indie war gestern — oder umgekehrt

felix schwenzel

vor­trag über das blog­gen und das in­die­web, den ich am 6. juni 2015 auf der ne­ben­an.ham­burg ge­hal­ten habe. auf you­tube gibt es eine auf­zeich­nung.


den ti­tel für die­sen vor­trag, habe ich mir nicht selbst aus­ge­dacht, son­dern ole reiß­mann. so lau­te­te die an­kün­di­gung auf der ver­an­stal­tungs­sei­te:

Indie war gestern. Warum niemand mehr bloggt oder seine eigene Seite fürs Publizieren nutzen möchte und warum sich niemand für das Indieweb und reclaim.fm interessiert.

und be­vor ich er­klä­re was „in­die­web“ und „re­cla­im“ über­haupt sind, wür­de ich ger­ne dar­auf hin­wei­sen, dass der ti­tel und der an­reis­ser­text to­ta­ler quatsch sind.

ich wür­de näm­lich ger­ne be­haup­ten, dass „in­die“ eine gros­se zu­kunft hat und dass man ei­gent­lich nicht be­haup­ten kann, dass „nie­mand mehr bloggt“. ich glau­be näm­lich mitt­ler­wei­le, dass das blog­gen in be­stimm­ten be­rei­chen boomt, nur nicht so sehr im main­stream, bzw. un­sicht­bar in ni­schen ver­steckt, die wir ge­le­gent­lich ab­fäl­lig mit mut­ti-, strick, food- oder wha­te­ver-blogs ab­tun.

die­se fra­ge hin­ge­gen

warum sich niemand für das indieweb und reclaim.fm interessiert

ist leicht zu be­ant­wor­ten: für das in­die­web und re­cla­im in­ter­es­siert sich nie­mand weil’s zu kom­pli­ziert istnie­mand kaum je­mand, hat den sinn sinn vom in­die­web ver­stan­den. kaum je­mand hat den sinn sinn von re­cla­im ver­stan­den.

ich habe mich, als ich vor zwei, drei jah­ren ver­sucht habe re­cla­im zu bau­en, mal in­ten­si­ver mit dem in­die­web aus­ein­an­der­ge­setzt und da­bei we­ni­ger als die hälf­te ver­stan­den. nor­ma­ler­wei­se wer­fe ich an­de­ren ger­ne vor, dass ih­nen bei der ent­wick­lung von web-pro­jek­ten oft das abs­trak­ti­ons­ver­mö­gen und die fä­hig­keit po­ten­zia­le zu er­ken­nen fehlt. die po­ten­zia­le des in­die­webs habe ich da­mals an­satz­wei­se ver­stan­den, die kon­zep­te, pro­to­kol­le und tech­no­lo­gien da­hin­ter hin­ge­gen kaum. mir fehlt teil­wei­se im­mer noch das abs­trak­ti­ons­ver­mö­gen, um auf man­chen in­die­websei­ten ei­nen sinn, po­ten­zia­le oder struk­tur zu er­ken­nen.

die web­sei­ten von aa­ron perecki sind ex­em­pla­ri­sche und vor­bild­li­che in­die­websei­ten — und wäh­rend gut nach­voll­zieh­bar ist was ar­ti­kel oder no­ti­zen (kur­ze, tweet­ar­ti­ge ar­ti­kel ohne über­schrift) sind, ist die fra­ge bei ant­wor­ten schon schwie­ri­ger. ant­wor­ten? auf wen? war­um? war­um dort?

was steht auf die­ser sei­te? eine ant­wort auf ne ant­wort? kann ich auf die ant­wort auch ant­wor­ten? wo? wie? kann ich auf die­se ant­wort auch auf twit­ter ant­wor­ten?

kann ich hier auch kom­men­tie­ren? wo ist das kom­men­tar­feld? was ist ein web­men­ti­on, den ich von dort aus sen­den kann? wo­hin geht das? an wen?

das glei­che galt und gilt für das re­cla­im-pro­jekt: da ha­ben ich und ei­ni­ge an­de­re po­ten­zia­le, sinn und prak­ti­schen nut­zen er­kannt, aber vie­le an­de­re nicht.

