Autor: katia kelm und felix schwenzel ×

„werk­statt­ge­spräch“

katia kelm und felix schwenzel

wer sich für den news­let­ter des quar­tiers­ma­na­gers ein­ge­tra­gen hat­te be­kam die ein­la­dung zum work­shop per mail. im vor­feld hiess es zwar, dass wurf­zet­tel ver­teilt wer­den soll­ten, in un­se­rem haus wur­den je­doch kei­ne wurf­zet­tel ver­teilt. auch in an­de­ren häu­sern am kuh­berg und eich­holz nicht.
ein paar tage vor dem work­shop wur­den im­mer­hin zwei auf­stel­ler auf der stras­se an­ge­bracht – dumm nur, dass die aus­stel­lung der ent­wür­fe, die eben­falls auf den auf­stel­lern be­wor­ben wur­de, be­reits am wo­chen­en­de zu­vor statt­ge­fun­den hat­te.

da­für war der work­shop im­mer noch recht gut be­sucht. für ei­nen „work­shop“ fast et­was zu gut, aber es war ja auch kein work­shop mehr: bei der un­ter aus­schluss der öf­fent­lich­keit statt­ge­fun­de­nen son­der­sit­zung des stadt­pla­nungs­aus­schus­ses wur­de er um­be­nannt in „werk­statt­ge­spräch“.

das „werk­statt­ge­spräch“ war dann auch eher eine in­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung, bei der im an­schluss fra­gen ge­stellt wer­den konn­ten. fron­tal zum pu­bli­kum sas­sen die in­itia­to­ren (für die fir­ma eu­ro­land die her­ren horx und ro­choll, so­wie herr din­se von din­se feest zurl), da­hin­ter eine lein­wand für die power­point­prä­sen­ta­ti­on. aus­ser­dem gab es ei­nen mo­de­ra­tor, der die wort­mel­dun­gen mo­de­rier­te.

an der hin­te­ren wand wa­ren auch ein paar stuhl-halb­krei­se um im­pro­vi­sier­te flip-charts auf­ge­baut, da aber das in­ter­es­se des pu­bli­kums gar nicht dar­in lag, sich ir­gend­et­was net­tes für das erd­ge­schoss aus­zu­den­ken oder etwa die fas­sa­den­far­be zu be­stim­men son­dern ein­zig, zu er­rei­chen, dass das ding nicht so un­pro­por­tio­nal und hoch ge­baut wird, er­üb­rig­ten sich die stuhl­krei­se.

es gab kaf­fee und bröt­chen, stell­wän­de mit ent­wür­fen, vi­sua­li­sie­run­gen und ver­schat­tungs­stu­di­en so­wie ein stadt­teil-mo­dell. es liess sich je­doch (ab­ge­se­hen von den bröt­chen) nichts ent­de­cken, was nicht schon be­kannt ge­we­sen wäre.

neu­bau im al­ten ha­fen­vier­tel ham­burg (das ding was ein we­nig an ein bröt­chen mit ver­rutsch­tem be­lag er­in­nert)

3 stun­den wa­ren ein­ge­plant. gut das ers­te drit­tel ging für vor­trä­ge der in­ves­to­ren und des ar­chi­tek­ten drauf, da­nach war zeit für fra­gen aus dem pu­bli­kum bzw. eine dis­kus­si­on. als der mo­de­ra­tor nach der ers­ten hälf­te dar­auf hin­wies, dass nun eine mit­tags­pau­se auf dem pro­gramm stün­de, lehn­ten die an­woh­ner mehr­heit­lich dan­kend ab.

eu­ro­land schien sich das mit der bür­ger­be­tei­li­gung ir­gend­wie an­ders vor­ge­stellt zu ha­ben. ein­fa­cher viel­leicht. zu­min­dest ent­stand un­ter den an­woh­nern wäh­rend der ver­an­stal­tung kei­ne all­zu­gros­se be­geis­te­rung für das pro­jekt. der ar­chi­tekt und die in­ves­to­ren wa­ren nach wie vor ziem­lich be­geis­tert von ih­rem pro­jekt, al­ler­dings we­ni­ger an­ge­tan von der im­mer wie­der ar­ti­ku­lier­ten for­de­rung der an­woh­ner nach ei­ner ge­rin­ge­ren bau­hö­he.

die eu­ro­land-ver­tre­ter be­müh­ten sich nach kräf­ten, ihr pro­jekt ins bes­te mög­li­che licht zu rü­cken. auch der achi­tekt plau­der­te mun­ter drauf­los, wie er ex­tra auf den kicht­turm ge­kra­xelt sei, um die si­tua­ti­on mal von dort oben zu be­trach­ten, und wie er sich dar­um küm­mern wol­le, dass das ge­bäu­de auf der ge­gen­über­lie­gen­den stras­sen­sei­te auch noch ein ge­schoss oben­drauf be­kommt und da­mit gleich hoch sei.

