New Work (t3n 55)

felix schwenzel in t3n

Die Dis­kus­si­on um New Work ist nicht neu, in den letz­ten Jah­ren pras­selt sie aber schlag­wort­ar­tig im­mer in­ten­si­ver auf uns ein: Work-Life-Ba­lan­ce, Work-Life-Blen­ding, Job-Sha­ring, Co-Working-Spaces, Ho­lo­cra­cy, Scrum, usw. Seit knapp 40 Jah­ren ver­sucht Fri­th­jof Berg­mann un­se­ren Be­griff von Ar­beit zu re­for­mie­ren, seit 15 Jah­ren dis­ku­tie­ren wir über ein be­din­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men, seit 80 Jah­ren ver­sucht die an­tro­po­so­phi­sche Cam­phill-Be­we­gung Ar­beits­mo­del­le ne­ben der klas­si­schen Lohn­ar­beit in Le­bens­ge­mein­schaf­ten prak­tisch an­zu­wen­den, bei de­nen nicht das Pro­du­zie­ren im Vor­der­grund steht, son­dern das Ent­de­cken ei­ge­ner In­ter­es­sen und Mög­lich­kei­ten.

Und doch schei­nen all die­se Be­mü­hun­gen und Dis­kus­sio­nen, all die­se, teils sehr er­folg­rei­chen, Le­bens­mo­del­le und Ex­pe­ri­men­te um neue For­men der Ar­beit aus­zu­pro­bie­ren, nichts an un­se­rer Sicht auf Ar­beit, ins­be­son­de­re auf die Stel­lung von Lohn­ar­beit, ge­än­dert zu ha­ben. Wir ha­ben es in den letz­ten 15, 40 oder 80 Jah­ren, in de­nen wir über neue For­men der Ar­beit nach­den­ken, nicht ge­schafft uns von ei­ner über­kom­me­nen, über 2000 Jah­re al­ten Vor­stel­lung von Ar­beit zu lö­sen.

Ein paar Jah­re nach Chris­ti Ge­burt schrieb der Apos­tel Pau­lus ei­nen Brief, in dem er un­ter an­de­rem schrieb: „Wer nicht ar­bei­ten will, der soll auch nicht es­sen.“ Die­se Vor­stel­lung von Ar­beit hat sich auf eine äus­serst bor­nier­te und bi­got­te Art im Ge­we­be un­se­rer Ge­sell­schaft fest­ge­fres­sen. Als Franz Münte­fe­ring noch Vi­ze­kanz­ler war, be­haup­te­te er so­gar ein­mal, dass die­ser Bi­bel­vers ein „ganz al­ter Spruch in der So­zi­al­de­mo­kra­tie“ sei. Ge­nau be­trach­tet dürf­te die­ser Spruch eine ganz al­ter Ge­dan­ke in un­ge­fähr al­len po­li­ti­schen Strö­mun­gen sein, ganz be­son­ders be­liebt ist die­se An­sicht aber aus­ge­rech­net in der SPD. An­drea Nah­les pf­lich­te­te ih­rem ehe­ma­li­gen Chef kürz­lich bei, als sie sämt­li­chen Al­ter­na­ti­ven zur Lohn­ar­beit in ei­nem ein­zi­gen Satz pau­schal eine Ab­sa­ge er­teil­te: „Die SPD steht für ein Recht auf Ar­beit — und nicht für be­zahl­tes Nichts­tun“.

