Wladimir Kaminer: Ein Vorschlag zur Güte

Wladimir Kaminer, , in wirres.net    

zitty 5/2005

[diese kolumne von wladimir kaminer erschien erstmals in der zitty 6/2005. veröffentlichung mit freundlicher genehmigung von zitty und wladimir kaminer.]

Die Angst geht um Deutschland – ein armes Land, das permanent gefährdet ist und ausgebeutet wird – von Sozialhilfeempfängern, Arbeitslosen, Islamisten, Hasspredigern, Schwarzarbeitern und nicht zuletzt von Millionen ukrainischen Kriminellen und Prostituierten, die einwandfreie Visa nach Deutschland bekamen, um hier ihre Untaten zu begehen. „Jahrelang wurden bis zu 2.000 Visa pro Tag in Kiew vergeben“, berichten die Zeitungen. Diese Eindringlinge müssten das Land längst flächendeckend ausgeraubt haben. Liegt es an der zur Zeit grassierenden Grippe oder an der globalen Erwärmung, die so viele politische und journalistische Hirne gleichzeitig austrocknen lässt?

Mich hat diese Berichterstattung wütend gemacht. Jahrelang versuche ich vergeblich, meine Freunde oder Verwandten einzuladen, ein Aufwand, der seinesgleichen sucht und in der Regel nichts bringt. Denn um ein deutsches Visum zu bekommen, muss man anscheinend entweder kriminell sein oder die richtigen Schlupflöcher unter dem Zaun in Kiew kennen. Ein Normalbürger hat da keine Chance. Junge Frau im gebährfähigen Alter? Vergiss es. Ein Alleinstehender ohne Familie? Oder noch schlimmer, ein Pärchen? Sie werden in den Schlangen vor den Konsulaten mariniert, gezwungen, jede Menge Papierkram zu sammeln um ihre ehrliche Absichten zu beweisen, sie müssen eine saftige Gebühr zahlen und eine teure Reiseversicherung abschließen, am Ende bekommen sie eine Absage, nageln die Reiseversicherung zu Hause an die Wand und schreiben mir, lass’ uns lieber in Prag treffen.

So kennt man die deutschen Behörden und nicht anders. Die Geschichten über Absagen höre ich jede Woche von den hier lebenden Russen. Eine Tochter wurde von der Mutter eingeladen, bekam aber kein Visum; eine Mutter von der Tochter – das selbe Ergebnis.

Eine Bekannte von uns wagte es neulich, ihre beste Freundin aus der Ukraine einzuladen. Sie besorgte alle nur denkbaren Verdienst- und Gesundheits-Bescheinigungen, wurde vom Konsulat aufgefordert, ihren Lebenslauf zu schreiben, mit genauen Angaben darüber, wann, wie und unter welchen Umständen sie ihre Freundin kennengelernt hatte. Abschließend verlangte das Konsulat ein Video, auf dem die beiden zusammen drauf sind, als Beweis dafür, daß sie einander wirklich kennen. Nachdem das Video abgeschickt worden war, bekam die Freundin eine Absage. Und das in Kiew, einer Stadt mit angeblich vereinfachten Visa-Vergabebedingungen. Wo war das Loch im Zaun? fragen sich jetzt alle. Oder dürfen dort nur Kriminelle und Prostituierten in den Genuss des Visums kommen?

Ich mag nicht mal daran denken, wie es nach dieser Visa-Debatte in den deutschen Konsulaten aussehen wird. Deswegen mein Vorschlag an die Politik: Schließt doch einfach eure verfluchten Konsulate! Kein Mensch braucht sie. In Kiew war die Schlange ab 2002 verschwunden, nachdem nur noch Absagen erteilt worden waren. Kein normaler Mensch wird seitdem noch auf die Idee kommen, ein deutsches Visum zu beantragen, und die Kriminellen, die Prostituierten, die Schleuserbanden brauchen die Konsulate erst recht nicht. Sie werden immer einen Weg hierher finden, selbst wenn sich das arme Deutschland an seinen Grenzen einmauert. Da kann die Politik einen doppelt so großen Haufen Erlasse zur Eindämmung der Migration verabschieden, diese Gesetze werden immer nur die falschen treffen, die Gesetzestreuen. Die anderen, die Gesetzuntreuen pfeifen darauf.