in die­sem zu­sam­men­hang wur­den wie­der die­sel­ben vi­sua­li­sie­run­gen ge­zeigt, die in den ver­gan­ge­nen mo­na­ten schon öf­ter mo­niert wur­den. zu­letzt so­gar von mit­glie­dern der sta­p­la-sit­zung im ok­to­ber. wei­te­re vi­sua­li­sie­run­gen, auch aus an­woh­ner­per­spek­ti­ve, wür­den nach­ge­reicht, hiess es da­mals. neu war nun le­dig­lich eine 3D-ani­ma­ti­on, die aber eben­falls fast aus­schliess­lich an­sich­ten aus „tou­ris­ten­per­spek­ti­ve“ um­fass­te.

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eu­ro­land be­klag­te, dass das pro­jekt in ver­schie­de­nen be­rich­ten falsch dar­ge­stellt wur­de. so sei zum bei­spiel von ei­gen­tums­woh­nun­gen nie die rede ge­we­sen, man sei so­gar be­reit, dies ver­trag­lich zu­zu­si­chern. dar­auf­hin er­klär­te ein an­woh­ner, dass es für die meis­ten bür­ger über­haupt kei­ne rol­le spie­le, ob dort nun ei­gen­tums­woh­nun­gen oder woh­nun­gen zu hoch­preis­mie­ten ent­stün­den.

ein wei­te­rer aspekt, mit dem eu­ro­land zu punk­ten ver­such­te, war der „bio­super­markt“. im lau­fe der ver­an­stal­tung wur­de der „bio­super­markt“ fast zu ei­ner art run­ning gag.
bei der stadt­teil­kon­fe­renz im sep­tem­ber hat­te ein an­woh­ner als spon­ta­ne idee für die erd­ge­schoss­nut­zung des neu­baus ei­nen bio­super­markt vor­ge­schla­gen und dar­aus mach­te eu­ro­land nun ge­wis­ser­mas­sen das haupt­glied ih­rer ar­gu­men­ta­ti­ons­ket­te: sie woll­ten ei­nen bio­super­markt, wir set­zen das für sie um – wie sie se­hen, hö­ren wir auf sie, also was wol­len sie denn jetzt noch?!
es sei­en so­gar be­reits ge­sprä­che mit po­ten­zi­el­len be­trei­bern ge­führt wor­den und sei zu dem schluss ge­kom­men, dass man an die­sem ort so et­was pro­fi­ta­bel be­trei­ben kön­ne.

doch so auf­merk­sam eu­ro­land auf ei­nen ein­zel­nen ein­wurf wie „bio­super­markt“ hör­te, so taub gab man sich auf mehr­fach ge­äus­ser­te aus­sa­gen wie „zu hoch“ oder „zu klot­zig“.

fast jede an­woh­ner-wort­mel­dung for­der­te ei­nen ver­zicht auf ein bis zwei stock­wer­ke. oh­ne­hin schon schma­le stras­sen wür­den ver­engt, ge­gen­über lie­gen­de ge­bäu­de ver­schat­tet, vor­han­de­ne grün­flä­che über­baut und ver­schie­de­ne blick­ach­se zum ha­fen ver­stellt.

aber nicht­mal das nut­zungs­kon­zept schaf­fe für die be­woh­ner des vier­tels ei­nen er­kenn­ba­ren mehr­wert. we­der in­halt­lich noch for­mal neh­me der ge­plan­te neu­bau ei­nen ech­ten be­zug auf das vier­tel und die in­ter­es­sen der an­woh­ner.
wenn eu­ro­land tat­säch­lich, wie es vor­gibt, an ei­nem gu­ten aus­kom­men mit den be­woh­nern des vier­tels ge­le­gen ist, soll­te es den be­woh­nern ein stück weit ent­ge­gen­kom­men und zwei oder min­des­tens ein ge­schoss nied­ri­ger zu bau­en.

auf die fra­ge „ist es denn für sie denk­bar, ein ge­schoss we­ni­ger zu bau­en?“ hiess es, die pla­nung sei schon zu weit fort­ge­schrit­ten, man müs­se dann ja al­les noch­mal über­ar­bei­ten, das sei schlecht mög­lich. ei­nen al­ter­na­tiv-ent­wurf gebe es lei­der auch nicht. aus­ser­dem kön­ne man schliess­lich auch nicht je­den ein­zel­fall be­rück­sich­ti­gen (bloss weil ein­zel­ne ihre schö­ne aus­sicht ver­lie­ren, kön­ne man ja nicht ein der­art kom­plex­tes pro­jekt ein­fach um­wer­fen).