Die Gest­rig­keit der SPD ist na­tür­lich nur eine Re­fle­xi­on der Sicht, die die Mehr­heit der Deut­schen auf Ar­beit hat. Un­se­re ge­samt­ge­sell­schaft­li­che In­ter­pre­ta­ti­on von Pau­lus’ Spruch lässt kaum Spiel­raum: wer für sei­ne Ar­beit kein Geld be­kommt, also kei­ner ge­re­gel­ten Lohn­ar­beit nach­geht, tut nichts und taugt nichts. Die Ver­lo­gen­heit die­ser In­ter­pre­ta­ti­on zeigt sich bei un­se­rem Blick auf Ar­beit, die nicht in Form von Lohn­ar­beit or­ga­ni­si­ert ist: Haus­ar­beit, Care-Ar­beit oder zum Bei­spiel künst­le­ri­sche Ar­beit. Ver­su­che Haus­halts­ar­bei­ten wie Kin­der­er­zie­hung, Wä­sche­wa­schen, Put­zen oder Ko­chen über­haupt als Ar­beit sicht­bar zu ma­chen oder gar zu ent­loh­nen, wer­den rou­ti­ne­mäs­sig mit öko­no­mi­schen Grün­den ab­ge­bü­gelt („Wer soll das denn al­les be­zah­len?“).

Ar­bei­ten, die aus dem Ras­ter der klas­si­schen Lohn­ar­beit fal­len, sind nicht nur für die SPD eine Art „Nichts­tun“. Sol­che Ar­bei­ten an­stän­dig zu be­zah­len oder als or­dent­li­che Ar­beit an­zu­er­ken­nen, scheint für uns als Ge­sell­schaft nicht in Fra­ge zu kom­men.

Das Pro­blem ist al­ler­dings, dass die Um­brü­che, die Dis­rup­tio­nen der klas­si­schen Ar­beits­be­rei­che, un­er­bitt­lich kommt. Wir wis­sen seit min­des­tens 40 Jah­ren, dass wir an­ge­sichts von im­mer weit­rei­chen­de­rer Au­to­ma­ti­sie­rung, Di­gi­ta­li­sie­rung und der Glo­ba­li­sie­rung nicht nur neue For­men des Zu­sam­men­le­bens und Zu­sam­men­ar­bei­tens fin­den müs­sen, son­dern auch, dass wir den Be­griff der Ar­beit neu den­ken müs­sen. Statt um­zu­den­ken und zu be­gin­nen die Ar­beits­welt um­zu­bau­en, ver­su­chen sich die USA un­ter Trump zu­rück in die „gu­ten, al­ten“ 50er Jah­re zu ka­ta­pul­tie­ren. In Deutsch­land schö­nen wir uns die Ar­beits­markt­zah­len, so wie VW sich die Ab­gas­wer­te über Soft­ware-Tricks ge­schönt hat. Auf die Idee et­was grund­le­gen­des zu ver­än­dern, kom­men wir of­fen­bar erst wenn’s brennt.

Dass es be­reits brennt, zei­gen un­ter an­de­rem die Gelb­wes­ten in Frank­reich. Trotz or­dent­li­cher Wirt­schafts­zah­len, von de­nen of­fen­bar nur et­was im obe­ren Drit­tel der Ge­sell­schaft hän­gen bleibt, ex­plo­die­ren in Frank­reich Pro­tes­te von Un­zu­frie­de­nen, Un­ter­pri­vi­le­gier­ten, von Men­schen die Ar­bei­ten, aber doch fürch­ten un­ter die Rä­der der Glo­ba­li­sie­rung und des Fort­schritts zu ge­ra­ten.

Wenn wir es als Ge­sell­schaft nicht schaf­fen un­ser Bild von Ar­beit zu über­den­ken, Struk­tu­ren oder Sys­te­me auf­zu­bau­en, die auf So­li­da­ri­tät und nicht nur auf Gier als trei­ben­de Wirt­schafts­kraft set­zen, bleibt New Work ein lee­res Schlag­wort, mit dem ein paar we­ni­ge gut aus­ge­bil­de­te Wis­sens­ar­bei­ter ihre gute alte (Büro-) Ar­beit ein biss­chen op­ti­mie­ren, an­ge­neh­mer ge­stal­ten und sich da­von auf New-Work-Kon­gres­sen ein­an­der vor­schwär­men.