ich sehe schon, ich kom­me nicht drum rum, kurz zu er­klä­ren was in­die­web und re­cla­im ei­gent­lich sind. ob­wohl ich ei­gent­lich vor­her noch klä­ren soll­te was blog­gen ist. denn die wur­zeln des in­die­webs ste­cken na­tür­lich im blog­gen — glau­be ich zu­min­dest. zum blog­gen habe ich vor al­lem eins zu sa­gen:

ich blog­ge in ers­ter li­nie erst­mal nur für mich.

vor al­lem um din­ge, ideen, mo­men­te fest­zu­hal­ten — und mich spä­ter dran zu er­in­nern oder das ver­flos­se­ne wie­der­zu­fin­den. wenn ich din­ge auf­schrei­be ist das eine art ver­dau­ungs­vor­gang. ich struk­tu­rie­re die ge­dan­ken, for­mu­lie­re sie aus, be­ar­bei­te sie tie­fer, als wenn ich nur in der du­sche oder auf dem weg zur ar­beit drü­ber nach­den­ken wür­de. tat­säch­lich habe ich vor 15 jah­ren an­ge­fan­gen mit dem schrei­ben, dem re­gel­mäs­sig ins in­ter­net schrei­ben, als mich mei­ne ar­beit, mein stu­di­um an­fin­gen zu lang­wei­len und zu frus­trie­ren. schrei­ben war ein krea­ti­ver ge­gen­pol. ne­ben dem fest­hal­ten von ge­dan­ken, er­leb­tem, war (und ist) das schrei­ben eine form der krea­ti­ven selbst­be­frie­di­gung.

ant­je schrupp sieht das ähn­lich: für sie ist das do­ku­men­tie­ren ih­rer ideen eine neue, eine an­de­re art zu den­ken.

Das Wesentliche ist das Dokumentieren meiner Einfälle und Wahrnehmungen, wofür es seit dem Internet eine technologische Möglichkeit gibt, die es früher nicht gab. Mit „Mikropostings“ im Internet denke ich sozusagen öffentlich. Früher gab es nur die Möglichkeit, diese Eindrücke mit denjenigen zu teilen, die zufällig in der betreffenden Situation ebenfalls anwesend sind – he, guck mal hier! Ich denke dazu das, was meinst du?

sie er­wei­tert den do­ku­men­ta­ti­ons­ge­dan­ken hier al­ler­dings noch um ei­nen wich­ti­gen aspekt, den der kom­mu­ni­ka­ti­on, des ge­sprächs, des plau­derns. tech­no­lo­gie er­mög­licht es uns mit leu­ten zu plau­dern die ge­ra­de nicht kör­per­lich an­we­send sind. und das ist der aspekt, der blog­gen erst wirk­lich in­ter­es­sant macht — im ge­gen­teil zum bei­spiel zum ta­ge­buch-, oder ge­nau­er, nicht-öf­fent­li­chen schrei­ben.

und noch span­nen­der ist na­tür­lich das gan­ze blog­ding als eine art ge­hirn­erwei­te­rung, als ex­ter­nes denk­werk­zeug zu se­hen:

Dieser kleine, tägliche, unspektakuläre Austausch ist für mich inzwischen so eine Art Werkzeug meines Denkens geworden, ein Tool, auf das ich nicht verzichten möchte. Denken funktioniert ja nicht im abgeschlossenen Gehirn einer isolierten Persönlichkeit, sondern im permanenten Austausch mit der Welt und mit anderen Leuten.

das ist kei­ne all­ge­mein­gül­ti­ge de­fi­ni­ti­on des blog­gens, aber eine mög­li­che, mei­ne:

ver­dau­en — den­ken — ver­öf­fent­li­chen

oder an­ders: ich ver­öf­fent­li­che, also den­ke ich …

der witz ist al­ler­dings, dass die ver­ständ­nis­pro­ble­me schon ge­nau hier an­fan­gen:

  • warum machst du das?
  • was sagt dein arbeitgeber dazu?
  • was ist mit deiner privatsphäre?
  • mir wäre das zu anstrengend!
  • liest das denn überhaupt jemand?
  • das gibt doch nur ärger …

die fas­zi­na­ti­on des blog­gens ist in der tat wahn­sin­nig schwer zu ver­mit­teln und die ein­stiegs­hür­den (gar nicht mal un­be­dingt die tech­ni­schen) schei­nen irre hoch zu sein. als ich an­ge­fan­gen habe zu blog­gen dach­te ich: „mann! die­ses blog­gen ist toll, das will be­stimmt je­der.“

und mei­ne ent­täu­schung dar­über, dass das nach wie vor so we­ni­ge tun, ist seit 15 jah­ren auf ei­nem gleich ho­hen ni­veau.

