gru­be und schmidt über se­kun­där­tu­gen­den

felix schwenzel

>

ich ver­ste­he die­ses bahn-ma­ga­zin was in den zü­gen aus­liegt nicht. heu­te lag eine aus­ga­be mit hel­mut schmidt auf dem co­ver im zug, auf der (gar nicht mal so leicht zu fin­den­den) web­site ist aber noch die ei­nen mo­nat alte au­gust-aus­ga­be ak­tu­ell. das heft ist also of­fen­bar schnel­ler zu dru­cken und in deut­schen zü­gen zu ver­tei­len, als es auf die web­site zu pa­cken.

hel­mut schmidt ist auf dem co­ver, weil bahn­chef rü­di­ger gru­be (oder wie die an­ge­heu­er­te re­dak­ti­on von gru­ner und jahr es de­vot aus­drückt: „Dr. Rü­di­ger Gru­be“) für das heft mit hel­mut schmidt ge­plau­dert hat. das ver­mel­det gru­ner und jahr auch stolz per pres­se­mit­tei­lung, nicht je­doch die bahn, die fin­det das auf ih­rer sei­te kei­ner er­wäh­nung wert. gru­bes ge­spräch mit schmidt ist gar nicht mal schlecht, auch wenn ich mich im­mer ein biss­chen fremd­schä­me, wenn er­wach­se­ne men­schen mit re­spek­ta­blen po­si­tio­nen dar­auf be­stehen bei na­mens­nen­nung im edi­to­ri­al, im­pres­sum oder am an­fang des in­ter­views mit ih­rem aka­de­mi­schen ti­tel ge­nannt zu wer­den. hel­mut schmidt mit sei­nen un­ge­fähr dreis­sig eh­ren­dok­tor­wür­den hat sich die nen­nung of­fen­bar ver­be­ten (mit „herr bun­des­kanz­ler“ möch­te er auch nicht an­ge­spro­chen wer­den), dr. rü­di­ger gru­be, „der vor­stands­vor­sit­zen­de der deut­schen bahn ag“ und dr. ant­je lüs­sen­hop, „Lei­te­rin PR und in­ter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on der DB“ be­stan­den an­schei­nend auf nen­nung ih­rer aka­de­mi­schen wür­de.

lüs­sen­hop hat­te bei dem ge­spräch an­schei­nend kei­ne an­de­re auf­ga­be als die fo­tos et­was auf­zu­blon­den, „mit­zu­ar­bei­ten“ und eine klei­ne breit­sei­te von schmidt ge­gen PR-ar­beit ein­zu­ste­cken, als der sag­te:

Ver­trau­en kann man nur her­stel­len, in­dem man sich sel­ber an­stän­dig, durch­sich­tig und ehr­lich be­nimmt. Ver­trau­en ge­winnt man nicht durch Pu­blic Re­la­ti­ons und auch nicht durch Schaf­fung ei­ner Mar­ke. Es geht um das Ver­trau­en von Men­schen. Und da­für gib­t's seit Jahr­tau­sen­den die­sel­ben Re­zep­te, näm­lich: Sei Bei­spiel und Vor­bild!“

se­kun­där­tu­gen­den sind über­haupt, ne­ben po­li­tik, das haupt­the­ma des ge­sprächs. gru­be meint durch sei­nen le­bens­weg wer­te wie „Glaub­wür­dig­keit, Re­spekt, Loya­li­tät, Fleiß und Be­geis­te­rungs­fä­hig­keit“ ver­in­ner­licht zu ha­ben und meint, dass „die schu­le“ die­se wer­te heu­te nur noch be­grenzt ver­mit­teln kön­ne. schmidt er­gänzt, dass man die­se wer­te auf der har­vard busi­ness school in st. gal­len und in oestrich-win­kel auch nicht mehr ler­ne.

spä­ter macht gru­be ne­ben der schu­le und den schlech­ten zei­ten auch noch die „neu­en Me­di­en“ ver­ant­wort­lich für die ver­küm­me­rung der wer­te die er einst ver­in­ner­licht hat:

Ich be­fürch­te, die Nut­zung der neu­en Me­di­en könn­te dazu füh­ren, dass Kom­mu­ni­ka­ti­on ober­fläch­li­cher wird. Mehr noch, dass Wer­te wie Re­spekt und ko­ope­ra­ti­ves Han­deln ver­küm­mern, was eine Ver­ro­hung des Um­gangs un­ter­stützt.

dan­kens­wer­ter­wei­se springt schmidt nicht auf die­se sau­blö­de frü­her-war-al­les-bes­ser-num­mer an, ob­wohl er ja auch be­kann­ter­mas­sen kein freund „neu­er“ me­di­en wie fern­se­hen und in­ter­net ist:

Die Ge­fahr ist real. Ob der Me­di­en­kon­sum aber auch not­wen­di­ger­wei­se ei­nen Ver­lust an Mo­ra­li­tät un­ter­stüt­zen muss, da wür­de ich zö­gern mit der Ant­wort. Denn es hat ja auch im al­ten Grie­chen­land, im al­ten Rom, in Mit­tel­ita­li­en, in Ve­ne­dig, in Gent, in Si­en­na nicht im­mer nur den ehr­ba­ren Kauf­mann ge­ge­ben, son­dern auch ganz üble Ge­schäf­te­ma­cher.

in der pres­se­mit­tei­lung von gru­ner und jahr heisst es, dass gru­be im über­nächs­ten mo­nat den an­de­ren schmidt zum the­ma se­kun­där­tu­gen­den in­ter­view­en wird. bin mal ge­spannt, was der zum the­ma pünkt­lich­keit zu sa­gen hat.