„la fa­mi­glia“ in der coc­co­li­no „show­lounge“

felix schwenzel

ges­tern abend war ich mit ei­ni­gen kol­le­gen in der, wie sie sich selbst be­schreibt, „ko­mö­di­an­ti­schen din­ner­show“ la fa­mi­glia. von die­sen „din­ner­shows“ gibt es ja mitt­ler­wei­le ei­ni­ge, hab ich ge­hört. kon­zep­tio­nell habe ich die­se shows nie ver­stan­den. so­weit ich mir das bis vor kur­zem zu­sam­men­reim­te, be­kommt man dort et­was zu es­sen und wird von schau­spie­lern oder schau­stel­lern oder ir­gend­wel­chen an­de­ren künst­lern beim es­sen ge­stört. seit ges­tern hal­te ich es auch für mög­lich, dass es um­ge­kehrt ist, dass man mit sei­nen nie­de­ren be­dürf­nis­sen wie stö­rungs­frei­er kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem kell­ner, ge­trän­ke­wün­schen und ge­trän­ke­ent­sor­gung, ess­ge­räu­schen und -ge­rü­chen die künst­ler bei ih­rer vor­füh­rung stört.

ähn­lich wie bei mu­si­cals, die in der re­gel eine ge­schich­te, die sich auf ei­ner hal­ben dina4-sei­te er­zäh­len lässt, durch exes­si­ves rum­ge­sin­ge und rum­ge­ham­pel auf zwei bis drei stun­den län­ge stre­cken und mit bun­ten kos­tü­men aus­schmü­cken, ver­ste­he ich nicht wirk­lich war­um man sich eine sol­che ver­an­stal­tung ei­gent­lich an­se­hen soll­te.

aber nun war ich ges­tern nun­mal zu die­ser „ko­mö­di­an­ti­schen“ ess­ver­an­stal­tung ein­ge­la­den. ich habe lan­ge über­legt, ob ich die­sem ge­schenk­ten gaul ins maul schau­en soll (ein bis zwei stun­den) und ob ich et­was, in das vie­le men­schen ex­trem viel ar­beit, herz­blut und en­er­gie ge­steckt ha­ben, mit ei­nem fe­der­strich mit feh­ler­haf­ter recht­schrei­bung und mä­an­dern­den satz­un­ge­tü­men nie­der­ma­chen soll.

ich habe mich ent­schie­den es zu tun, weil ich mich ge­är­gert habe. aus meh­re­ren grün­den — und die müs­sen jetzt mal eben raus.

ers­tens war das es­sen kalt. also nicht die an­ti­pas­ti oder das ti­ra­mi­su, son­dern die nu­deln. und nicht nur die nu­deln an un­se­rem tisch, son­dern die nu­deln an min­des­tens drei ti­schen um uns her­um. und mit kalt mei­ne ich nicht lau­warm, son­dern kühl­schrank-kalt. die an­ti­pas­to be­stan­den aus ei­nem strei­fen ein­ge­leg­ter ro­ter und ei­nem strei­fen gel­ber pa­pri­ka, ei­ner schei­be zuc­ci­ni, ei­ner ka­rot­ten­schei­be, ei­ner schei­be au­ber­gi­ne und zwei un­fass­bar sub­til an­ge­mach­ten blät­tern sa­lat. im­mer­hin war die ma­ri­na­de ganz le­cker und ich hat­te den gan­zen abend was da­von, wenn ich mal auf­stiess.

zwei­tens fand ich die show ganz furcht­bar. lang­wei­lig, un­wit­zig und viel zu lang. da­für, dass ich die show furcht­bar fand, kön­nen die schau­spie­ler oder die pro­du­zen­ten der show na­tür­lich nichts. wo­her sol­len die auch wis­sen, dass ich nicht auf sieb­zi­ger-jah­re par­ty­kel­ler-hu­mor ste­he, der sich fast aus­schliess­lich um tit­ten, är­sche und das fi­cken dreht? wo­her sol­len die pro­du­zen­ten wis­sen, dass ein hu­mor der sich auf das pa­ra­phra­sie­ren von se­xu­el­len hand­lun­gen und die be­die­nung von aus­ge­lei­er­ten kli­schees be­schränkt, mich vor fremd­scham bei­na­he pa­ra­ly­siert?

ganz im ernst, es ist völ­lig OK, dass es leu­te gibt, die zum bei­spiel ei­nen sol­chen hu­mor (von ei­nem der drei haupt­dar­stel­ler der show) zum schrei­en ko­misch fin­den (you­tube di­rekt­qual) oder sich eben auch bei „la fa­mi­glia“ kö­nig­lich amü­sie­ren. in der tat wur­de ge­lacht und auch ein biss­chen ap­plau­diert.

