am gendarmenmarkt konnte man vor ein paar tagen beobachten, wie praktisch kräne sind. dank moderner technik, kann man heutzutage von oben nach unten bauen.
in tempelhof, richtung neukölln, bin ich ausversehen in die monopol-siedlung gelaufen. die wurde 1922/23 vom architekten wolfgang binder gebaut und zaubert ein bisschen kleinstadt nach berlin. erinnerte mich ein bisschen an die eisenbahnersiedlung in der meine oma früher wohnte. dort konnte ich als kind noch aus dem fenster alte dampflokomotiven in betrieb sehen. daran, dass ich als kind noch dampflokomotiven in betrieb gesehen habe, kann man entweder sehen wie alt ich bin oder wie lange die russschleudern nach dem krieg noch in betrieb waren.
die siedlung steht unter denkmalschutz, der aber offenbar nicht aktiv wahrgenommen wird. die häuser sind nicht im besten schuss, ebenso sind die plätze der siedlung sehr zugewuchert. eigentlich super.
um die colditzbrücke ist ein riesiges gewerbegebiet, in dem man sich in ansprechender umgebung das auto polieren lassen kann oder sich riesige veranstaltungsräume mieten kann. beim schlendern durch das gewerbegebiet macht sich der strukturwandel gut bemerkbar, ein paar alte industriegelände werben beinahe verzweifelt um „kreative“ die sich hier bitteschön einmieten mögen. ich habe das gefühl, die gentrifizierung ist in manchen ecken von tempelhof noch weit weg.
ein stückchen weiter, auf dem weg nach neukölln dann viele grüne blicke.
noch weiter dann in neukölln der riesige, leerstehnende komplex der ehemaligen neuköllner frauenklinik im mariendorfer weg. mehr oder weniger jede fensterscheibe ist eingeschlagen, durch die fenster sieht man, dass fast alles mit graffitis vollgemalt ist.
der neuköllner stadtrat für stadtentwicklung, thomas blesing (SPD), sagte vor ungefähr einem jahr im tagesspiegel, das der investor dem das gelände gehört „in naher Zukunft mit der Entwicklung des Geländes beginnen“ möchte. davon sieht man derzeit ungefähr gar nichts.
derweil erzählt uns die SPD aber, dass günstiger wohnraum nur am tempelhofer feld zu bauen ist. manchmal fragt man sich dann schon, was solche stadtentwickler den lieben langen tag tun oder ob die stadt überhaupt ein stadtentwicklungskonzept hat. leerstand gibts in berlin jedenfalls mehr als genug. die frauenklinik steht seit 5 jahren leer.
Im Unterschied zu Ihnen trage ich das [die Totalüberwachung der deutschen Bevölkerung, inklusive mir] mit Fassung, Herr Kollege Gysi.
noch fünf tage online, sandra maischbergers portrait-ode an alfred biolek in der ARD-mediathek: Mensch, Bio!
manfred klimek wars zu lang und episch und irgendwie auch zu undistanziert. mir hat’s gefallen. alfred biolek kommt mir seit langem vor wie ein alter bekannter. möglicherweise weil er im fernsehen auf eine art „hemmungslos privat“ ist. das sind auch nicht meine worte, sondern die eines seiner redakteure, dem ich mal vor 20 jahren beim essen gegenübersass und der von den ersten aufzeichnungen von alfredissimo sprach. ich glaube das beschreibt bioleks haltung vor der kamera ganz gut. und deshalb dürfte das gefühl von mir, alfred biolek vom fernsehen fast ein bisschen privat zu kennen, ganz gut.
irgendwann mal wollte ich biolek auch in echt sehen und besorgte mir karten zu einer aufzeichnung von boulevard bio und fuhr mit zwei freunden, die auch grosse biolek-fans waren nach köln. die sendung war nett und biolek auch, mein kumpel karsten konnte sogar ein autogram abstauben. näher hab ich biolek nie kennengelernt, ich bin aber sicher: hätte ich es, hätte es keine überraschungen gegeben. das wäre wahrscheinlich genauso gewesen wie bei den bloggern die ich gerne lesen. wenn man jemanden lange und gerne liest, gibts beim ersten treffen auch keine überraschungen — ausser der überraschung, dass man die person wirklich gut übers blog kennen gelernt hat.
