror be­cau­se the­re are no “tho­se peo­p­le.” They don’t exist. You hear stuff like, “Trump sup­port­ers are ho­mo­pho­bic. Trump sup­port­ers are miso­gy­nist.” This is a mista­ke that was made by De­mo­crats. They would ac­cu­se Trump sup­port­ers of be­ing things that Trump sup­port­ers knew they we­ren’t. The­re are Trump sup­port­ers that have best fri­ends who have gay sex. They do. You can’t put a “they”-type thing on that.

eti­ket­ten sind prak­tisch, sie er­leich­tern (ver­meint­lich) die ori­en­tie­rung. aber ei­gent­lich die­nen sie, egal ob von recht, links, oben oder un­ten an­ge­wen­det, le­dig­lich der aus­gren­zung. die welt ist kom­pli­ziert, men­schen sind noch kom­pli­zier­ter. die welt oder die be­ur­tei­lung von men­schen zu ver­ein­fa­chen, lässt die welt für ei­nen mo­ment ver­ständ­li­cher er­schei­nen, stört aber den blick für ge­mein­sam­kei­ten und ver­tieft spal­tun­gen.

„die­se leu­te“ (oder „jene“) gibt es nicht, je­des eti­kett greift (im­mer) zu kurz. das gilt in der po­li­tik, aber eben auch in der un­ter­hal­tung.

was ich an penn am al­ler­meis­ten mag, ist sein un­beug­sa­mer op­ti­mis­mus.

Penn: For 50 mil­li­on ye­ars our big­gest pro­blems were too few ca­lo­ries, too litt­le in­for­ma­ti­on. For about 50 ye­ars our big­gest pro­blem has been too many ca­lo­ries, too much in­for­ma­ti­on. We have to ad­just, and I be­lie­ve we will re­al­ly fast. I also be­lie­ve it will be wi­cked ugly while we’re ad­jus­ting.

Vul­tu­re: How will that ug­li­ne­ss ma­ni­fest its­elf?

Penn: Do­nald Trump.

ich wei­se da auch ger­ne drauf hin. die ver­wer­fun­gen die wir der­zeit in und um die so­zia­len me­di­en er­le­ben, sind um­wä­zungs­pro­zes­se an die wir uns erst ge­wöh­nen müs­sen, mit de­nen wir erst noch ler­nen müs­sen um­zu­ge­hen, per­sön­lich, aber mehr noch: ge­sell­schaft­lich.