17 be­haup­tun­gen (teil 2 von 2)

felix schwenzel

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von den 17 be­haup­tun­gen des in­ter­net-ma­ni­fests, habe ich bis­her 6 dis­ku­tiert. feh­len noch 11. ich weiss nicht wie sinn­voll es ist auf die rest­li­chen 11 kon­kret ein­zu­ge­hen, oder ob viel­leicht eine all­ge­mei­ne­re be­trach­tung nütz­li­cher sein könn­te. vor al­lem habe ich kei­ne lust mehr für die rest­li­chen 11 the­sen sym­bol­bil­der raus­zu­su­chen. ich mach trotz­dem mal bei der sie­ben wei­ter:

be­haup­tung #7: „Das Netz ver­langt Ver­net­zung.“
das ist rch­tig. aber auch ein biss­chen mau. die au­toren schrei­ben:

Links sind Ver­bin­dun­gen. Wir ken­nen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem ge­sell­schaft­li­chen Dis­kurs aus. Das gilt auch für die On­line-Auf­trit­te klas­si­scher Me­di­en­häu­ser.

was mir hier fehlt ist eu­pho­rie und be­geis­te­rung. eu­pho­rie und be­geis­te­rung dar­über was links aus­lö­sen kön­nen. wun­dern über das pa­ra­do­xon, das alle die im in­ter­net pu­bli­zie­ren ken­nen: je mehr man die leu­te mit links weg­schickt, des­to mehr zieht man sie an, ani­miert sie zu­rück zu kom­men. links sind das werk­zeug in der auf­merk­sam­keits­öko­no­mie, als ping, als re­ve­renz, als mess­ba­rer track­back, der hilft die din­ge zu ord­nen, ge­wich­ten oder ein­zu­ord­nen. mir fehlt die be­geis­te­rung über die trans­pa­renz und be­rei­che­rung die links schaf­fen. statt des­sen, fast ideo­lo­gi­sches rum­be­haup­ten, und abs­trak­tes ge­re­de von ei­nem ge­sell­schaft­li­chen „dis­kurs“. der ge­sell­schaft­li­che dis­kurs in­ter­es­siert doch die, an die der text ge­rich­tet ist, die ver­le­ger und me­di­en­schaf­fen­den, nicht die boh­ne. die mei­nen doch, dass sie den ge­sell­schaft­li­che dis­kurs selbst aus­ma­chen und dass er erst durch sie sicht­bar wird. ein ma­ni­fest von fleisch­fres­sern, das an ve­ga­ta­ri­er ge­rich­tet ist wäre auch eher mau, wenn es nur pos­tu­lie­ren und rum­be­haup­ten wür­de:

Der Mensch ver­langt nach Fleisch.
Fleisch ist gut. Wir er­näh­ren uns von Fleisch. Wer kein Fleisch isst, wird nie wahr ge­nies­sen kön­nen. Das gilt auch für Ve­ge­ta­ri­er.

be­haup­tung #8: „Links loh­nen, Zi­ta­te zie­ren.“
al­les rich­tig. aber eine fra­ge: wo sind die links, wo die zi­ta­te im ma­ni­fest?
jaja. ein ma­ni­fest ist ein ma­ni­fest und kein be­sin­nungs­auf­satz. aber viel­leicht ist ge­nau das das pro­blem. ein ma­ni­fest im netz ist viel­leicht die un­pas­sens­te form sei­ne the­sen zu fo­mu­lie­ren. auf pa­pier gehts nicht an­ders, aber in ei­nem text in dem man ver­sucht eine ode auf das lin­ken, das zi­tie­ren oder das netz all­ge­mein zu sin­gen auf all die­se tol­len neu­en tech­ni­ken zu ver­zich­ten, könn­te als angst vor der ei­ge­nen cou­ra­ge aus­ge­legt wer­den.