nett ist wohl die beste und passenste beschreibung von alfred biolek. in allem was biolek tut und tat war und ist er nett. manchmal offenbar auch zu nett, wie es auch ein zwei mal in dem film von maischberger anklang. nach maischbergers film fiel mir auch auf, dass biolek lange zeit eine art idol von mir war und das ideale leben führte, dass ich irgendwann auch führen wollte: nett sein, viele freunde haben, gerne auch prominente, wenn sie nett sind, kochen, essen und trinken. ein leben, das alfred biolek auch noch im hohen alter von 80 jahren zu führen imstande ist.
ich habe mich bei maischbergers film keine sekunde gelangweilt und stellenweise sogar vom stellenweise zu dick aufgetragenen pathos anstecken lassen.
Eine Kollektion mit Hubsteigern. Wir haben auch so einen Zuhause, um die Kerzen an unserem Kristallleuchter austauschen zu können.
[Für die Erstellung und Bewerbung von ein paar Ebay-Kollektionen habe ich ein (pauschal) Honorar bekommen. Etwas mehr zu den Ebay-Kollektionen habe ich hier geschrieben.]
eigenartiger, aber ganz guter film. der film entblättert von viertelstunde zu viertelstunde mehr an bedeutung und sinn, scarlett johansson entblättert sich den ganzen film über. ich mochte den film sehr, auch wenn er wenig unterhaltsam ist. aber man merkt die leidenschaft, die die filmemacher in das projekt gesteckt haben. jedes detail stimmt, die bilder sind teilweise umwerfend realistisch, beinahe naturalistisch — und dann wieder, plötzlich, hyper-ober-ästhetisiert. das gleiche spiel zieht sich durch alle aspekte des films, musik, geräusche und die geschichte.
der beinahe bizarre naturalismus im film kommt wohl auch daher, dass viele szenen mit versteckter kamera gedreht wurden und viele protagonisten nicht von anfang an wussten, dass sie in einem film mitspielen. eine szene, in der scarlett johansson hinfällt, wurde mit versteckter kamera aufgenommen und von einem paparazzo fotografiert. wired schreibt über die hintergründe, die zu einem kleinen meme-phänomen geführt haben.
genauso faszinierend wie den film selbst, fand ich die extras, also die interviews der filmemacher (ich hab den film im US-itunes-store gekauft). einerseits redeten die teilweise genauso witzig wie die schotten im film und andererseits half das sehen ein bisschen beim verstehen. da hilft der film nämlich nur in kleinster dosis.
Von den vielen Millionen deutschen Dokumenten, die das Google-Archiv auf seinen Servern bereithält, stammt kein einziger Text von einem Google-Mitarbeiter, sondern alles, was da an Artikeln begeistert, polarisiert, langweilt oder einfach nur informiert, ist von den Autoren deutscher Verlage in deutscher Sprache erstellt worden und - Vorsicht: jetzt kommt die Täterbiographie des späteren Opfers zum Vorschein - den Google-Suchmaschinen freiwillig überreicht worden.
Die Inhalte werden sogar für Google optimiert, auf dass sie sich geschmeidig in die Algorithmenparade einfügen. Wir haben Google nicht nur unsere Augen und Hände, sondern auch unsere Autorenhirne und Leserherzen zur Verfügung gestellt; so dass dem Vorgang der Google-Ermächtigung zunächst alles Zwanghafte fehlt.