die bit­te ei­ner an­woh­ne­rin, die mehr­heit­li­che kri­tik an der höhe des ge­plan­ten neu­baus doch ernst zu neh­men und nicht als „ein­zel­fäl­le“ klein­zu­re­den, führ­te in der ant­wort von kars­ten horx auf di­rek­tem wege wie­der zu­rück zum bio­super­markt.

ein wei­te­res ar­gu­ment der eu­ro­land-ver­tre­ter ge­gen eine nied­ri­ge­re ku­ba­tur war die fi­nan­zier­bar­keit. dies wur­de be­reits bei der stadt­teil­kon­fe­renz dis­ku­tiert, als sich eu­ro­land um ver­ständ­nis da­für be­müht hat­te, dass eine ge­wis­se grö­ße und höhe un­um­gäng­lich sei. man habe das grund­stück zu ei­nem sehr ho­hen preis er­wor­ben und ir­gend­wie müs­se das geld schliess­lich auch wie­der rein­kom­men.

was bei dem „werk­statt­ge­spräch“ al­ler­dings ans licht kam war die nicht ganz ne­ben­säch­li­che in­for­ma­ti­on, dass eu­ro­land noch gar nicht die ge­sam­te flä­che ge­hört, auf der sie zu bau­en pla­nen. um so bau­en zu kön­nen wie ge­plant, muss eu­ro­land noch grund und bo­den von der stadt hin­zu kau­fen und ist dar­auf an­ge­wie­sen, dass die stadt ihr da­bei preis­lich ent­ge­gen kommt. tut die stadt dies nicht wür­de das pro­jekt mög­li­cher­wei­se schei­tern.

mit 50% ge­för­der­tem wohn­raum und der wohn­raum-für-men­schen-mit-be­hin­de­rung-trumpf­kar­te hofft eu­ro­land nun die stadt in eine lage zu brin­gen, in der sie ih­nen ent­ge­gen kom­men muss.

vor die­sem hin­ter­grund er­schien die dis­kus­si­on um die höhe in kor­re­la­ti­on zur fi­nan­zier­bar­keit na­tür­lich in ei­nem ganz neu­en licht. ein an­woh­ner mel­de­te sich zu wort und frag­te, wie­so es ei­gent­lich die bür­ger aus­ba­den müss­ten, wenn ein in­ves­tor zu­viel geld für ein grund­stück aus­ge­ge­ben habe. es sei doch be­denk­lich, dass selbst wenn die stadt den in­ves­to­ren ent­ge­gen käme, in­dem sie den hin­zu­kauf von bil­li­gem grund er­mög­li­che, eine op­ti­ma­le ge­schoss­flä­chen­nut­zung trotz­dem nur durch eine ma­xi­mal hohe be­bau­ung er­zielt wer­den kann. eine bau­hö­he, die in die­ser höhe im vier­tel bis­her noch gar nicht mög­lich war und nur durch än­de­rung der be­bau­ungs­plä­ne (der­zeit aus­ge­wie­sen als grün­flä­che) mög­lich wür­de.

im lau­fe der dis­kus­si­on wur­de die be­fürch­tung ge­äus­sert, dass sich mög­li­cher­wei­se nie­mand „traue“ ein pro­jekt, das güns­ti­gen wohn­raum für „be­hin­der­te“ schaf­fe, zu kri­ti­sie­ren. so­ge­se­hen sei ein wohn­kon­zept für men­schen mit be­hin­de­rung und äl­te­re mit­bür­ger auch als eine form von er­pres­sung wahr­nehm­bar.

an die an­we­sen­den po­li­ti­ker wur­de der vor­wurf ge­rich­tet, dass die stadt bis­her kaum ernst­haft an der för­de­rung sol­chen wohn­raums für men­schen mit be­hin­de­rung in­ter­es­siert ge­we­sen sei, da die po­ten­zia­le für sol­che pro­jek­te in der na­he­ge­le­ge­nen ha­fen­ci­ty noch nicht mal an­satz­wei­se aus­ge­schöpft wur­den. auch in der „neu­en mit­te“ von al­to­na sei bis­her von sol­chem ge­för­der­ten wohn­raum nichts zu er­ken­nen.

nichts spre­che ge­gen die ver­ga­be von 50% der §5-schein-woh­nun­gen an ei­nen be­hin­der­ten­ver­band, aber der be­darf des ha­fen­vier­tels könn­te die­sen ge­för­der­ten an­teil des neu­baus eben­falls pro­blem­los fül­len. schliess­lich be­nö­ti­gen nicht nur die al­ler­ärms­ten in un­se­rer ge­sell­schaft hil­fe, son­dern auch die "ein-biss­chen-ar­men" oder kin­der­rei­che fa­mi­li­en.


