NBC de­mo­cra­tic pre­si­den­ti­al de­ba­te (17.01.2016)

felix schwenzel in gesehen

ich mag es ger­ne, an­de­ren leu­ten beim de­bat­tie­ren zu­zu­schau­en, ins­be­son­de­re das ame­ri­ka­ni­sche for­mat der de­bat­te, das meist ei­nen kla­ren rah­men vor­gibt und stark mo­de­riert wird. vor al­lem woll­te ich mir aber mal selbst ein ein un­ge­fil­ter­tes bild ma­chen, wie die de­mo­kra­ti­schen prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten sich prä­sen­tie­ren. un­ge­fil­tert ist das na­tür­lich nicht wirk­lich, ei­ner­seits we­gen des rah­mens, in dem das gan­ze statt­fin­det und an­de­rer­seits, weil die kan­di­da­ten na­tür­lich nicht mal an­satz­wei­se wirk­lich of­fen re­den kön­nen; all ihre aus­sa­gen sind auf eine po­si­ti­ve wir­kung für ihre je­wei­li­gen kam­pa­gnen op­ti­miert.

trotz­dem kann man in so ei­ner stun­de, die in die­sem fall stän­dig so­wohl von NBC-wer­be­pau­sen, als auch von you­tube-wer­be­pau­sen un­ter­bro­chen wird, ein paar ganz gute ein­drü­cke von den kan­di­da­ten ge­win­nen.

bei den de­mo­kra­ten sind noch drei kan­di­da­ten üb­rig.

  • ver­mut­lich re­la­tiv chan­cen­los und so un­be­kannt, dass er sich in sei­nem er­öff­nungs­state­ment selbst mit na­men vor­stell­te, mar­tin o'­mal­ley, bis 2015 gou­ver­neur von ma­ry­land.
  • hil­la­ry clin­ton, ehe­ma­li­ge aus­sen­mi­nis­te­rin und se­na­to­rin, nennt noch nicht mal die adres­se ih­rer web­site, wenn sie da­von re­det, dass die­ses oder je­nes auf ih­rer web­site do­ku­men­tiert sei.
  • se­na­tor ber­nie san­ders, der sich als „de­mo­kra­ti­schen so­zia­lis­ten“ be­zeich­net und nie von sei­ner web­site spricht.

zu den the­men, die in der de­bat­te be­spro­chen wur­den, wer­de ich wahr­schein­lich nicht viel sa­gen, des­halb habe ich die de­bat­te auch nicht ge­guckt. ei­ner­seits sind die po­si­tio­nen der kan­di­da­ten ja auch mehr oder we­ni­ger be­kannt (wenn man den kan­di­da­ten kennt) und an­de­rer­seits wird auch nicht wirk­lich über the­men ge­spro­chen, auch wenn alle de­bat­ten­be­tei­lig­ten, die kan­di­da­ten, ihre teams, die fern­seh­sen­der, al­les tun, um die­sen ein­druck zu er­we­cken. in echt geht es, glau­be ich, vor al­lem um das fa­bri­zie­ren von ein­gän­gi­gen, zi­tier­ba­ren sound­bi­tes, die po­si­tio­nen grob ver­ein­fa­chen und zu­spit­zen, also kom­mu­ni­zier­bar ma­chen. und na­tür­lich geht es dar­um, for­mat zu zei­gen. je­dem der kan­di­da­ten war an­zu­mer­ken, dass (prä­si­dia­les) for­mat, hal­tung und das au­strah­len von sou­ve­rä­ni­tät das haupt­ziel die­ser auf­trit­te sind.

mar­tin o’mal­ley hat das mit sei­nem team ganz be­son­ders eif­rig vor­be­rei­tet. er ver­such­te über den din­gen zu schwe­ben, das gros­se bild zu zeich­nen, ver­ständ­lich zu spre­chen und emo­tio­nen zu zei­gen, ohne schwach zu wir­ken. das ging mei­ner mei­nung nach voll da­ne­ben. er wirk­te auf mich wie das ab­zieh­bild ei­nes fern­seh­se­ri­en-kan­di­da­ten: viel zu gut­aus­se­hend, zu schlech­te dar­stel­le­ri­sche leis­tun­gen, schlech­te tex­te — aber al­les sehr am­bi­tio­niert und ernst vor­ge­tra­gen. aus­ser­dem kon­ter­ka­rier­te er sei­nen drang über den din­gen zu ste­hen, durch an­dau­ern­de bet­te­lei um re­de­zeit: „plea­se, just 10 se­conds, plea­se …“

o’mal­ley sag­te kei­ne un­ver­nünf­ti­gen sa­chen und hat okaye rhe­to­ri­sche fä­hig­kei­ten, aber auf mich wirkt er un­echt, ge­macht, auf­ge­setzt und un­auf­rich­tig.