die erste behauptung von steingart ist eine glatte lüge und in ihrer absolutheit so grössenwahnsinnig und realitätsfern dass man den eindruck hat, steingart wäre ein schüler muhammad as-sahhafs. mir kam aber noch ein ganz anderer gedanke. wenn steingart hier mal wieder das alte lied der erbsünde der verleger singt, die ihre inhalte angeblich kostenlos vor die säue leser und crawler warfen, ist es vielleicht auch mal zeit ein anderes lied zu summen: nämlich zu überlegen, ob es klug von google war, verlagen die dienstleistung der erschliessung, indexierung und zugänglichmachung von verlagswaren kostenlos anzubieten. natürlich war es klug, aber es zeigt eben auch, wie sehr wir alle oft den wert von kostenlosen und allgegenwärtigen angeboten unterschätzen. mehr noch: kostenlose dienstleistungen führen in vielen fällen nicht zu lobeshymnen, sondern zu bitteren klageliedern.
es zeigt aber auch wie absurd die argumentation der verleger ist. verlage haben jahrelang gut davon gelebt, die informationen oder anzeigen von dritten zu exponieren und potenziell interessierten zugänglich zu machen. die älteren werden sich erinnern, früher haben zeitungen das gemacht, was google heute macht. davon haben zeitungen und zeitschriften relativ prächtig gelebt und grosszügig dafür kassiert. die leistung für die die verleger in der vergangenheit viel geld haben wollten, für diese leistung sollen suchmaschinen jetzt geld geben. das ist in etwa so, als ob man für eine kleinanzeige die man in den aachener nachrichten schaltet nicht vier euro achtzig zahlen müsste, sondern 10 prozent der einnahmen der aachener nachrichten ausbezahlt bekäme.
die mexikanische journalistin alma guillermoprieto über papst franziskus:
“May God protect us from the fear of change,” said Francis on his way to his diplomatic visit to the Middle East last month. He was undoubtedly referring to the need for peace in the region, but also to the mess waiting for him back home.
das ist ein langes und differenziertes portrait eines priesters, von dem andere konservative einen entscheidenden aspekt lernen können: menschlichkeit, also menschenliebe, statt institutionenliebe.
meine begeisterung für das journalismus-projekt matter (wikipedia-link dazu) ist übrigens auch sehr, sehr gross. lange, gut recherchierte und geschriebene, alle paar tage, ohne aktualitätszwang veröffentlichte artikel. wenn krautreporter auch nur halb so gut wird, wird alles gut.
Ganze drei Mal falle ich dem Express Train zu Opfer. Ich steige in einen Zug, er fährt kilometerweit weiter, als er sollte. Ich steige aus, fahre zurück, wieder viel weiter als ich sollte. Das ganze wiederholt sich ein paar Mal. In den Stunden, die ich in falschen Zügen verbringe, perfektioniere ich mein Poker Face. Keiner soll wissen, dass ich hier falsch bin.
cs lewis meint im erwachsenalter kindisch zu sein, sei ein zeichen von erwachsen-sein:
When I became a man I put away childish things, including the fear of childishness and the desire to be very grown up.
das gilt übrigens für sehr viele andere dinge auch. wer klug ist, sollte keine angst davor haben dumm zu wirken, wirklich mutige menschen müssen ihren mut nicht ständig beweisen.
manfred klimek über einen zerfallenden hermes phettberg.
"Mir geht es besser als vielen anderen", wiegelt Phettberg ab; wissend, dass er für das letzte bisschen Autonomie dankbar sein muss; der dankbar ist, dass man ihn noch besucht, nicht zur Gänze ins Aus drängt, ihn weiterhin als unerzogenen Buben, Schwulen, Masochisten und Intellektuellen wahrnimmt.
raum für entwicklung ist da. die pilot-folge hat mich zwar nicht irre neugierig gemacht, vieles an der geschichte war so stereotyp und vorhersehbar wie in einer talkshow, aber die nächsten paar folgen werde ich mir wohl noch ansehen, bevor ich mich möglicherweise gelangweilt anderen herausforderungen serien widme.
vor zwei tagen habe ich den ahnungslosen, unsäglichen und hetzerischen text von jan fleischhauer zum thema inklusion an schulen auf spiegel online verlinkt. dankenswerterweise gibt es auch menschen, die offenbar spass am nachdenken, reflektieren und differenzieren haben. wenn man die liest, fällt einem auf, was für ein flachdenker und vorurteilsaffiniciado jan fleischhauer ist und wie lieblos er mit seinem intellekt umgeht.
