watch the dog

felix schwenzel

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wir ka­men ge­ra­de zu­rück von ei­ner lie­fe­rung, nichts gros­ses, nur ein glas­tisch­chen und ein stuhl, glau­be ich. weil kein an­de­rer wa­gen frei war, nah­men wir trotz der klei­nen lie­fe­rung den gros­sen 4,5 ton­nen „kof­fer“, ein rie­si­ger, drei­ein­halb me­ter ho­her mö­bel­wa­gen, den man ge­ra­de noch mit PKW-füh­rer­schein fah­ren konn­te. ich moch­te den wa­gen, weil er so ein­fach und sim­pel wie ein UPS-wa­gen war. eine be­schei­de­ne fah­rer­ka­bi­ne für 3 mann, ein start­knopf und ein stop-knopf (den man sehr krä­fig drü­cken muss­te), ein ein­fa­ches ge­trie­be und hin­ten ein­fach ex­trem viel platz mit dün­nem blech um­schlos­sen. der wa­gen war so gross, er fass­te ei­nen gan­zen mes­se­stand. auf­ga­be der fir­ma in der ich mei­ne schrei­ner­leh­re ge­macht hat­te war, den stand zu la­gern und ein­mal im jahr nach frank­furt zu fah­ren und dort auf­zu­bau­en. der 4,5-ton­ner wog dann glau­be ich weit mehr als 4,5 ton­nen, ein ge­sel­le und zwei lehr­lin­ge fuh­ren den über­la­de­nen wa­gen, der sich wie ein klein­trans­por­ter fuhr, mit durch­schnitt­lich 120 km/h nach frank­furt, bau­ten den stand auf und 4 tage spä­ter wie­der ab. eine lus­ti­ge tour die ich im­mer sehr ger­ne mach­te weil es auf der rück­fahrt imme ein vom chef be­zahl­tes es­sen gab.

mitt­ler­wei­le war ich aber fer­tig mit mei­ner leh­re und mach­te ab und zu klei­ne lie­fe­run­gen für die ich ei­nen lehr­ling mit­neh­men konn­te, zum schlep­pen. dies­mal hat­te ich sa­bi­ne* da­bei und wir ka­men, wie ge­sagt, ge­ra­de von ei­ner lie­fe­rung zu­rück. wir wa­ren noch ein dorf von borsche­mich# ent­fernt als mir di­rekt hin­ter dem orts­ein­gang von key­en­berg# eine sehr schnel­le kat­ze den weg kreuz­te. ich fing fol­gen­den satz an zu den­ken: „scha­de. die kat­ze hab ich nicht er­wischt, war aber knapp.“ — konn­te den satz aber nicht zu­en­de den­ken, denn un­ge­fähr bei „hab“ hob sich das rech­te vor­der­rad leicht (ra­tong), kurz da­nach das rech­te hin­ter­rad (ra­tong) — ich war über et­was ge­fah­ren und hielt des­halb si­cher­heits­hal­ber an. sa­bi­ne und ich stie­gen aus und gin­gen die stras­se zu­rück. auf der stras­se lag ein schä­fer­hund, aus ei­ner hof­ein­fahrt lief eine schrei­en­de frau. ich be­trach­te­te den schä­fer­hund der mir bei sei­ner kat­zen­jagd di­rekt vor das rech­te vor­der­rad ge­lau­fen sein muss­te. ein re­la­tiv jun­ges tier, er leb­te noch, ein klei­nes biss­chen. sa­bi­ne, das ziem­lich kräf­ti­ge und lau­te „lehr­mäd­chen“ das ich zum schlep­pen mit­neh­men durf­te sag­te ihr sei schlecht. als sie den satz be­en­det hat­te fiel sie um und in ohn­macht. da ich so­wohl kräf­tig als auch re­ak­ti­ons­schnell bin, konn­te ich sie re­la­tiv gut auf­fan­gen und sanft auf den bo­den le­gen. der hund war mitt­ler­wei­le ge­stor­ben, was man dar­an sah, dass er jetzt in ei­ner urin-pfüt­ze ne­ben ei­ner hun­de­kack­wurst lag die vor­her noch nicht da wa­ren. jetzt hör­te ich auch die frau die aus der hoi­fein­fahrt ge­rannt kam: sie knie­te vor ih­rem hund und klag­te laut­hals: „mein kind ist tot, mein kind ist tot.“ die­ser dum­me spruch, ein LKW-ähn­li­cher lie­fer­wa­gen, das auf dem bo­den lie­gen­de „lehr­mäd­chen“ und ich — ein gros­ser, lang­haa­ri­ger, un­ra­sier­ter schrei­ner — alar­mier­ten of­fen­bar die auf­merk­sam­keit der dorf­ge­mein­schaft, die in­ner­halb kür­zes­ter zeit so­wohl zu­sam­men­lief als auch di­ver­se ret­tungs- und not­ruf­num­mern wähl­te.

kei­ne 5 mi­nu­ten nach­dem ich den ja­gen­den hund über­fah­ren hat­te, wa­ren wir also von min­des­tens 30 dorf­be­woh­nern, ei­nem po­li­zei­au­to, ei­nem kran­ken­wa­gen und ei­nem not­arzt­wa­gen um­ge­ben. da die kran­ken­wa­gen­man­schaft nicht um­sonst ge­kom­men sein woll­te, zwan­gen sie die mitt­ler­wei­le wie­der auf ih­ren bei­nen ste­hen­de sa­bi­ne sich zum puls und blut­druck mes­sen in den kran­ken­wa­gen zu le­gen. der not­arzt fuhr wie­der ab, eben­so die po­li­zei, nach­dem sie mich ge­fragt hat­ten ob am wa­gen et­was be­schä­digt sei. das war nicht der fall, noch nicht­ein­mal blut be­fand sich an den rei­fen. die sa­ni­tä­ter ent­lies­sen sa­bi­ne auch wie­der be­vor sie ab­fuh­ren.

die hun­de­be­sit­ze­rin die ih­ren hund of­fen­bar nicht vom kat­zen­ja­gen und blöd auf die stras­se lau­fen ab­hal­ten konn­te be­klag­te wei­ter laut­hals den tod ih­res „kin­des“. ich muss­te an die be­er­di­gung mei­ner freun­din nele den­ken, die ge­ra­de 4 wo­chen her war und auf der kei­ner ge­schrie­en hat­te. um den hund der mir vor das rech­te vor­der­rad ge­lau­fen war tat es mir tat­säch­lich ein biss­chen leid, die be­sit­ze­rin fand ich ein­fach nur sau­doof. wir fuh­ren wei­ter nach borsche­mich und tran­ken dort vorm wei­ter­schrei­nern erst­mal nen kaf­fee.

*name ge­än­dert we­gen ex­tre­mer ge­däch­nis­lü­cken
#name stimmt