ABER! … in den letz­ten fünf, sechs jah­ren hat sich et­was ver­än­dert. die leu­te schrei­ben plötz­lich ins in­ter­net! al­ler­dings nicht in blogs. son­dern ins face­book. und ganz ehr­lich: ich finds gross­ar­tig. ich finds gross­ar­tig das plötz­lich ganz vie­le ins in­ter­net schrei­ben.

dass face­book funk­tio­niert liegt üb­ri­gens nicht nur an nied­ri­ge­ren tech­ni­schen hür­den, son­dern dar­an dass face­book be­stimm­te psy­cho­lo­gi­sche hür­den sen­ken konn­te: dort zu re­den, zu schrei­ben wo nie­mand oder we­ni­ge sind, ist kom­mu­ni­ka­ti­on eher frus­trie­rend. dort re­den wo alle sind, ist par­ty.

face­book hat das je­den­falls ganz gut hin­be­kom­men. ich hat­te vor vie­len jah­ren mein face­book-kon­to auch ru­hen ge­las­sen, bis ich merk­te: auf face­book sind mitt­ler­wei­le „alle“. face­book ist ku­sche­lig und freund­lich. blogs, das in­ter­net, wir­ken auf vie­le kalt und ab­wei­send.

aber ich schwei­fe ab. ich woll­te er­klä­ren was re­cla­im ist und was das in­die­web ist. aber ei­gent­lich bin ich gar nicht ab­ge­schwif­fen, denn das gross­ar­ti­ge was face­book, twit­ter, in­sta­gram oder das hier be­wirkt ha­ben (nied­rig­schwel­li­ger zu­gang zum ver­öf­fent­li­chen, ge­mein­schafts­bil­dung, kom­mu­ni­ka­ti­on über gren­zen hin­weg) ist gleich­zei­tig auch der grund für be­stimm­te frus­tra­tio­nen.

ich woll­te zum bei­spiel im­mer ger­ne mei­ne letz­ten tweets, twit­pics, in­sta­gram­me auf der rück­sei­te von wir­res.net sam­meln. und auch wenn die meis­ten die­ser diens­te eine API-schnitt­stel­le bie­ten, war es doch irre kom­pli­ziert die da­ten dort zur ei­ge­nen ver­wen­dung raus­zu­ho­len. ich habe mir über mo­na­te hin­weg scrip­te zu­sam­men­ge­schraubt, die ein paar mei­ner da­ten aus den si­los der gros­sen an­bie­ter per API raus­hol­ten, um sie auf mei­ner rück­sei­te an­zu­zei­gen. (die „wid­gets“ der her­stel­ler woll­te ich da­für nicht be­nut­zen, da sie fast aus­nahms­los scheis­se aus­se­hen und ton­nen­wei­se ja­va­script in die ei­ge­ne sei­ten in­je­zie­ren.)

ir­gend­wann frag­te mich sa­scha lobo ob er auch so­was ha­ben könn­te und ich habe ver­sucht die scrip­te die ich zu­sam­men­ge­häm­mert hat­te ein biss­chen zu sys­te­ma­tis­sie­ren und pro­fes­sio­na­li­sie­ren. dar­aus ist dann das pro­jekt re­cla­im ge­wor­den, ein auf word­press ba­sie­ren­der plug­in, mit dem man sich tat­säch­lich alle sei­ne ak­ti­vi­tä­ten aus so­zia­len netz­wer­ken zie­hen kann (tweets, face­book- und goo­gle­plus-ak­ti­vi­tä­ten, pins, flickr-bil­der, in­sta­gram­me, you­tube­vi­de­os, favs und li­kes) und auf ei­nem/sei­nen word­press-blog re­pu­bli­zie­ren kann.