dr. mutti über inklusion und (unter anderem) über die vermeintliche lösung kinder in förderschulen, raus aus den „normalen“ schulen, zu schaffen:
Deshalb scheint mir - wenn Segregation in homogene Lerngruppen das Erfolgsrezept für individuelle Förderung und Chancengleichheit sein soll - die Förderschule keineswegs als eine echte Lösung. Denn dort bleibt zunächst der individuelle Rest - lernbehindert, geistig behindert, körperbehindert, verhaltensauffällig - heterogener kann man sich eine Lerngruppe kaum ausdenken. Dass diese Lösung immer noch als Endpunkt in der Debatte genannt wird, ist nur plausibel, wenn dann dieser “Rest", die Förderschule, aus dem Blickfeld ist. Nur dann scheint alles in Ordnung.
der lehrer jan-martin klinge über inklusion:
Mein Leben wäre einfacher, wenn ich die Hauptschul- und Realschulkinder nicht in meiner Klasse hätte. Wenn ich nur die Katharinas und Magdalenas und Hendriks und Friedrichs unterrichten müsste.
Das Problem ist nur:
Ich wäre nicht dabei.
Denn ich war ein Klassenkasper, die nur mit viel Geduld und Förderung der Lehrer durch die Schule getragen wurde.
christian fischer, sehr lang, sehr differenziert, über inlusion:
Und da wir ja alle wissen, das Schule viel, viel mehr ist, als reine Wissensvermittlung, freuen wir uns, dass so alle, egal ob ob mit oder ohne Beeinträchtigung irgendeiner Art miteinander lernen und miteinander leben. Jeder lernt von andern. Immer.
offenbar wurden viele gedanken der inklusion auch bei den krautreportern umgesetzt. so ist es offenbar kein problem, jemanden, der nach ansicht von christian ankowitsch „daran scheitert, wenigstens eine konsistente These zu formulieren“, in die redaktion zu integrieren.
(den text von andrea hanna hünniger habe ich auch vor ein paar tagen verlinkt, aber christian ankowitsch kritisiert dekonstruiert den text sehr viel differenzierter.)
Here at Apple, we believe in spreading three things: great products, beautifully filmed shorts about people using apps, and .DS_Store files
eben ausversehen in meinem feedreader auf „alles als gelesen markieren“ geklickt. deshalb gibts heute keine links. ich habe zwar offiziell alles gelesen, kann mich aber an nichts lesenswertes erinnern.
dafür könnte ich beispielsweise von einem film erzählen, den ich in den vergangenen tagen gesehen habe. auf englisch heisst er the french minister (nyt-kritik), da er aber aus frankreich kommt, heisst er eigentlich quai d’orsay (imdb-link). mir fielen beim sehen verschiedene dinge auf:
ich mag französisch. wieder. zu franzosisch habe ich eine art hassliebe. in der schule war ich in französisch ein 5er-kandidat. in der tat bin ich wegen französisch drei mal sitzengeblieben. zweimal habe ich die nachprüfung in französisch geschafft, in dem ich mit einem genialen nachhilfelehrer den stoff des schuljahres in den sommerferien reinpaukte. zweimal hab ich die nachprüfung geschafft und wurde versetzt, beim dritten mal hatte ich neben ein paar fünfen, zwei sechsen auf dem zeugnis, was die versetzung verunmöglichte.
ich kann mich nicht entscheiden ob quai d’orsay (wikipedia-link) eine satire oder ode an die politik und bürokratie ist. wahrscheinlich schwingt beides mit, eine gewisse bewunderung für die herkules-aufgabe ein ministerium zu führen und gleichzeitig etwas zu bewirken und der wunsch den ganzen zirkus ironisch zu dekonstruieren (neudeutsch, zu debunken).
der running gag mit dem minister, der überall wo er hineinrauscht, papier in die luft fliegen lässt und sich immer mit mindestens 30 kilometer pro stunde geschwindigkeit und 6000 umdrehungen dreht, liess mich auch noch nach 80 minuten lachen.
