fil­ter bubble

felix schwenzel

die idee von eli pa­ri­sers fil­ter­bla­sen-pro­blem habe ich bis­her im­mer in­tui­tiv ab­ge­lehnt, ob­wohl ich bis­her nichts von pa­ri­ser ge­le­sen habe oder ihn selbst über sei­ne idee habe re­den hö­ren (an­de­re schon). heu­te floss mir die­ses book­mark von der tech­nik­ab­tei­lung des guar­di­ans in den RSS-rea­der*. das book­mark ver­link­te auf ei­nen kur­zen vor­trag von eli pa­ri­ser auf ei­ner TED-kon­fe­renz im früh­jahr 2011. hier die you­tube-ver­si­on:

guar­di­an­tech war von dem vor­trag ziem­lich be­geis­tert:

Stun­ning talk, just nine mi­nu­tes long, who­se key mes­sa­ge is em­bo­di­ed by com­pa­ring two peo­p­les' sear­ches on one word: Egypt. [The best use you'll make of nine mi­nu­tes to­day.]

mich hat das nicht wirk­lich über­zeu­gen kön­nen. ich glau­be es geht wie im­mer um die wahl der werk­zeu­ge und um kom­pe­tenz im um­gang mit die­sen werk­zeu­gen. wenn ich eine zei­tung als werk­zeug um an in­for­ma­tio­nen zu kom­men an­se­he, dann brau­che ich be­stimm­te fä­high­kei­ten um das sinn­voll zu nut­zen: ich muss le­sen kön­nen, ich soll­te un­ge­fähr wis­sen wie die ar­ti­kel ent­ste­hen (re­cher­chiert und re­di­giert von men­schen die ir­ren kön­nen oder auch mal ir­ren wol­len), ich soll­te im­mer eine kri­ti­sche di­stanz wah­ren und din­ge die ich lese in fra­ge stel­len oder mit an­de­ren quel­len ver­glei­chen. das glei­che gilt für mo­der­ne­re werk­zeu­ge wie such­ma­schi­nen, so­zia­le netz­wer­ke oder on­line pu­bli­ka­tio­nen. will ich mir eine au­to­no­me mei­nung bil­den, soll­te ich im­mer ver­su­chen zu ver­ste­hen wie das was ich kon­su­mie­re ent­steht, es hin­ter­fra­gen, ver­glei­chen und prü­fen.

faul­heit oder in­kom­pen­tenz im um­gang mit werk­zeu­gen führt in zu ab­hän­gig­keit und ein­ge­schränk­ter wahr­neh­mung. das war schon im­mer so. wer nur die bild-zei­tung liest, weiss über die welt nur das, was die bild­zei­tung ihm über die welt er­zählt oder er­zäh­len will. das muss nicht zwangs­läu­fig schlecht sein, es könn­te ja sein, dass die ma­cher der bild­zei­tung den an­spruch ver­fol­gen ih­ren le­sern ein aus­ge­wo­ge­nes und fai­res bild von er­eig­nis­sen in der welt zu ver­mit­teln (schon klar, dass das nicht so doll der fall ist). aber der aus­weg aus ei­ner bild­zei­tungs-bla­se (und je­der an­de­ren me­di­en­bla­se) ist ei­gent­lich ganz ein­fach: ne­ben der bild auch an­de­re zei­tun­gen zu le­sen. oder wal­raff le­sen. bü­cher le­sen. rei­sen. stu­die­ren.

es gibt sechs schril­lio­nen aus­we­ge aus fil­ter­bla­sen. aber sie ha­ben alle eine ent­schei­den­de ei­gen­schaft: man muss ak­tiv et­was da­ge­gen tun. da der ers­te schritt um et­was zu un­ter­neh­men na­tür­lich ein ge­wis­ses be­wusst­sein vor­aus­setzt, ist das was eli pa­ri­ser tut eine gute sa­che: er zeigt die po­ten­zi­el­len pro­ble­me die uns in fil­ter­bla­sen füh­ren könn­nen auf.

was pa­ri­ser al­ler­dings nicht deut­lich ge­nug macht: wir selbst müs­sen den arsch hoch­krie­gen.


ich glau­be auch nicht, dass die pro­ble­ma­tischs­ten fil­ter­bla­sen durch me­di­en­kon­sum oder man­geln­de me­di­en­kom­pe­tenz ent­ste­hen. sie ent­ste­hen durch un­se­re le­bens­wei­se. der mensch lebt nun­mal ger­ne in be­stimm­ten so­zia­len ver­bän­den. man kann nicht teil je­der (ge­sell­schaft­li­chen) grup­pe sein. man sucht sich meis­tens eine aus und die­se grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit be­stimmt dann auch zu gros­sen tei­len die wahr­neh­mung.

ich habe das als be­son­ders krass emp­fun­den, als ich nach mei­nem ab­itur erst zi­vil­dienst und dann eine aus­bil­dung ge­macht habe. ob­wohl ich in den ers­ten 18 jah­ren mei­nes le­bens nicht we­nig ge­le­sen und ge­se­hen habe, war mein welt­bild doch sehr stark ge­fil­tert. seit dem quer­le­sen von di­ver­sen phi­lo­so­phen wuss­te ich zwar auch, dass ich nichts weiss und auch un­mög­lich die welt so er­ken­nen kann wie sie ist, das hin­der­te mich aber nicht dar­an auch ein über­zeug­ter klug­scheis­ser zu sein (bis heu­te).

wäh­rend mei­nes zi­vil­diens­tes und mei­ner aus­bil­dung emp­fand ich es als aus­ge­spro­chen über­ra­schend zu er­fah­ren wel­che le­bens­wei­sen, an­sich­ten und pro­ble­me aus­ser­halb ei­nes gym­na­si­ums und ei­nes mit­tel­klas­se­haus­halts exis­tie­ren. ich er­kann­te in mei­ner zi­vil­dienst- und aus­bil­dungs­fil­ter­bla­se, dass ich die letz­ten 18 jah­re in ei­ner gym­na­si­ums- und mit­tel­klas­se­fa­mi­li­en­bla­se leb­te.

ich er­kann­te aber auch, dass der be­vor­zug­te le­bens­raum der men­schen bla­sen sind. und der ein­zi­ge weg aus ei­ner bla­se be­steht dar­in, in an­de­re bla­sen zu stei­gen. die werk­zeu­ge, um mög­lichst vie­le bla­sen zu be­tre­ten lie­gen auf der hand: rei­sen, le­sen, neu­gier­de, ex­pe­ri­men­tier­freu­de, ler­nen, kom­mu­ni­zie­ren und le­sen, le­sen und le­sen.

aber das wich­tigs­te werk­zeug ist und bleibt das stän­dig auf­ge­frisch­te be­wusst­sein, dass wir nun­mal in bla­sen le­ben und dass es werk­zeu­ge da­ge­gen gibt, die wir im­mer wie­der ak­tiv nut­zen müs­sen.


*) auf pin­board kann man an­de­ren nut­zern fol­gen, den RSS-feed all der pin­board-ac­counts de­nen ich fol­ge, habe ich abon­niert, was dazu führt, dass ich ziem­lich vie­le book­marks in mei­nen RSS-feed ge­spült be­kom­me.