Kom­mu­ni­zie­ren wie in Star Trek (t3n 49)

felix schwenzel in artikel

Kom­mu­ni­ka­ti­on ist die Grund­la­ge al­len Le­bens — oder wie mein Bio­lo­gie­leh­rer frü­her™ im­mer sag­te: „Sex ist In­for­ma­ti­ons­aus­tausch“. Na­tür­lich gibt es auch un­ge­schlecht­li­che Fort­pflan­zung, aber In­for­ma­ti­ons­aus­tausch ist die Grund­la­ge von Viel­falt, Evo­lu­ti­on – und Team­ar­beit.

Ohne ei­nen gut ge­öl­ten, ef­fek­ti­ven In­for­ma­ti­ons­aus­tausch geht gar nichts. Wir be­ob­ach­ten das nicht nur in der Bio­lo­gie, uns fällt das nicht nur bei Netz­stö­run­gen auf, son­dern wir se­hen es auch täg­lich in Form von Un­ter­hal­tungs­dra­men, in Fern­seh­se­ri­en oder im Kino. Vie­le Span­nungs­bö­gen in dra­ma­ti­schen Er­zäh­lun­gen ba­sie­ren ent­we­der auf Miss­ver­ständ­nis­sen, In­for­ma­ti­ons­de­fi­zi­ten oder sto­cken­den In­for­ma­ti­ons­flüs­sen.

Der team­in­ter­ne In­for­ma­ti­ons­fluss in der Se­rie Sons of An­ar­chy war so ka­ta­stro­phal, dass die Se­rie ei­gent­lich (ne­ben Im­po­nier­ge­ha­be) kaum ein an­de­res The­ma als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sas­ter, Ge­heim­nis­krä­me­rei und Miss­ver­ständ­nis­se mit Ge­walt- oder To­des­fol­ge hat­te. Die Se­rie lie­ße sich her­vor­ra­gend als Lehr­bei­spiel da­für nut­zen, was man bei Team­ar­beit un­be­dingt ver­mei­den soll­te.

Ein Po­si­tiv­bei­spiel ist das Star-Trek-Uni­ver­sum, auch wenn dort nicht al­les glatt­geht; eins funk­tio­niert aber fast im­mer per­fekt: die Kom­mu­ni­ka­ti­on un­ter den Füh­rungs­of­fi­zie­ren. Selbst die au­to­ma­ti­schen Schie­be­tü­ren schei­nen dort zu kom­mu­ni­zie­ren. Sie öff­nen sich nicht, wenn je­mand da­vor­steht, son­dern erst ge­nau in dem Mo­ment, in dem der- oder die­je­ni­ge durch die Tür ge­hen will.

Lei­der taugt das Star-Trek-Uni­ver­sum kaum als Fund­gru­be für Team­or­ga­ni­sa­ti­ons­tipps. Die Se­rie gibt sich we­nig Mühe zu er­klä­ren, wie die ein­zel­nen Team­mit­glie­der es schaf­fen, bei den ge­le­gent­lich ge­zeig­ten Team­be­spre­chun­gen bis ins kleins­te De­tail in­for­miert zu sein. Egal was pas­sier­te, eine Sze­ne spä­ter weiß je­der der Prot­ago­nis­ten ge­nau dar­über Be­scheid, was vor­her ge­schah.

Wie sich die fik­ti­ven Fi­gu­ren in Star Trek hin­ter der Ka­me­ra ko­or­di­nie­ren, in­for­mie­ren und aus­tau­schen, wird im­mer­hin an­ge­deu­tet: per asyn­chro­ner Kom­mu­ni­ka­ti­on und ge­le­gent­li­chen, knap­pen und ef­fi­zi­en­ten Be­spre­chun­gen. Ver­mut­lich nicht nur aus dra­ma­tur­gi­schen Grün­den sieht und hört man die Kom­man­dan­ten oft beim Ver­fas­sen von Be­rich­ten und Log­bü­chern. Sämt­li­che wich­ti­gen In­for­ma­tio­nen schei­nen op­ti­mal er­fass­bar an Kon­so­len oder auf klei­nen hand­li­chen PADDs zu­gäng­lich zu sein. Mit die­sen iPad-ähn­li­chen Ge­rä­ten ha­ben die Star-Trek-Pro­du­zen­ten nicht nur Ta­blet­com­pu­ter an­ti­zi­piert, son­dern wohl auch die Prak­ti­ka­bi­li­tät von asyn­chro­ner Kom­mu­ni­ka­ti­on an­ge­deu­tet.