ich konnte the west wing trotz des dauerpräsentem pathos gut ertragen, sogar ein bisschen lieben. aber wie quai d’orsay die inneren abläufe von politik zeigt, lässt the west wing auf der stelle verblassen und zu einem ungeniessbaren, pathos-gefüllten und realitätsfernen kitschmüll werden.
ich war bis eben unentschieden, ob ich den film empfehlen kann (zumal er legal und im original in deustchland wohl schwer zu beschaffen ist). kann ich aber. zumdest leuten die the west wing gerne gesehen haben oder sich für politik interessieren und nichts gegen leicht verhohlene bewunderung von politikern haben.
Die Kleidungsaussage einer Frau wird [...] auf ihre Teilhabe am oder ihre Verweigerung des Feminismus gewertet. Die Kleidungsauswahl eines Mannes wird als Mittel zur Hervorhebung seiner (künstlerischen/beruflichen) Persönlichkeit gesehen.
Die Objektifizierung findet also gar nicht in dem Moment statt, in dem eine Frau leicht bekleidet auf die Bühne tritt, um sich im Rahmen einer Show zu einem Sexobjekt zu stilisieren, sondern viel früher, in dem Moment in dem sie vor die Wahl gestellt wird, entweder Feministin zu sein oder optisch mit Bildern von Weiblichkeit zu spielen.
Disclaimer: Ich verfasse unregelmäßig Nachtkritiken für Welt Online.
warum thore barfuss „disclaimer“ statt „disclosure“ oder „offenlegung“ schreibt? ich vermute seine erklärung dafür wäre: „sagt doch jeder so“. nach diesem motto ist auch der rest des textes verfasst.
ich bin sicher, jan fleischhauer hat für diesen kommentar mit betroffenen geredet und sich inklusion vor ort angesehen oder mit mindestens einem experten geredet, bevor er sich über deren vokabular lustig gemacht hat. ich bin ganz sicher, dass er seine meinungsbildung nicht nur auf basis von ein paar übergeigten zeitungsartikeln durchgeführt hat.
ralf schwartz sagt in etwa das, was lars thomson vor einer weile sagte: die autoindustrie droht von der elektromobilität und vor allem von tesla auf dem falschen fuss erwischt zu werden.
[W]er heute eine ernsthafte, konkurrentfähige, begeisternde Website produzieren möchten, auf der Zehntausende mit Lieferungsanspruch täglich mit neuem Content versorgt werden sollen (und diesen vielleicht diskutieren, teilen wollen), einigermaßen Ausfallsicher, dann wird man wahrscheinlich schon ein wenig Geld mehr in die Hand nehmen müssen. Von interaktiven Grafiken, Sondernwünschen für einzelne Artikel, Fehlerbehebung und dem ganzen anderen Kram will ich gar nicht anfangen.
hört sich alle richtig an, was nico brünjes da sagt. logisch, dass ein ITler sagt: „steckt mehr geld in die IT“. aber ich würde gerne was ganz anderes sagen:
wenn man 15 oder 14 tausend leute nach geld fragt, hat man potenziell auch genauso viele leute, die einem dabei reinquatschen was man mit seinem geld macht. das phänomen kennt man ja schon von klassichen zeitungsabos: wenn abonnenten etwas nicht passt, schreiben sie leserbriefe, die nicht selten mit der drohung enden, das abo zu kündigen. sagt man etwas doofes auf twitter, purzeln die entfollowungen.
wenn man nur einen verleger oder herausgeber hat, muss man sich nur mit dem ums geld, die strategie, die konzepte streiten. wenn man aber einen monat lang versucht, leute zu motivieren sich mit seinem produkt zu identifizieren, hoffnungen auf rettung, bessermachen auf sich projezieren lässt, hat man es plötzlich mit tausenden köpfen zu tun, die sich innerlich dem wohl des projekts verbunden fühlen. ob das nun berechtigt ist oder nicht, aber die krautreporter werden meiner meinung nach in die geschichte eingehen, als das am kritischsten und aus grösster nähe beäugtem journalistische projekt jemals.