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wir konn­ten plötz­lich al­les was wir in die si­los blie­sen durch­su­chen, sor­tie­ren, ar­chi­vie­ren oder dar­stel­len.

aber aus­ser uns uns sa­hen es eher we­ni­ge als er­stre­bens­wert an, all die in­hal­te die man favt, lik­ed, shared oder manch­mal selbst ver­öf­fent­licht auf der ei­ge­nen sei­te zu sam­meln. dazu kam, dass die tech­ni­schen hür­den für die soft­ware sehr hoch wa­ren (und sind) und es vie­le un­ge­klär­te recht­li­che fra­gen gibt. vor al­lem aber hat­te ich furcht­bar we­nig zeit und mo­ti­va­ti­on um die ent­wick­lung vor­an­zu­trei­ben. die APIs än­dern sich stän­dig. ir­gend­was war stän­dig ka­putt. alle woll­ten ein fer­ti­ges pro­dukt, aber nur we­ni­ge woll­ten mit­ent­wi­ckeln.


als eine der ers­ten ver­sio­nen von re­cla­im fer­tig war ent­deck­te ich das in­die­web. ich er­fuhr, dass die in­die­webleu­te das was re­cla­im macht „PE­SOS“ nann­ten (post el­se­whe­re, syn­di­ca­te [to your] own site). den rest ver­stand ich nur so halb. ich las fas­zi­nie­ren­de ideen und kon­zep­te, konn­te aber nicht al­zu­viel da­mit an­fan­gen. was ich ver­stand: das be­vor­zug­te kon­zept bei den in­die­webleu­ten lau­te­te üb­ri­gens nicht PE­SOS, son­dern „POS­SE“ (post [on your] own site, syn­di­ca­te el­se­whe­re). ich habe das da­mals fas­zi­niert be­ob­ach­tet, aber kon­zep­tio­nell kri­tisch ge­se­hen. denn ei­ner der vie­len vor­tei­le von PE­SOS ist ja, dass man teil­wei­se sehr tol­le und be­nut­zer­freund­li­che web- oder app-in­ter­faces nut­zen kann um in­hal­te zu ver­öf­fent­li­chen und dann zu sich rü­ber­zie­hen:

mein ein­druck da­mals, wie heu­te, war: al­les furcht­bar kom­pli­ziert.

dazu kam, in den letz­ten mo­na­ten fehl­te mir für re­cla­im ein ech­ter, be­frei­di­gen­der nut­zen. so habe ich zum bei­spiel in den letz­ten mo­na­ten re­la­tiv vie­le es­sens­bil­der auf face­book ge­pos­tet. das gab dort er­freu­lich viel feed­back und reich­wei­te. ich mag auch die ein­fa­che, un­kom­pli­zier­te me­tho­de bil­der auf FB pos­ten zu kön­nen. klick, klick, fer­tig. die es­sens­bil­der wur­den von mei­ner re­cla­im-in­stanz ko­piert, aber die es­sen­bil­der dann auch dort in ko­pie zu ha­ben, war un­be­frie­di­gend, leb­los. ich hät­te die es­sens­fo­tos und das feed­back und die re­ak­tio­nen ger­ne auf mei­nem rich­ti­gen blog. aber wir­res.net läuft eben nicht auf word­press, son­dern auf ei­nem 14 jah­re al­ten CMS.

dann wur­de ich auf die ne­ben­an.ham­burg-kon­fe­renz ein­ge­la­den. ole reiss­mann schlug mir vor über das in­die­web und re­cla­im und das blog­gen zu re­den. also muss­te ich über den gan­zen scheiss noch­mal nach­den­ken und re­cher­chie­ren, was ich, wäh­rend ich es­sens­fo­tos auf face­book ver­öf­fent­lich­te, stark ver­nach­läs­sigt hat­te.

Womöglich gehe ich nur zu "nebenan", um @diplix zu fragen, wieso wirres.net weder h-card noch h-entry noch webmention macht.

Hendrik Mans (@hmans10.04.2015 18:41

und dann so­was: kri­tik an mei­nem vor­trag, mei­ner the­ma­ti­schen-kom­pe­tenz, noch be­vor ich den vor­trag über­haupt vor­be­rei­tet hat­te. das war aber in der tat ne gute fra­ge. bis zu die­sem tweet wuss­te ich näm­lich, wie 99,99999 % der welt­be­völ­ke­rung nicht, was h-card und h-ent­ry sind.

vor­ab: sie sind to­tal prak­tisch! und sie sind grund­bau­stei­ne des in­die­webs. h-card und h-ent­ry sind teil der so­ge­nann­ten mi­cro­for­ma­te. im prin­zip ma­chen sie web­sei­ten für ma­schi­nen, für pro­gram­mie­rer, für craw­ler, für scrip­te les­bar.