das ge­naue ge­gen­teil ist ber­nie san­ders. trotz sei­ner lan­gen po­li­ti­schen kar­rie­re wirkt er echt. auch er wird stän­dig emo­tio­nal, aber bei ihm wirkt das nicht kal­ku­liert, son­dern weil ihn die miss­stän­de wirk­lich zu ner­ven schei­nen. sei­ne emo­tio­an­li­tät könn­te ihm auch scha­den, dach­te ich im­mer, als ich sah. die emo­tio­nen wir­ken näm­lich auch un­sou­ve­rän, ge­ra­de im kon­trast zu hil­la­ry clin­ton, die ru­hig, be­dacht, ab­ge­brüht und fast eis­kalt auf­tritt. aber viel­leicht ist es ge­nau das, was vie­le an ber­nie san­ders mö­gen, dass er sich nicht (zu sehr) um die wir­kung sei­ner auf­trit­te schert, son­dern eben um die „ischuhzzz“, wie er es aus­drückt, um die sach­the­men, bzw. miss­stän­de in den USA.

ber­nie san­ders wirkt auch sehr alt und er­schöpft. auch das soll­te ihm ei­gent­lich mi­nus­punk­te ein­brin­gen, die ame­ri­ka­ner lie­ben ja agil-wir­ken­de prä­si­den­ten zu ha­ben, die sport­lich und ge­sund sind, und am bes­ten kei­ne grau­en haa­re ha­ben. so wie da­mals ro­nald rea­gan, der bis an sein le­bens­en­de edel­holz­far­be­nen haa­re trug. aber auch das kann san­ders wohl zu sei­nem vor­teil aus­spie­len: er strengt sich wirk­lich an, er kämpft und auch wenn er schwach wirkt, er bleibt stand­haft, in je­der hin­sicht.

hil­la­ry clin­ton wirkt so pro­fes­sio­nell, dass es ei­nen bei­na­he um­haut. sie re­det und ges­ti­ku­liert, als wäre sie be­reits ge­wählt. ihr dampft prä­si­dia­le hal­tung aus je­der pore. sie setzt auch emo­tio­nen ein, aber ganz punk­tu­ell, als kon­trol­lier­tes, rhe­to­ri­sches stil­mit­tel, das sie ab­ru­fen kann, ohne wirk­lich emo­tio­nal (und da­mit an­greif­bar) zu wer­den. wohl­ge­merkt, das wirkt al­les im­mer noch schlüs­sig und prä­si­di­al, nicht stüm­per­haft und schlecht ge­spielt, wie zum bei­spiel von frank walt­her stein­mei­er, wenn er ver­sucht ger­hard schrö­der zu imi­tie­ren. hil­la­ry wirkt so pro­fes­sio­nel, so ge­schlif­fen, so un­an­greif­bar, dass ei­nem angst und ban­ge wird. sie wirkt da­bei so­gar sym­pa­thisch, freund­lich und so­gar ein biss­chen lus­tig. aber — und das dürf­te ihr gröss­tes pro­blem sein — sie wirkt wie eine ma­schi­ne. gut ge­ölt, per­fekt in schuss, tut ge­nau das was man von ihr er­war­tet, aber sie ar­bei­tet um zu ar­bei­ten, nicht um et­was zu ver­än­dern.

san­ders schreit die gan­ze zeit hei­ser kräch­zend, dass er die­ses und je­nes „ra­di­kal“ ver­än­dern wol­le, hil­la­ry will op­ti­mie­ren. hil­la­ry steht für das be­währ­te, ga­ran­tiert, wie da­mals ade­nau­er, „kei­ne ex­pe­ri­men­te“, san­ders schwingt die so­zia­lis­ti­sche faust.

ich glau­be san­ders wird ganz gut ab­schnei­den, vor al­lem bei pro­gres­si­ven, auf­ge­klär­ten und jun­gen wäh­lern, aber clin­ton wird am ende trotz­dem de­mo­kra­ti­sche kan­di­da­tin (und prä­si­den­tin), weil sie für ei­nen so­li­den mit­tel­weg steht (der zwar auf vie­le rech­te im­mer noch ra­di­kal wir­ken mag), ohne all­zu vie­le blät­ter von den bäu­men zu schüt­teln. und viel­leicht treibt san­ders sie ja noch ein biss­chen in die pro­gres­si­ve, re­for­me­ri­sche ecke, mit sei­nen zu er­war­ten­den er­fol­gen.

ich lag bis­her mit mei­nen ein­schät­zun­gen der us-prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten im­mer ganz gut. wenn ich das ge­fühl habe, ei­ner der kan­di­da­ten habe das for­mat und die ner­ven­stär­ke zum prä­si­den­ten, hat­ten die meis­ten ame­ri­ka­ner ein ähn­li­ches ge­fühl. bei (bill) clin­ton war ich mir aus die­sem grund be­reits vor der wahl si­cher, dass er ge­wählt wür­de, eben­so bei oba­ma. bei ge­or­ge w. bush hat mein bauch­ge­fühl völ­lig ver­sagt. er wur­de ge­wählt, ob­wohl ihm for­mat, ner­ven­stär­ke und hell­sich­tig­keit ganz of­fen­bar fehl­ten. aber bei (hil­la­ry) clin­ton hab ich wie­der die­ses ge­fühl: sie kann es und sie wird es.

(auf you­tube ge­se­hen)