wenn sebastian esser es laut sz (via turi) schon belastend fand „vier Wochen lang die Fresse poliert zu bekommen“, wird er sich nach 12 monaten wohl nach einem superlativ für „belastend“ umgucken müssen. viele tausend besserwisser, bestens vernetzt, sehr viele mit publizistischem hintergrund werden jeden fehler, jede kleine dummheit, unbedachte äusserung auf goldwaagen legen und auseinanderpflücken.
viele krautreporter waren wohl genervt von den übergeigten erwartungen die in der finanzierungsphase an das projekt gestellt wurden. aber ich glaube die erwartungen werden zum start des projekts noch mal ein paar takte übergeigter sein. so übergeigt, dass die erwartungen von sehr, sehr vielen unterstützern wohl enttäuscht werden. was sebastian esser dann möglicherweise als belastend empfindet.
stimmt. das ist kaum erträglich, allerdings nicht das was einem dort mitgeteilt wird, sondern wie es geschrieben wurde. wie auf pathoskoks.
The Verge mit einem fetten Special über Eboy aus Berlin, die Mitte der Neunziger Pixel-Art neu erfanden und damit eine Retro-Welle in Design und Gaming lostraten, die bis heute anhält. Großartig!
bei nerdcore ist das sehenswerte video eingebettet, auf the verge selbst auch, aber noch sehr viel text und bildmaterial.
Wir sollten alle regelmäßig Nachrufe auf alle unsere noch lebenden Bekannten schreiben, um uns ihrer Bedeutung für uns zu vergegenwärtigen.
... und schreibt einen „Nachruf“ auf christian heller. wobei ich mich ja frage, warum man nachrufe auf lebende menschen schreiben sollte, wenn man auch einfach oden schreiben kann. mach ich auch ab und zu, aber wir alle sollten das viel öfter machen. /bei ode ole reissmann gefunden.
Es wird ja immer viel darüber geschrieben, dass Blogs auch nicht mehr funktionieren. Dass man sich eine thematische Lücke suchen muss. SEO nicht vergessen. Das ist alles Quatsch. Das verlinkte Blog lese ich seit Jahren, ich kenne sogar noch seine alte Seite, bevor er zu WordPress gezogen ist. Es ist das Blog eines 81jährigen, sehr munteren Deutschen, der 1957 in die USA ausgewandert ist und seinen Lebensabend mit seiner Frau irgendwo in Arkansas verbringt. Er bloggt über seine Enkelin, sein kleines Anwesen, dass Kaff in dem er lebt. Er fotografiert seine Katze (viel zu selten) aber auch mal seinen neuen Drucker oder Blumen. Er schreibt über seine Frau, seine Zeit in Deutschland, wie er es in den USA geschafft hat und übers Wetter. Das ist alles gar nicht literarisch aber das ist auch vollkommen egal. Ich folge diesem liebenswerten Menschen so lange, dass er mir ans Herz gewachsen ist. Es ist also kein besonderes Blog, aber es macht alles genau so, wie es ein Blog machen sollte. Ich freue mich über jeden neuen Eintrag.
Warum ich das jetzt hier verlinke? Vor ein paar Tagen schrieb er:
Warum habe ich nicht damals die Fragen an Leute gestellt als sie noch am Leben waren. Heute ist es zu spaet, weil sie weggestorben sind und heute moechte ich von ihnen so vieles wissen, beispielsweise auch bei meinen Grosseltern, wie zu deren Zeiten vieles war. Aber warum haben sie mir selber nicht so vieles aus ihrem Leben erzaehlt, auch wenn es nicht unbedingt so super interessant sein musste?
Da dachte ich: Stimmt, warum habe ich dieses wunderbare kleine Blog nicht schon viel früher verlinkt.