mich hat zum bei­spiel der text von ste­fan nig­ge­mei­er über das glück, bild­blog zu ma­chen vor ein paar jah­ren, un­ge­fähr sechs mil­lio­nen mal mehr eu­pho­rie­siert und be­geis­tert, als das ma­ni­fest. mich be­geis­tern re­zen­sio­nen über jeff jar­vis’ bü­cher zwei mil­lio­nen mal mehr als das ma­ni­fest. je­der per­sön­li­che blog­ein­trag über das po­ten­zi­al und die kraft des in­ter­net­zes und der ver­net­zung haut mich dreis­sig mal mehr um als das ma­ni­fest.

zu­mal: wis­sen wir wirk­lich so gut be­scheid über das in­ter­net? sind wir, die täg­lich das in­ter­net nut­zen und uns für neue ap­pli­ka­tio­nen, neue diens­te, neue fea­tures be­geis­tern, nicht ge­nau­so ah­nungs­los und un­wis­send wie je­der x-be­lie­bi­ge ver­le­ger und in­ter­net-has­ser? wir ken­nen ein paar ecken und küs­ten­strei­fen die­ses neu­en kon­ti­nents, aber wis­sen wir was hin­ter den sie­ben ber­gen lau­ert? was sich da­hin­ter auf­tut? wis­sen wir, die hin und wie­der „on­line­com­mu­ni­ty­be­nut­zer“ ge­nannt wer­den, wirk­lich wo es lang ge­hen wird, was das nächs­te gros­se ding sein wird, wie das in­ter­net in zehn jah­ren aus­sieht?

die spa­ni­schen ent­de­cker ha­ben in ame­ri­ka, un­glaub­lich viel un­heil an­ge­rich­tet. sie ha­ben städ­te und völ­ker ent­deckt, woll­ten gu­tes tun („mis­sio­nie­ren“) und ihre gier be­frie­di­gen (gold fin­den), ha­ben aber auch mil­lio­nen men­schen durch ein­fa­che, ein­ge­schlepp­te vi­ren ge­tö­tet. kön­nen wir, die wir letzt­end­lich auch nur ent­de­cker ei­nes gros­sen un­be­kann­ten kon­ti­nents sind, die fol­gen un­se­rer ta­ten zur letz­ten kon­se­qunz ein­schät­zen? kön­nen wir si­cher sein, dass wir auf un­se­ren ent­de­ckungs­rei­sen durch das netz kei­ne kul­tu­rel­len wer­te un­wi­der­bring­lich zer­stö­ren?

set­zen wir mit ma­ni­fes­ten, die den ein­druck er­we­cken über je­den zwei­fel er­ha­ben zu sein, der rück­wärts­ge­wand­ten hy­bris der ver­le­ger und in­ter­net­fein­de nicht ein­fach nur eine an­ders ge­ar­te­te hy­bris ent­ge­gen? wäre es nicht wich­ti­ger zu fra­gen, statt zu ma­ni­fes­tie­ren, zu zwei­feln, statt rum­zu­be­haup­ten, neu­gier­de zu ent­fa­chen, statt klug­zu­scheis­sen?

wo bleibt die de­mut? ich glau­be, klug­scheis­sern die ham­bur­ger er­klä­run­gen oder hei­del­ber­ger ap­pel­le ver­fas­sen, soll­te man nicht mit wei­te­rem klug­schiss ant­wor­ten. son­dern de­mut, neu­gier, vor­sich­ti­ge und auf­merk­sa­me be­ob­ach­tung der rea­li­tät und of­fen­heit pre­di­gen. über­zeu­gen. ar­gu­men­tie­ren. be­geis­tern. nicht rum­be­haup­ten.

mehr will ich mich jetzt ei­gent­lich nicht mit dem ma­ni­fest aus­ein­an­der­set­zen. ich wür­de mich jetzt lie­ber wie­der für das in­ter­net be­geis­tern und an dem was das in­ter­net ei­gent­lich ist be­rau­schen: pu­res, über­bor­den­des po­ten­zi­al.

zu teil eins.

in­ter­net­be­nut­zer (sym­bol­bild)