ni­klas maak beim grät­schen be­ob­ach­ten

felix schwenzel

ni­klas maak hat in der faz ei­nen ziem­lich amü­san­ten ar­ti­kel über ein schnö­sel-im­mo­bi­li­en­pro­jekt in ber­lin ge­schrie­ben. der ar­ti­kel fängt wie folgt an:

Auf You­tube ist zur­zeit ein Wer­be­film zu se­hen, in dem ein un­ra­sier­ter Mann mit ho­her Stim­me zur Be­völ­ke­rung Ber­lins spricht.

schon in die­sem ers­ten satz fal­len mir zwei din­ge auf. der you­tube­film auf den maak sei­nen ar­ti­kel auf­baut ist nicht ver­linkt und wo­her zum teu­fel weiss maak ob phil­ip­pe starck ra­siert ist oder nicht? klar, in dem film sieht man dass starck ei­nen bart im ge­sicht trägt, aber we­der sieht man sei­ne brust, sei­ne bei­ne oder sei­nen in­tim­be­reich, die ja durch­aus ra­siert sein könn­ten. bart­trä­ger ra­sie­ren ih­ren bart üb­ri­gens sehr wohl, hat mir die bei­fah­re­rin eben er­klärt.

aber gut, so ein paar körn­chen dif­fa­mie­rung we­gen äus­ser­lich­kei­ten scheint man im feuil­le­ton der faz sehr zu lie­ben. phil­li­pe starck wird mit ei­ner bei­läu­fi­gen, un­ge­nau­en for­mu­lie­rung gleich im ers­ten satz als leicht schmud­de­lig oder lä­cher­lich in die köp­fe der le­ser ge­zeich­net und so für die nach­fol­gen­de kri­tik zu­recht­ge­legt. der sehr adret­te ha­rald staun hat das auch mal an mir ge­übt, als er mich vor ein paar jah­ren mal als zot­te­li­gen be­ton­kopf be­schrob:

Selbst in ih­rem Welt­bild un­er­schüt­ter­li­che Netz­men­schen wie der Ber­li­ner Fe­lix Schwen­zel, der in sei­ner Zot­te­lig­keit dem Pro­to­typ des Blog­gers ziem­lich na­he­kommt, ka­men ins Zwei­feln.

trotz­dem hat ni­klas maak na­tür­lich recht. das vi­deo in dem starck spricht ist un­fass­bar pein­lich. der protz­bau für rei­che schnö­sel ist eine ge­stal­te­ri­sche ka­ta­stro­phe. die spra­che mit der das pro­jekt im vi­deo und der pro­jekt­web­sei­te be­schrie­ben wird führt zu hand­ab­drü­cken im ge­sicht der re­zi­pi­en­ten. maaks ana­ly­se ist in gros­sen tei­len beis­send scharf und ex­akt auf den wun­den punkt:

Wir alle, sagt Starck, sei­en Teil ei­ner kul­tu­rel­len Fa­mi­lie, die sich in vier sti­lis­ti­sche Un­ter­grup­pen auf­tei­len las­se, wel­che gleich­zei­tig den vier Stil­ka­te­go­rien für die Ein­rich­tung ei­nes Apart­ments im „Yoo“-Haus ent­spre­chen, zwi­schen de­nen zu wäh­len ist, näm­lich „Clas­sic“, „Mi­ni­mal“, „Na­tu­re“ und „Cul­tu­re“. „Your wife will love it“, sagt Starck (of­fen­bar rich­tet sich der Wer­be­film aus­schließ­lich an Män­ner). „Wer sich für den Cul­tu­re Style ent­schei­det“, er­läu­tert die Peach Pro­per­ty Group in ei­nem Dos­sier, „ge­nießt den Lu­xus. Er oder sie könn­te bei­spiels­wei­se ein Samm­ler sein.“ Die Leu­te vom Thea­ter am Schiff­bau­er­damm und die Künst­ler, die hier bis vor kur­zem wohn­ten und den Platz manch­mal für Per­for­man­ces und manch­mal für ein Pick­nick nutz­ten, wer­den sich die Au­gen rei­ben: Wo eben noch Kul­tur war, ist jetzt Cul­tu­re.

ich fra­ge mich nach ab­sät­zen wie dem eben zi­tier­ten aber, war­um sich ni­klas maak nicht ein­fach auf sei­nen ge­sun­den ver­stand und sei­ne schar­fe rhe­to­rik ver­lässt und statt­des­sen im­mer wie­der un­ter die gür­t­lel­i­nie ab­rutscht. so schreibt er:

Nichts ist nor­mal, al­les ist eine Er­fin­dung, und zwar eine aus den Zen­tral­kam­mern der Ge­stal­tungs­ein­fall­höl­le: Tel­ler be­fin­den sich nicht dort, wo man sie braucht, näm­lich auf dem Tisch, son­dern sie hän­gen senk­recht an den ro­ten Wän­den.