seit ges­tern wün­sche ich mir des­halb eine kla­re vor­ab-hu­mor-klas­si­fi­zie­rung, wie es das zur klas­si­fi­zie­rung von mu­sik be­reits gibt. so wür­de ich mir mit ziem­li­cher si­cher­heit kei­ne volks­mu­sik- oder marsch­mu­sik­kon­zer­te an­se­hen, weil schon von wei­tem am na­men er­kenn­bar ist, dass die ver­an­stal­tung und ix nicht kom­pa­ti­bel sein wer­den.

nun gut, bei der show-selbst­be­schrei­bung hät­te ix schon ver­dacht schöp­fen kön­nen:

Mu­si­ca, Pas­ta e Tea­t­ro! Eine herr­lich sprit­zi­ge Ko­mö­die mit ku­li­na­ri­schen und mu­si­ka­li­schen High­lights!

wenn die ad­jek­tiv­dich­te sich in ei­nem ab­satz 50% nä­hert, soll­te man sehr, sehr vor­sich­tig wer­den. und ei­gent­lich sind sol­che pres­se­zi­ta­te ein un­über­seh­ba­res warn­zei­chen:

"Amou­rö­se Ver­wick­lun­gen, es flie­gen die Fet­zen - ra­send ko­misch!", so ur­teilt be­geis­tert die Pres­se.

wo­bei es aus mei­ner sicht so­gar eine glat­te lüge ist, „ko­misch“ fand ich es nur spo­ra­disch und erst recht nicht ra­send, son­dern schlep­pend — ob­wohl man über hu­mor ja strei­ten kann (äh, kann man über hu­mor strei­ten?).

zu­min­dest hät­te ich mich wohl we­ni­ger ge­är­gert, wenn im fly­er statt „ra­send ko­misch“ ge­stan­den hät­te: „leu­te die ma­rio barth und fips as­mus­sen mö­gen, mö­gen auch die­se volks­hu­mor­din­ner­show.“

aber viel­leicht soll­te ich mich nicht über die show är­gern, son­dern über „die pres­se“ die pr-müll ein­fach so über­nimmt.

ganz wich­tig ne­ben der hu­mor­klas­si­fi­zie­rung wäre noch eine vor­he­ri­ge län­gen­an­ga­be. denn drit­tens hat die show von 19:30 bis un­ge­fähr 23:30 uhr ge­dau­ert. das sind qual­vol­le vier stun­den un­ter­bro­chen nur von ei­ner kur­zen be­stell­pha­se vor der show und ei­ner kur­zen pau­se, in der es kal­te pas­ta gab.

wür­de die show mit ei­ner sol­chen an­ga­be wer­ben, kä­men viel­leicht ins­ge­samt we­ni­ger leu­te, aber am ende blie­ben mehr zu­frie­de­ne: „die show be­steht aus zwei ein­stün­di­gen, et­was zä­hen und in die län­ge ge­zo­ge­nen ak­ten, für das es­sen, ge­trän­ke­be­stel­lun­gen und dis­kus­sio­nen mit dem kü­chen­per­so­nal ha­ben sie ins­ge­samt 45 mi­nu­ten zeit. nach dem schluss­ap­plaus und drei frei­wil­li­gen, un­ge­be­te­nen zu­ga­ben, neh­men wir uns noch­mal 30 mi­nu­ten zeit um alle mit­wir­ken­den ein­zeln vor­zu­stel­len.“

aber es gab auch po­si­ti­ve aspek­te. die kell­ne­rin war et­was wit­zi­ger und schlag­fer­ti­ger als ro­bert lou­is gries­bach, die in die show ein­ge­ar­bei­te­te schleich­wer­bung für fiat wur­de in witz­chen ver­packt, die show war in 3D (witz bei gries­bach.de ge­lie­hen), ich habe tat­säch­lich ins­ge­samt vier­mal la­chen müs­sen (ein­mal al­ler­dings auf dem klo, we­gen dem ty­pen mit brech­durch­fall ne­ben­an) und die kal­ten nu­deln lies­sen mich ziem­lich kalt, weil sie trotz­dem le­cker wa­ren.

so viel ar­beit, so­viel mühe von so­vie­len men­schen die in die­ser show steckt. doof nur, dass man das merk­te — so ur­teilt re­la­tiv un­be­geis­tert der schwen­zel.