so kann man zum bei­spiel aus die­ser sei­te, das hier ma­chen — wenn die sei­te mi­cro­for­ma­te ent­hält. das sind struk­tu­rier­te da­ten. an­ga­ben über den au­tor, den ti­tel, die ent­hal­te­nen bil­der, die ar­ti­kel-art und so wei­ter und so fort.

das glei­che lie­fert twit­ter üb­ri­gens über je­den tweet, wenn man den pas­sen­den schlüs­sel hat, kann man die­se da­ten über die twit­ter-API für je­den tweet ab­ru­fen:

aber statt ei­ner API hat eine web­sei­te, die mit mi­cro­for­ma­ten for­ma­tiert ist, ma­schi­nen­les­ba­res, se­man­ti­sches HTML. aa­ron pare­cki nennt das fol­ge­rich­tig: HTML is my API — oder an­ders ge­sagt: wenn je­der zu­griff auf die struk­tu­rier­ten da­ten ei­ner web­site hat, kann je­der da­mit sa­chen ma­chen.

zum bei­spiel fa­ven. weil so­wohl mein blog, als auch aa­ron pare­ckis blog mi­cro­for­ma­te ent­hal­ten, bzw. „in­die­web-re­a­dy“ sind, kann ich die­se sei­te ein­fach fa­ven:

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ich ver­su­che mal kurz, schritt für schritt, zu er­klä­ren was da pas­siert ist:

mit ei­nem quill-book­mar­klet habe ich per klick ei­nen ar­ti­kel auf wir­res.net er­stellt der per mi­cro­for­mat-aus­zeich­nung (like-of) die in­for­ma­ti­on ent­hält: fe­lix schwen­zel mag ei­nen art­kel mit der url https://aa­ron­pare­cki.com/ar­tic­les/2015/04/26/1/html-is-my-api. sen­de ich jetzt ei­nen web­men­ti­on von wir­res.net zu aa­ron­pa­re­ki.com guckt aa­ron­pa­re­ki.com was der schwen­zel da ge­macht hat — aha — ein like, und ver­merkt das un­ter dem ar­ti­kel.

ge­nau­so funk­tio­nier­te das mit ei­nem kom­men­tar, den ich auf mei­ner sei­te ver­öf­fent­li­che und dann ei­nen web­men­ti­on ver­schi­cke oder ei­nem re­post.

ein­fach, ne?

in wirk­lich­keit ste­cken da­hin­ter na­tür­lich ein paar tech­ni­sche fein­hei­ten die nicht ganz ohne sind, aber leicht ge­nug, dass ich sie als nicht-pro­gram­mie­rer an ein paar aben­den um­set­zen konn­te und mein al­tes CMS da­mit auf­rüs­ten konn­te. wich­tig ist aber: die an­wen­dung an sich ist ein­fach — und ist im prin­zip auch mit but­tons mög­lich.

das pro­blem sind beim in­die­web aber nicht nur die tech­ni­sche hür­den und noch nicht ganz aus­ge­reif­te tech­no­lo­gien, son­dern wie beim blog­gen kon­zep­tio­nel­le hür­den. oder an­ders ge­sagt: die fra­ge war­um man das mit in­die­web-tech­no­lo­gien al­les auf sei­nem ei­ge­nen blog ma­chen soll, wenn es doch mit face­book, twit­ter oder tumb­lr al­les viel ein­fa­cher und per knopf­druck geht.

nut­zungs­be­din­gun­gen ver­sus zi­vil­ge­sell­schaft

das ist ei­ner von vie­len grün­den, et­was hoch­tra­bend for­mu­liert, das trifft aber ei­nen ganz wich­ti­gen punkt. face­book, twit­ter, blog­ger.com se­hen so aus wie öf­fent­li­cher raum, sind aber pri­va­te räu­me in de­nen der haus­herr oder die haus­frau tun kann was sie will.

