jan fleisch­hau­er kor­ri­giert sei­ne quel­len lie­ber, als sie an­zu­ge­ben

felix schwenzel

jan fleisch­hau­er, letz­te wo­che auf spie­gel on­line:

Im SPIE­GEL gab es kürz­lich eine in­ter­es­san­te Gra­fik zu dem ers­ten Twit­ter­sturm, der die Se­xis­mus­de­bat­te in Gang setz­te und vie­len nun als Be­weis für die Be­deu­tung die­ser neu­en so­zia­len Be­we­gung gilt. Von den 80.000 Tweets, die in den ers­ten fünf Ta­gen ab­ge­setzt wur­den, wa­ren 30.000 Ret­weets, also Wei­ter­lei­tun­gen be­reits ge­sen­de­ter Mit­tei­lun­gen. Zu den am meis­ten wei­ter­ver­schick­ten Nach­rich­ten ge­hör­te der Spruch: "Mei­ne Frau woll­te auch et­was zu #auf­schrei twit­tern. Das W-Lan reicht aber nicht bis in die Kü­che."

in der ko­lum­ne be­leuch­tet er ei­nen in­ter­es­san­ten aspekt der #auf­schrei-de­bat­te, die fleisch­hau­er „die Se­xis­mus­de­bat­te“ nennt. er nennt das in­ter­net eine „Par­al­lel­welt“, in der be­kannt­heit eine re­la­ti­ve grös­se sei:

Hier zäh­len 7000 Fol­lower auf Twit­ter al­le­mal mehr als 4,5 Mil­lio­nen Zu­schau­er an ei­nem Sonn­tag­abend in der ARD. So funk­tio­niert der Hin­weis auf das Netz auch in je­der Re­dak­ti­ons­kon­fe­renz als Be­deu­tungs­nach­weis ers­ten Ran­ges. Mit dem Satz, dass dies aber in den so­zia­len Me­di­en ge­ra­de hef­tig dis­ku­tiert wer­de, lässt sich noch dem ab­sei­tigs­ten The­ma Dring­lich­keit ver­lei­hen.

das ist na­tür­lich et­was ganz neu­es. in der al­ten pa­ralell­welt, die der aso­zia­len klas­si­schen me­di­en, be­stan­den be­deu­tungs­nach­wei­se noch dar­in, dass an­de­re zei­tun­gen, bzw. ein paar ober­che­cker die für die­se zei­tun­gen schrie­ben, über ein the­ma be­rich­te­ten. dreis­sig, vier­zig leu­te, viel­leicht auch 100, die die obe­ren plät­zen der füh­ren­den ta­ges­zei­tun­gen be­fül­len durf­ten, ge­nüg­ten als be­deu­tungs­nach­weis in re­dak­ti­ons­kon­fe­ren­zen und par­la­men­ten.

dass mit pres­se­aus­wei­sen le­gi­ti­mier­te ober­che­cker jetzt nicht mehr die ein­zi­gen sind, die die­se de­bat­ten aus­lö­sen, füh­ren und mit ar­gu­men­ten fül­len kön­nen, scheint fleisch­hau­er sehr zu be­dau­ern. man hört ihn beim le­sen sei­ner ko­lum­ne bei­na­he mur­meln, „da könn­te ja je­der kom­men“.

die ge­ring­schät­zung von nor­mal­sterb­li­chen men­schen, die­sen fi­gu­ren, die frü­her le­dig­lich abo­ne­ments be­zahl­ten und wer­bung in re­le­van­ten me­di­en be­trach­te­ten, zieht sich kon­se­quent durch fleisch­hau­ers ar­gu­men­ta­ti­on. war­um dür­fen die­se un­qua­li­fi­zier­ten men­schen über­all mit­re­den? wie soll die­se per­son, die ge­ra­de mal 7000 fol­lower hat (wie fleisch­hau­er auch), ir­gend­wie für ei­nen füh­ren­den jour­na­lis­ten wie fleisch­hau­er re­le­vant sein, der schliess­lich schon das eine oder an­de­re mal mehr in talk­shows mit mil­lionnen zu­se­hern auf­ge­tre­ten ist?

ganz be­son­ders dumm fin­de ich jan fleisch­hau­ers stei­le the­se, dass die be­tei­li­gung „an den in Rede ste­hen­den De­bat­ten“ (im in­ter­net) so ge­ring sei, dass „die Zahl oft nicht ein­mal aus­reicht, um den bei her­kömm­li­chen Pro­tes­ten be­lieb­ten Platz vor dem Bran­den­bur­ger Tor zu fül­len“. das ist bei den de­bat­ten in talk­shows oder zei­tun­gen oder dem bun­des­tag na­tür­lich ganz an­ders. wenn so eine talk­run­de oder re­dak­ti­on auf den pa­ri­ser platz tritt, wirkt das ruck zuck wie ein os­ter­marsch zu zei­ten des NATO dop­pel­be­schlus­ses.

aber ei­gent­lich woll­te ich et­was ganz an­de­res sa­gen. ich kann mir sehr gut den­ken wel­che an­stren­gun­gen es be­deu­tet, wö­chent­lich eine ko­lum­ne zu schrei­ben und sich stun­den­lang mei­nun­gen aus der nase zu zie­hen und sa­chen die man vom hö­ren­sa­gen im lau­fe der wo­che mit­be­kom­men hat ent­spre­chend zu ver­wurs­ten. bei mei­nungs­star­ken stü­cken, bleibt für re­cher­che na­tür­lich we­nig zeit. wenn re­no­mier­te blät­ter wie die augs­bur­ger al­ge­mei­ne, die wal­tro­per-zei­tung, das pc-ma­ga­zin, die main­post, spie­gel-on­line, die taz oder die dpa ei­nen tweet als ei­nen der am häu­figs­ten¹ ret­wee­ten bei­trä­ge zur #auf­schrei-de­bat­te zi­tie­ren (ohne den tweet zu ver­lin­ken²), dann kann fleisch­hau­er — der sich „Jour­na­list und Au­tor“ nennt — das na­tür­lich auch. ein­fach ab­schrei­ben, ei­nen bin­de­strich zwi­schen w und lan ein­fü­gen, kei­nen link set­zen und auf gar kei­nen fall er­wäh­nen, dass der tweet von gal­len­bit­ter ge­ra­de mal 201 ret­weets er­zielt hat (stand 12.03.2013), weil sich das nicht gut ne­ben der zahl von „30.000 Ret­weets“ ma­chen wür­de:

Mein Frau woll­te auch et­was zu #auf­schrei twit­tern. Das WLAN reicht aber nicht bis in die Kü­che.

— gal­len­bit­ter (@gal­len­bit­ter) 27.01.2013

gal­len­bit­ters am meis­ten ret­weete­ter tweet lau­tet üb­ri­gens:

500 Gramm HA­RI­BO La­kritz-Schne­cken in­tus. Mor­gen ka­ck' ich mir ei­nen Satz Som­mer­rei­fen.

— gal­len­bit­ter (@gal­len­bit­ter) 22.02.2011

/via lu­kas hein­ser, ohne des­sen emp­feh­lung ich fleisch­hau­er wohl nicht ge­le­sen hät­te.


1)
dpa: „auf Platz sie­ben der häu­figs­ten Ret­weets
pc-ma­ga­zin: „Ei­ner der am häu­figs­ten wei­ter­ge­lei­te­ten Bei­trä­ge (Ret­weets)

2)
die augs­bur­ger-all­ge­mei­ne.de und die main­post.de nen­nen im­mer­hin den ur­he­ber @gal­len­bit­ter.