Denn so wich­tig Kom­mu­ni­ka­ti­on sein mag, ein Aspekt von Team­ar­beit stiehlt er­fah­rungs­ge­mäß un­ver­hält­nis­mä­ßig viel Zeit und nervt: Be­spre­chun­gen.

Mei­ne Vor­gän­ge­rin in mei­nem der­zei­ti­gen Job (als Pro­jekt- und Team­lei­ter) hat­te für eine Wei­le die An­ge­wohn­heit, je­den Auf­trag, jede Kun­den­mail mit dem Team zu be­spre­chen. Nach ei­ner Wei­le bat sie ei­ner un­se­rer Ent­wick­ler dar­um, die­se Din­ge künf­tig auf den pro­jekt­be­zo­ge­nen Mai­ling­lis­ten oder im In­tra­net zu do­ku­men­tie­ren und zu dis­ku­tie­ren. Das sei auch viel ef­fi­zi­en­ter als die stän­di­gen Be­spre­chun­gen.

Nicht nur mei­ne Vor­gän­ge­rin hat das (leicht) trau­ma­ti­siert, auch ich ver­such­te (da­mals), nach mei­ner Ein­ar­bei­tung, die Zahl der Be­spre­chun­gen nied­rig zu hal­ten und al­les so­weit wie mög­lich über Mails, un­ser Wiki und un­se­ren Is­sue-Tra­cker ab­zu­wi­ckeln. Die­se asyn­chro­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on, mit der die Adres­sa­ten (meist) selbst ent­schei­den kön­nen, wann sie ant­wor­ten oder agie­ren, scheint mir für den all­ge­mei­nen In­for­ma­ti­ons­aus­tausch ide­al – und für die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on es­sen­zi­ell.

Mei­ne Er­fah­rung zeigt, dass bei asyn­chro­ner Kom­mu­ni­ka­ti­on auch nicht un­be­dingt ein In­for­ma­ti­ons­über­fluss oder -über­druss ent­steht. Selbst wenn alle pro­jekt­be­zo­ge­nen E-Mails, Ar­beits­an­wei­sun­gen und Ab­rech­nun­gen prin­zi­pi­ell für je­des Team­mit­glied ein­seh­bar sind, las­sen sich ir­rele­van­te Tei­le der Kom­mu­ni­ka­ti­on her­vor­ra­gend igno­rie­ren, über­flie­gen oder weg­ar­chi­vie­ren. Gut funk­tio­nie­ren­de und jus­tier­te Wahr­neh­mungs­fil­ter sind nicht nur für die Nut­zung di­gi­ta­ler Me­di­en es­sen­zi­ell, son­dern eben auch für Team­ar­beit in ei­nem di­gi­ta­len Um­feld. Wich­tig bleibt al­ler­dings, die­se Fil­ter ge­le­gent­lich durch kur­ze und ef­fi­zi­en­te Be­spre­chun­gen zu jus­tie­ren, um Prio­ri­tä­ten zu set­zen und ei­nen Über­blick zu ver­schaf­fen.

Auch wenn alle Tipps und Er­fah­run­gen in die­ser Aus­ga­be ver­sa­gen soll­ten, wenn neue Me­tho­den oder di­gi­ta­le Werk­zeu­ge schei­tern oder sich Hin­der­nis­se auf­tür­men – eine Grund­vor­aus­set­zung soll­te im­mer ge­ge­ben sein: of­fe­ne, bar­rie­re­freie und re­spekt­vol­le Kom­mu­ni­ka­ti­on. Dann fin­den sich im Team auch Wege, um die größ­ten Hin­der­nis­se zu über­win­den und neue Wel­ten zu ent­de­cken. Wie in der Fik­ti­on von Star Trek.

(auf t3n.de le­sen)