jüngs­tes bei­spiel po­lit­wo­ops, eine platt­form die tweets sam­melt, die po­li­ti­ker wie­der zu lö­schen ver­sucht ha­ben. twit­ter hat de­nen ein­fach den saft ab­ge­dreht, un­ter hin­weis auf de­ren nut­zungs­be­din­gun­gen. aus­ser­dem gibt es fäl­le bei de­nen auf face­book oder in­sta­gram ein­trä­ge ge­löscht wur­den, die müt­ter beim stil­len zeig­ten oder von frau­en, die mei­nen sie soll­ten die glei­chen rech­te wie män­ner ha­ben und bil­der von ih­rem un­be­klei­de­ten ober­kör­per ver­öf­fent­li­chen dür­fen. die lis­te, war­um es vor­tei­le ha­ben könn­te auf der ei­ge­nen sei­te zu ver­öf­fent­li­chen und sich nicht zu ab­hän­gig von silo-an­bie­tern zu ma­chen, lässt sich be­lie­big fort­set­zen. hier nur ein paar er­ra­ti­sche bei­spie­le:

webdienste die schliessen (geocities, twitpic), sich ständig ändernde AGB oder APIs, absurde nutzungsbedingungen, nicht vorhandene oder bekloppte suchfunktion, mangelhafte GIF-unterstützung, keine übersicht über reaktionen über dienste hinweg, geringe auffindbarkeit, geringe zugänglichkeit, keine möglichkeit suchmaschinenoptimierung für silo-inhalte zu betreiben, selbstermächtigung, keine unterstützung von microformaten, keine webmention-unterstützung.

auf der ne­ben­an-kon­fe­renz habe ich an die­ser stel­le des vor­trags ei­nen et­was un­vor­teil­haf­ten sel­fie mit in­sta­gram ge­macht und auf in­sta­gram ver­öf­fent­licht. we­ni­ge se­kun­den spä­ter war der sel­fie auf wir­res.net, twit­ter und face­book ver­öf­fent­licht. al­les au­to­ma­tisch ge­trig­gert durch die ver­öf­fent­li­chung auf in­sta­gram.

die ma­gie ba­sier­te auf di­ver­sen in­die­web-tech­no­lo­gien und dem gran­dio­sen own­y­our­gram.com von aa­ron pare­cki.

im de­tail funk­tio­niert das so: in­sta­gram pingt nach der ver­öf­fent­li­chung own­y­our­gram an, own­y­our­gram ver­öf­fent­licht per mi­cro­pub-schnit­stel­le das bild auf mei­nem blog und mein blog pingt bridgy an das bild auch auf twit­ter und face­book zu pos­ten.

das al­les ist je­den­falls dann ein­fach, wenn man sein blog ein biss­chen ge­pimmt hat, sprich, für das in­die­web vor­be­rei­tet hat. das kann man schritt für schritt auf in­die­web­i­fy.me durch­ge­hen und tes­ten. was dann ne­ben den mass­nah­men die auf in­die­web­i­fy.me auf­ge­zählt sind fehlt: ein mi­cro­pub-end­punkt und eine an­mel­dung per in­die­auth bei own­y­our­gram. mein mi­cro­pub-end­punkt ba­siert auf die­sem script und ei­ner an­pas­sung der XMLRPC-funk­ti­on mei­nes CMS.

was ich am in­die­web be­son­ders an­ge­nehm fin­de ist, dass man un­ter ar­ti­keln auf der ei­ge­nen sei­te die re­ak­tio­nen auf die syn­di­zier­ten ko­pien per bridgy wie­der ein­sam­meln kann (zu­min­dest die von twit­ter, in­sta­gram, g+ und face­book). das sieht man auch un­ter dem po­di­ums-sel­fie.

zum prin­zip der syn­di­zie­rung von ei­ge­nen in­hal­ten habe ich vor ein paar wo­chen schon­mal was ge­schrie­ben. das prin­zip ist auch schon mit dem gu­ten al­ten voll­text-RSS eta­bliert: wenn ich mich als le­ser ent­schei­de ei­ner sei­te per RSS zu fol­gen, muss ich die sei­te zum kon­su­mie­ren nicht ex­tra ansur­fen. ich kann im RSS-rea­der blei­ben. auch face­book hat die vor­tei­le er­kannt, die es ha­ben kann, wenn man den le­sern ent­ge­gen kommt und ih­nen klicks und war­te­zeit er­spart. bei face­book nennt man die­se art von in­hal­te-syn­di­zier­uzng in­stant ar­tic­les.

ich fin­de, in­die­web-tech­no­lo­gien wie POS­SE oder syn­di­zie­ren, soll­ten sich auch um die be­ant­wor­tung die­ser fra­ge dre­hen: wie kann ich le­ser bes­ser er­rei­chen?

und in der tat ist das auch ei­nes der prin­zi­pi­en die sich die in­die­web-men­schen aus­ge­dacht ha­ben:

POSSE lets your friends keep using whatever they use to read your stuff (e.g. silo aggregators like Facebook, Tumblr, Twitter, etc.).

