herz-bröt­chen und streu­sel­ku­chen

felix schwenzel

bei uns in der fir­ma gibt es eine sehr schö­ne tra­di­ti­on: ein­mal im mo­nat set­zen sich alle an­ge­stell­ten um 11 uhr zu­sam­men und brun­chen. die brunch­wa­ren be­sor­gen die mit­ar­bei­ter selbst, je­der kauft für un­ge­fähr fünf euro et­was ein. mei­ne auf­ga­be ist es zum brunch für 5 euro bröt­chen („schrip­pen“) zu kau­fen. je nach­dem wel­chen weg ich zur ar­beit wäh­le oder je nach­dem wo ich mich durch den je­wei­li­gen er­satz­ver­kehr in ber­lin wie­der­fin­de, wäh­le ich den bä­cker meist spon­tan aus.

letz­te wo­che wähl­te ich ei­nen bä­cker, der sei­ne bä­cke­rei­fach­ver­käu­fe­rin­nen dazu zwingt schürz­chen und häub­chen zu tra­gen. die re­ak­ti­on auf mein an­sin­nen „30 schrip­pen“ war ei­sig und ver­wirrt. die ver­käu­fe­rin re­agier­te, als sei mein an­sin­nen et­was un­ge­hö­ri­ges. ze­ternd be­weg­te sie sich zur bröt­chen­aus­la­ge und be­gann mit ei­ner greif­zan­ge bröt­chen in eine pa­pier­tü­te zu schau­feln, bis sie kurz dar­auf merk­te, dass ihr vor­ge­hen ex­trem in­ef­fek­tiv war. also such­te sie eine grös­se­re plas­tik­tü­te und zog sich ei­nen la­tex-hand­schuh zum ef­fek­ti­ve­ren bröt­chen-grei­fen an.

er­schwe­rend für die ver­käu­fe­rin kam hin­zu, dass kurz vor mei­ner be­stel­lung eine un­ab­läs­sig vor sich hin­re­den­de äl­te­re dame den ver­kauf­raum be­trat. sie ben­n­an­te und kom­men­tier­te al­les was sie sah laut und deut­lich: „ach sie ha­ben das bo­n­aqua-was­ser! das ist gut! sehr le­cker! ist das schin­ken? was kos­ten denn die be­leg­ten bröt­chen? kann man die auch ohne to­ma­te ha­ben?“

die ver­käu­fe­rin stand kurz da­vor zu we­gen über­for­de­rung zu plat­zen. als sie sich in ei­nem ver­zwei­fel­ten ver­such die kon­zen­tra­ti­on zu be­hal­ten der bröt­chen­aus­la­ge zu­wand­te und die plap­pern­de äl­te­re dame aus­zu­blen­den ver­such­te, nahm die­se ihre chan­ce wahr, beug­te sich über die vir­ti­ne in die aus­la­ge und griff sich eine rie­si­ge streu­sel­ku­chen-plat­te aus der vi­tri­ne, ver­stau­te den ku­chen in ih­rer ja­cke und re­de­te wei­ter: „ich schreib das dann auf! die bröt­chen mit dem schin­ken se­hen wirk­lich sehr gut aus.“ und ver­liess lang­sam den la­den.

als die bä­cker­tei­fach­ver­käu­fe­rin sich wie­der mir zu­wand­te, er­klär­te sie mir, dass ich künf­tig doch bit­te sol­che un­ge­wöhn­li­chen ein­käu­fe vor­be­stel­len sol­le. ich zahl­te wort­los, dach­te lei­se, dass es si­cher­lich kein nächs­tes mal und dem­entspre­chend auch kei­ne vor­be­stel­lung ge­ben wür­de und war dann aber doch ver­wun­dert, als ich beim brunch merk­te, dass die bröt­chen auf ih­rer ober­sei­te alle ein herz ein­ge­ritzt hat­ten.