das ist wirk­lich bil­lig. im film sieht man ein­deu­tig, dass die tel­ler an den wän­den de­ko­ra­ti­on sind. das ist nichts was von phil­li­pe starck als ers­ter aus der „Ge­stal­tungs­ein­fall­höl­le“ ge­holt hat. ich glau­be die men­schen hän­gen sich seit ei­ni­gen tau­send jah­ren tel­ler an die wän­de, weil sie mei­nen dass das do­ko­ra­tiv sei.

auch nicht so ge­nau nimmt es maak in die­sem ab­satz:

Die neu­en Ge­bäu­de drän­geln sich mit dem Selbst­be­wusst­sein ei­nes be­trun­ke­nen Knei­pen­gän­gers bis auf fünf Me­ter an ihre Nach­ba­rin, Schin­kels be­rühm­te Kir­che, her­an, in der wäh­rend der Bau­ar­bei­ten [für das Im­mo­bi­li­en­pro­jekt der Kron­prin­zen­gär­ten] der Putz von der De­cke krach­te. Aus Si­cher­heits­grün­den, teil­te die Stif­tung Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz mit, habe man wäh­rend der Bau­ar­bei­ten ne­ben­an sämt­li­che Skulp­tu­ren aus der Kir­che aus­la­gern müs­sen - was sei­ne ei­ge­ne me­ta­pho­ri­sche Lo­gik hat­te: Wo Cul­tu­re kommt, muss Kul­tur ein­pa­cken.

das liest sich le­cker und alle schnö­sel­geg­ner, im­mo­bi­li­en­fuz­zi­has­ser und alt­bau­freun­de die­ser welt schla­gen sich auf die schen­kel we­gen maaks wit­zig-iro­ni­scher me­tha­pho­rik. wer aber je­mals an der fried­richs­wer­der­schen kir­che vor­bei­ge­gan­gen ist er­kennt, dass das gan­ze are­al eine ein­zi­ge bau­gru­be ist. aus­ser den kron­prin­zen­gär­ten wird ne­ben­an die staats­oper sa­niert, das neue alte schloss ge­baut, die u5 ge­bag­gert und dem­nächst ein denk­mal für die deut­sche ein­heit ge­baut.

die nicht ganz un­we­sent­li­che in­for­ma­ti­on, dass ein trag­werks­pla­ner schin­kel vor­wirft kon­struk­ti­ons­feh­ler be­gan­gen zu ha­ben die zu kon­struk­ti­ons­be­ding­ten ge­wöl­ber­is­sen ge­führt ha­ben könn­ten (und da­mit den putz von der de­cke kra­chen lies­sen) lässt maak aus rhe­to­ri­schen grün­den ein­fach weg. die ber­li­ner zei­tung schrob dazu vor ein paar ta­gen:

Hü­gel­land kennt die Bau­ge­schich­te der Fried­richs­wer­der­schen Kir­che wie kaum ein an­de­rer. Er hat in der DDR beim VEB Denk­mal­pfle­ge ge­ar­bei­tet und war wäh­rend der Sa­nie­rung der Kir­che von 1982 bis 1987 und auch da­nach der ver­ant­wort­li­che Sta­ti­ker. „Schon da­mals habe ich auf kon­struk­ti­ons­be­ding­te Ge­wöl­ber­is­se hin­ge­wie­sen und ei­nen Sa­nie­rungs­vor­schlag un­ter­brei­tet, der aber un­ter an­de­rem aus Kos­ten­grün­den lei­der nicht um­ge­setzt wur­de“, sagt er der Ber­li­ner Zei­tung.

Hü­gel­land rech­ne­te da­mals die Kon­struk­ti­on der Ge­wöl­be nach und kam zu dem Er­geb­nis, dass sie mit ei­ner „über­trie­be­nen Geo­me­trie zu steil ge­baut wur­den“, so dass sich in den Ge­wöl­be­de­cken Ris­se ge­bil­det ha­ben. Für die­sen Man­gel fin­det Hü­gel­land eine simp­le Er­klä­rung: „Ent­we­der hat­te Schin­kel kei­nen or­dent­li­chen Sta­ti­ker, oder er hat nicht auf ihn ge­hört.“

wie ge­sagt, maaks faz-ar­ti­kel ist bril­li­ant ge­schrie­ben, amü­sant und mes­ser­klug. scha­de nur, dass ihm das jour­na­lis­ti­sche ge­wis­sen fehlt und er an so vie­len stel­len so un­sau­ber und un­fair ar­bei­tet. ei­gent­lich hät­te er das nicht nö­tig. an­de­rer­seits ver­steh ich ihn gut. leu­te zu dif­fa­mie­ren und sach­ver­hal­te stark zu ver­ein­fa­chen macht ein­fach irre viel spass.