Bevor ich mich für Technik und Computer interessiert habe, war ich besessen von Scherzartikeln. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit meiner Mutter zum ersten mal in Aachen zum Eulenspiegel ging. Im Eulenspiegel konnte man zum Jahreswechsel Feuerwerkskörper kaufen und ganzjährig Spielsachen und Scherzartikel (mittlerweile ist in dem Laden ein Teegeschäft). Im Laden gab es eine Glastheke, unter der diverse Scherzartikel ausgestellt waren. Die Klassiker, die erstaunlicherweise heute noch verkauft werden, wie Juckpulver, Instant-Würmer, falsche Hundescheisse, Stinkbombem oder Gläser mit Flüssigkeit, aus denen keine Flüssigkeit rauskommt.
Wenn man als Kind Scherzartikel kauft, ist die Wirkung und Überraschung die man mit den Scherzen erreichen kann natürlich beschränkt. Diejenigen die einem die Artikel gekauft haben, lassen sich damit nicht wirklich überraschen. Und Stinkbomben liessen mich meine Eltern als Kind nicht kaufen, obwohl meine Mutter als ausgebildete Chemielaborantin den Duft von Stinkbomben sehr angenehm fand. Der Geruch von Schwefelwasserstoff erinnerte sie wohl an ihre Zeit im Labor.
So ungefähr mit 12 Jahren ergänzte sich meine Liebe zu Scherzartikeln mit der Liebe zu Zaubertricks. Damit liessen sich unter Umständen auch die Finanziers der Tricks beeindrucken oder irritieren. Am Ende einer Reise durch den mittleren Westen der USA fand ich in San Francisco an der Fisherman’s Wharf einen Zauberladen, in dem man alle möglichen Zaubertricks kaufen konnte. Ringe, Trickkisten gezinkte Spielkarten, grosse und kleine Tricks. Das war schon was anderes als die Plastik-YPS-Zaubertricks oder die aus dem Ravensburger Junior-Zauberkasten. In San Francisco habe ich mir ein Spielkartenset gekauft, bei dem man an den Rückseiten der Karten die Vorderseite entschlüsseln konnte. Das war irre kompliziert, die Anleitung englisch, aber ich biss mich durch und die Überraschungen die man mit diesen Tricks erzeugen konnte, waren beeindruckender als die mit den sogenannten Scherzartikeln.
Mit einem meiner Kartentricks schaffte ich es sogar einmal die gesellige Runde bei einem Abendessen zu dem meine Eltern geladen hatten zu sprengen. Ich zeigte einen Kartentrick, der Trick funktionierte und ich weigerte mich, wie das Zauberer nunmal tun, dem Besuch den Trick zu erklären. Das erzürnte den Besuch so sehr, dass er das Abendessen verliess und sich für eine Weile in sein Auto setzte. Das war einerseits irritierend, aber es hatte für mich als 12 oder 13 Jährigen auch eine extrem befriedigende Wirkung.
Aber meine liebe zu Scherzartikel erlosch nie. An einem meiner ersten Autos hing für eine Weile einer dieser Scherzarme, die man aus dem Kofferraum heraushängen lassen konnte. Ich hatte grosses Vergnügen, mir nach dem niesen falsche Schleimtropfen aus der Nase heraushängen zu lassen. Falsche Hundescheisse nahm ich stets auf Reisen mit. Von einem späteren USA-Besuch, brachte ich mir ein paar Blätter Pyropapier mit, leicht entflammbares Papier, mit dem man grosse Stichflammen in seiner Hand zum Aufleuchten bringen konnte.
Neben dem Pyropapier war die beste Anschaffung dieser Reise Penn und Teller’s Buch How To Play With Your Food. Dadrin findet sich mein Lieblings-Scherz, dessen einzige Requisiten eine kleines Kondensmilchdöschen und eine Gabel ist:
In der einen Hand versteckt („palmiert“) man die Kondensmilch, mit der anderen nimmt man eine Gabel in die Hand und erzählt seinen eventuell vorhandenen Tischgenossen (alleine kann man den Scherz auch machen, macht aber wenig Spass), dass man einen super Trick mit seinem Auge gelernt habe. Wenn man das sagt und gleichzeitig die Gabel in die Nähe seines Auges hält, bekommt man relativ leicht die Aufmerksamkeit am Tisch. Man kann beispielsweise auch die Haut unter dem Auge mit der Gabel ein bisschen nach unten ziehen, das sieht lustig aus und bringt ein bisschen Ernsthaftigkeit zum Scherz.