(sie­he auch „kö­ni­ge, kai­ser und la­kai­en“)

(zei­tun­gen lie­gen ja auch nicht nur im ver­lags­haus aus. sie wer­den da­hin ge­karrt, wo die leu­te sind. in kaf­fee­häu­ser. in woh­nun­gen. zu fri­seu­ren.)

das in­sta­gram-bei­spiel ist ei­nes der bei­spie­le, war­um ich glau­be dass das in­die­web zu­kunft hat. ich kann in­hal­te er­stel­len, egal ob per per POS­SE oder PE­SOS, ich las­se die in­hal­te dort kon­su­mie­ren und dis­ku­tie­ren wo die in­ter­es­sen­ten sind.

und auch die tech­ni­sche wei­ter­ent­wick­lung von blogs, die man­che sehr ver­mis­sen, geht hier in gu­tem tem­po vor­an. auch das hat mit in­die­web-prin­zi­pi­en zu tun. dort liegt der fo­kus auf der kon­kre­ten um­set­zung von kon­zep­ten, nicht auf der theo­re­ti­schen aus­ar­bei­tung von ideen. in ei­nem in­ter­view im scre­en­gui­de ma­ga­zin (lei­der nicht on­line ver­füg­bar), sag­te aa­ron pare­cki über die prin­zi­pi­en des in­die­webs:

machen statt reden
benutze deine eigenen tools
kontrolliere deine daten

die­je­ni­gen die das in­die­web vor­an­trei­ben zu ver­su­chen, be­nut­zen die tech­no­lo­gien alle selbst (eat-your-own-dog­food-prin­zip). je­der in an­de­ren ge­schmacks­rich­tun­gen, bei­na­he alle mit ver­schie­de­nen CM­Sys­te­men … aber fast al­les was im rah­men des in­die­webs ent­wi­ckelt wird, ist na­tür­lich open source. das was ich mit der in­die­web­i­fi­zie­rung mei­nes blogs in ein paar wo­chen ge­macht habe, konn­te ich trotz pro­gram­mier-an­alphe­betis­mus in we­ni­gen wo­chen abend­frei­zeit um­set­zen, dank der gran­dio­sen vor­ar­beit von vie­len in­die­web­menschen.

das ist al­les kein er­folgs­ga­rant, oder ein mit­tel schnell die mas­sen, „alle“ zu be­geis­tern und zum mit­ma­chen zu mo­ti­vie­ren, aber es ist eine sehr le­ben­di­ge ge­mein­schaft, die ich als sehr hilfs­be­reit und kom­pe­tent er­fah­ren habe. so ähn­lich hat sich das auch zur früh­zeit (in der stein­zeit) der „blogos­hä­re“ an­ge­fühlt.

in­so­fern ist die fra­ge war­um sich nie­mand für das in­die­web in­ter­es­sie­re ei­gent­lich falsch ge­stellt. für das in­die­web in­ter­es­sie­ren sich nicht alle, aber sehr vie­le. und das ist zum teil auch ab­sicht, weil die tech­no­lo­gie­en alle noch nicht reif für ei­nen mas­sen­markt sind, rich­tet sich das in­die­web bis­her ex­pli­zit nur an ent­wick­ler und de­si­gner.

da ich aber we­der ent­wick­ler, noch de­si­gner bin, hat mit mei­nen in­ter­es­se am in­die­web wohl be­reits die po­pu­la­ri­sie­rung des in­die­webs be­gon­nen. und auch wenn die kon­zep­tio­nel­len zu­gangs­schwel­len noch recht hoch lie­gen, ich rufe ger­ne dazu auf, sich das al­les mal nä­her an­zu­se­hen, denn der nut­zen und der spass an die­sen tech­no­lo­gien ist gross­ar­tig.


re­la­tiv ge­fahr­los und mit nied­ri­ger ein­stiegs­schwel­le kann man sich die­se tech­no­lo­gien üb­ri­gens mit wi­th­known.com an­se­hen. eine ge­hos­te­te und selbst-in­stal­lier­ba­re blog­soft­ware, die vie­le in­die­web­tech­no­lo­gien be­reits ein­ge­baut hat.


[nach­trag 11.09.2015]
auf­zeich­nung des vor­trag auf you­tube:

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