zuvieldienst

felix schwenzel, , in wirres.net    

„zuvieldienst“, ein blöder alter zivi-gag. ich bin vor ein paar tagen über die website meiner alten zivi-stelle gestolpert. witzig. das ist jetzt schon fünfzehn jahre her dass ich in dort meinen zivildienst gemacht habe. eine schöne zeit, an die ich gerne zurückdenke. lange nicht mehr gemacht. aber meine jüngsten mitfahrer in berliner s- und u-bahnen haben mich an meien zivildienstzeit erinnert, auch karsten van rhyssen, als ich ihn kürzlich sah.

die belegschaft der holzwerkstatt

ich bin damals in der „lebensgemeinschaft“ sassen als zivi in der holzwerkstatt gelandet. dort wurden vogelnistkästen hergestellt. ziemlich viele. irre gut liefen damals auch „schaukelschienen“, mit denen sich seitlich schaukelnde kinderwiegen zu längs schaukelnden wiegen umbauen liessen. vielen antroposophen war das damals (und wahrscheinlich auch noch heute) ein ernsthaftes anliegen. aber vor allem wurden dort nistkästen gebaut. gebaut wurden die kästen von erwachsenen behinderten, die dort nicht „behinderte“ sondern „dörfler“ genannt wurden. intern ab&an auch liebevoll heiopeis. zum teil hatten die erstaunliche fähigkeiten und konnten eigentlich mit hilfe von schablonen und festen arbeitsabläufen alle arbeiten bis zum fertigen nistkasten ausführen. nur die zuschnitte und arbeiten an den grossen maschinen wurden von zivis oder festangestellten ausgeführt.

futterhäuschen á la ix

in der zeit in der ich da war, kam irgendwoher ein ehrgeiz ein paar neue produkte zu entwickeln. war allem das klassische sassener futterhäuschen war eigentlich scheisse, im wahrsten sinne des wortes, weil die vögel beim fressen bekanntlich auch scheissen - und das in diesem falle direkt ins fressen. ich habe dann eine einfache kiste mit deckel gebaut, ein paar löcher gebohrt aus denen die körner rausfallen und dann ein paar kanten schräg abgeschnitten, damit es nach einem antroposophischem produkt aussah. heutzutage würde man sowas design nennen. beim design für den briefkasten, habe ich den antroposophen ein paar ganz scharfe rechte winkel untergejubelt. trotzdem verkauft sich das ding offenbar auch nach 15 jahren unverändert gut. das ich die dinger aus heutiger sicht nicht besonders gelungen halte, wird durch meine freude darüber aufgewogen, dass sich die dinger heute noch im sortiment befinden. das ist heutzutage ja nicht jedem produkt vergönnt.

sassener briefkasten á la ix

die antroposophen, ja das ganze leben in sassen zeichnet sich durch eine gewisse nachhaltigkeit und ablehnung von mode aus. die belegschaft der holzwerkstatt ist der von vor 15jahren noch sehr ähnlich. nur dass die herren zum teil haare verloren haben, etwas ergraut oder gebückter aussehen. mist. ich erinnere mich kaum noch an die namen. beschämend. wo sind die namen hin? ich bin sicher, alle der jungs die sprechen können würden meinen namen noch kennen und von denen die nicht sprechen können würden mich auch noch mindestens 50% erkennen. constantin ist nicht mehr da. wahrscheinlich in der nachbarwerkstatt am richthof gelandet. constantin war super. er hat damals immer ein selbstkomponiertes lied gesungen, es hiess „audi“. auch der text bestand lediglich aus diesem einen wort. das lag daran, dass seine eltern damals einen audi fuhren. an eduard kann ich mich gerade auch noch erinnern, er schliff und brach kanten wie ein weltmeister. der ist ganz weiss am kopf geworden. ich habe in den über zwei jahren nie gelernt zu verstehen was er sagte. ich wusste zwar immer was er wollte, aber was er sagte wusste ich nie. was er sagte war aber immer alles bestens gelaunt.

sensationell auch meine erinnerung an die sozialpädagogig-praktikanten. die wollten nicht nistkästen streichen sondern therapeutische gespräche führen. das zementierte bei mir das eine oder andere vorurteil.

in sassen traf ich übrigens auch einen jungen mann, der jedem beliebigen datum den wochentag zuordenn konnte. im kopf, ohne kalender. kai hiess er. sonst redete er nicht viel. konnte aber begnadet weben. herzallerliebst auch christopher, ein autist der schwierigkeiten mit den worten hatte, dafür aber einen siebten sinn für versteckte nahrungsmittel hatte. die verschlang er nach dem fund immer etrem schnell. zahnpasta, leinöl und spülmittel ordenete er übrigens auch den lebensmiteln zu. am essenstisch wurde er zum langsam-essen und sprechen angehalten. da er mit der zuordnung der worte schwierigkeiten hatte, brauchte er manchmal vier bis fünf anläufe, bis er das wort für butter fand (bitte den käse haben!? bitte das brot haben!? bitte das tartex haben!?). seine stimmlage und art zu sprechen nachzumachen lockert noch heute jedes beerdigungsessen auf zu dem ich eingeladen werde.

apropos „heiopeis“; im kino ist derzeit ein film zu sehen in dem „behinderte“ die wahren stars sind: kroko. gerade mal die hauptdarstellerin franziska jünger kann mit den behinderten mithalten (+der dicke auch). die behinderten wiederum werden von mitgliedern des ensembles des theater thikwa dargestelllt. grandios dargestellt - nicht gespielt.
äusserst amüsant und (in meinen erinnerungen) rührend, der film.