Die Kondensmilch bringt man jetzt mit der anderen Hand zum Auge, am besten klappt das mit einer Faust; man tut so als würde man durch seine halb geöffnet Faust sehen, aber in echt plaziert man die Kondensmilch vor dem Auge.
Nachdem man noch ein bisschen rumgekaspert hat, kommt jetzt der entscheidene Moment. Zitat Penn und Teller (übersetzt von mir):
Die Alufolie vorsichtig mit der Gabel anpieksen — aber vorsichtig! Nicht ins Auge piecksen!
Das Kondensmilchdöschen sehr, sehr fest mit der Hand quetschen.
So laut wie möglich schreien.
Der Nachteil dieses Tricks ist, dass man danach unter Umständen etwas Kondensmich auf seinen Klamotten hat. Um den Trick nach unten abzurunden kann man sich noch falschen Schleim in die Nase hängen, Juckpulver durch die Gegend werfen und ein paar Stinkbomben platzen lassen.
Was ich übrigens nie verstanden habe: was ist so witzig an diesen Gummihühnern?
[Für die Erstellung und Bewerbung von ein paar Ebay-Kollektionen habe ich ein (pauschal) Honorar bekommen. Etwas mehr zu den Ebay-Kollektionen habe ich hier geschrieben.]
christoph kappes denkt, gar nicht so übellaunig wie die überschrift suggeriert, über die krautreporter und crowdfunding nach. wie immer bei christoph kappes, sehr lesenswert und klug.
alle aufnahmen aus dem revolverlauf für die eröffnungssequenz der james bond filme von 1962 bis 2012. wenn man sich den clip laut anhört, kann man unfreuwillig unfreiwillig zuhörende damit in den wahnsinn jagen.
wie fast immer, finde ich die teile der daily show die mit krawall und schnittkunst darauf getrimmt sind leute vor der kamera dumm dastehen zu lassen, nur so mittelgut. auch wenn es sehr oft arschlöscher sind, die dann am ende dank der schnittkunst doof dastehen. noch peinlicher ist dann allerdings noch der behind-the-scenes-bericht über die aufnahmen für den einspieler von kyle russell auf techcrunch.
ikea bedroht den macher der grossartigen ikea hackers website mit, wie cory doctorow meint, falschen markenrechtsansprüchen:
Ikea's C&D is, as a matter of law, steaming bullshit. There's no trademark violation here -- the use of Ikea's name is purely factual.
egal ob die ansprüche rechtmässig sind oder nicht, die tatsache, dass ikea versucht diese sache von anwälten erledigen zu lassen, also dass ikea fans lieber bedroht als mit ihnen zu sprechen, ist schon erschütternd und kurzsichtig. so wie die grauen herren in momo die zeit stehlen, stehlen die anwälte ikea image und marketingmillionen.
Diese eine, falsche Geschichte aber war der konkrete Auslöser des Rücktritts, und wer weiß, ob die Staatsanwaltschaft auch ohne sie die Aufhebung der Immunität beantragt hätte, und ob Wulff nicht dann im Amt geblieben wäre, beschädigt, aber, wie das so ist, mit der Chance, die Leute wieder für sich zu gewinnen. Jedenfalls muss man diese Episode kennen, um zu verstehen, warum Wulff meint, sein Rücktritt sei falsch gewesen. Ich kann seine Fassungslosigkeit verstehen, dass die Medien sich für diese Dinge so gar nicht interessieren. Dass die, die ihm jetzt wieder „Mehr Selbstkritik!“ zurufen, in größeren Teilen dazu selbst nicht in der Lage sind.
tl:dr: thomas schulz war auf ein facebook-event in „kleiner Runde“ eingeladen, darf aber nichts darüber schreiben (ausser dass ihm facebook sehr ambitioniert erscheint).