nicht ganz so klug wie die dis­kus­si­ons­bei­trä­ge aus dem pu­bli­kum wa­ren die des GAL-frak­ti­ons­vor­sit­zen­den mi­cha­el os­ter­burg. die­ser schien auch aus­ge­spro­chen ver­ständ­nis­los für die mehr­heit­li­che ab­leh­nung der 7 ge­schos­se und mach­te aus sei­ner be­geis­te­rung für das pro­jekt und die fir­ma eu­ro­land kei­nen hehl.

ein­zel­nen ge­spächs­bei­trä­gen aus dem pu­bli­kum zu fol­gen ist si­cher auch nicht so ein­fach, wenn man wäh­rend der ge­sam­ten dis­kus­si­on an sei­nem i-pho­ne und i-pad rum­dad­delt oder kaf­fee ho­len ist, dass der GAL-mann sich aber nicht­mal die mühe mach­te, auf­zu­schau­en, als ein teil­neh­mer der ver­an­stal­tung die an­we­sen­den po­li­ti­ker di­rekt an­sprach, war schon et­was ir­ri­tie­rend.

die her­ab­las­sung mit der er das an­we­sen­de pu­bli­kum zu­recht wies: „sie wol­len kei­nen bio­super­markt, kei­ne land­kar­ten, kei­ne gas­tro­no­mie – lang­sam müs­sen sie sich aber schon mal über­le­gen, was sie ei­gent­lich wol­len!“ war eben­falls er­staun­lich.

im­mer­hin sorg­te er auch für ei­nen gu­ten la­cher als er das pu­bli­kum be­lehr­te, dass man sich doch freu­en kön­ne, wenn auf die­se wei­se auch mal men­schen mit be­hin­de­rung ei­nen elb­blick be­kä­men.
was herr os­ter­burg hier­bei über­sah war, dass sich der ge­för­der­te wohn­raum nur über die un­te­ren stock­wer­ke er­stre­cken soll, wäh­rend der elb­blick nur men­schen mit ent­spre­chen­dem ein­kom­men vor­be­hal­ten sein wird. an­de­rer­seits gibt es na­tür­lich auch men­schen mit be­hin­de­rung und ver­mö­gen, viel­leicht mein­te er ja die.

os­ter­burg schien die in­ter­es­sen der an­woh­ner vor al­lem lä­cher­lich, ego­is­tisch und all­ge­mein igno­rie­rens­wert zu hal­ten. man frag­te sich, ob os­ter­burg hin­ter ir­gend­ei­ner un­sicht­ba­ren ka­rot­te her­rennt, die ihm eu­ro­land vor die nase hält, ob er eu­ro­land ein­fach so knor­ke fin­det oder ob ihm bür­ger­be­tei­li­gung ein­fach grund­sätz­lich zu­wi­der ist.


eu­ro­land da­ge­gen meint es tat­säch­lich ernst mit der bür­ger­be­tei­li­gung. man will auf je­den fall den ein­druck ver­mei­den, dass man an den in­ter­es­sen der bür­ger vor­bei agie­re. al­ler­dings ist die vor­stel­lung von bür­ger­be­tei­li­gung bei eu­ro­land eine et­was an­de­re als bei den be­trof­fe­nen: eu­ro­land möch­te die bür­ger von ih­ren plä­nen über­zeu­gen, die bür­ger möch­ten die plä­ne än­dern und die ne­ga­ti­ven aus­wir­kun­gen auf das vier­tel mög­lichst ge­ring hal­ten.

der an­schein von bür­ger­be­tei­li­gung und ak­zep­tanz ist na­tür­lich auch enorm wich­tig für die wei­te­ren ver­hand­lun­gen von eu­ro­land mit der stadt und der ver­wal­tung. er ist ne­ben den 50% ge­för­der­ten wohn­raum und der (an­geb­li­chen) ver­bes­se­rung der s-bahn-ein­gangs­si­tua­ti­on das pfund mit dem eu­ro­land in den ver­hand­lun­gen zu wu­chern ge­denkt.

es bleibt zu hof­fen, dass zu­min­dest ein paar der an­we­sen­den ver­tre­ter der ver­wal­tung und der po­li­tik an­ders ge­strickt sind als mi­cha­el os­ter­burg und das, was die an­woh­ner er­staun­lich sach­lich vor­ge­tra­gen ha­ben, ernst­neh­men und mit in die wei­te­ren ver­hand­lun­gen mit eu­ro­land ein­brin­gen. schenkt man den wor­ten des SPD-ver­tre­ters arik will­ner und des lei­ters des zu­stän­di­gen stadt­pla­nungs­amts mi­cha­el ma­the glau­ben, könn­ten die ver­hand­lun­gen für eu­ro­land kom­pli­zier­ter als er­war­tet ver­lau­fen.


cross­post von ka­tia­kelm.de. dort bit­te auch kom­men­tie­ren, falls nö­tig.