gewalt tut weh

felix schwenzel, , in wirres.net    

ich neige nicht zu körperlicher gewalt. ich bin eigentlich ein ganz friedlicher typ. hilfreich zum abwenden körperlichger gewalt ist die tatsache dass ich relativ gross gewachsen bin und fette schultern besitze die sehr muskulös wirken. ein solcher wuchs ist recht hilfreich um konflikte mit streitsüchtigen zeitgenossen gar nicht erst aufkommen zu lassen. auch als kind war ich allgemein gleich- und gutmütig, wenn auch schon damals von stattlicher statur. mir wurde von meinen eltern mitgeteilt, dass ich beim erstkontakt mit dem sohn der besten freundin meiner mutter eineen gewissen kraftüberschuss an den tag legte. ich wollte dem gleichaltrigen zukünftigen besten freund freudig mit einem schulterklopfer begrüssen, was ihn sogleich umwarf. das war sicher nicht böse gemeint, denn kinder sind zwar grausam, aber nicht böse.

eine andere geschichte die sich ein paar monate zuvor zugetragen haben muss macht mich allerdings bis heute nachdenklich. mein vater (oder meine mutter?) erzählte mir, dass ich mich bei einem spaziergang von meinem vater gelöst hätte, die strassenseite gwechselt und ein auf der anderen seite mit einem elternteil spazierendes mädchen geohrfeigt hätte, einfach so, um danach wieder die hand meines vaters zu ergreifen und den spaziergang fortzusetzen. mein erstaunter vater fragte seinen sohn was ihn denn zu seiner aktion bewogen hätte. damals war ich noch nicht so redselig und antwortete kurz und knapp: „mädchen guckt doof.“

das ist soweit ich mich erinnern kann die einzige begebenheit in der ich grundlos gewalt anwandt habe. nun gut, ich gebe zu, gelegentlich sah ich mich bemüssigt meine körperliche überlegenheit in der schule zu demonstrieren, aber ausnahmlos niemals grundlos und auch nur bis zu dem zeitpunkt als mir ein schwächerer, aber hemmungsloserer so in den magen boxte, dass mir fortan die anwendung von gewalt keine freude mehr bereitete.

ich bin seitdem eher ein weiter bogen-macher, ein weglaufender, da ich zwei dinge gelernt zu haben glaube: die anwendung von gewalt führt meist auch am eigenen leib zu schmerz und es gibt menschen denen es nichts ausmacht die grenzen zu überschreiten die ich mir aus irgendwelchen gründen selbst gesetzt habe, was ebenfalls sehr schmerzhaft sein kann.

in meinem sechszehnten lebensjahr bin ich ein einziges mal opfer von gewalt geworden, habe ein einziges mal eins „auf die fresse“ bekommen — und das eventuell sogar zu recht und dank alkoholbedingter sedierung auch recht schmerzfrei und unblutig. der mann der mir mit seiner faust auf die linke gesichtshälfte schlug trug einen am karnevals-dienstag einen ledermantel auf den ich, wie zuvor bei mindestens 20 anderen, einen weissen punkt mit einem filzstift der marke „edding“ anbrachte. das erzürnte den mann, mich belustigte es, es war ja karneval und ich betrunken und jung. er forderte mich dazu auf den punkt zu entfernen, woraufhin ich ihm wahrheitsgemäss mnitteilte, dass das nicht ginge. so fing ich mir lächelnd eins links neben die fresse ein. das erste und einzige mal.

vielleicht war es auch hilfreich, dass ich ein eventuell vorhandenes gewaltpotenzial recht erfolgreich mittels kampfsportarten abbauen konnte, zum beipiel durch ringen oder judo. beide sportarten dienten dem triebabbau und dem bewusstsein dass es viele körperlich überlegene menschen gibt.

bis heute. heute liess ich mein defensives gehabe einmal gehabe sein und vergass meine vorsicht und meinen festen willen körperlichen konflikten aus dem weg zu gehen. glaube ich zumindest. denn der fahrradfahrer der mich heute beim überqueren eines grün signalisierten fussgängerüberwegs, offenbar wegen akuter rücksichtlosigkeit und eile, am fuss und knie berührte, der fiel vom fahrrad.