web2.0 expo

felix schwenzel

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ich habe ir­gend­wo ge­le­sen, dass die web2.0 expo nach ber­lin kom­me sei eine art rit­ter­schlag für ber­lin. die­se kon­gress-mes­se fin­de aus­ser­halb der usa nur in to­kio statt. new york, to­kio, ber­lin, san fran­sis­co. na toll. der ein­tritts­preis ist auch rit­ter­lich, wenn nicht gar fürst­lich, ir­gend­was zwi­schen 1000 und 2000 euro, wenn man alle vor­trä­ge hö­ren will. ich habe mich als blog­ger an­ge­mel­det, was na­tür­lich eine lüge ist, denn ich schrei­be ja nur ins in­ter­net und blog­ge gar nicht. so habe ich also über tau­send euro ge­spart, ei­nen aus­weis auf dem pres­se steht be­kom­men und frei­bier. zah­len­de teil­neh­mer müs­sen also nicht nur den ein­tritts­reis zah­len, sie müs­sen auch noch es­sen und trin­ken be­zah­len. kein wun­der, dass pres­se­fuz­zis so un­be­liebt sind. die krie­gen echt al­les in den hin­tern ge­bla­sen.

dass die zah­len­den teil­neh­mer für es­sen und trin­ken zah­len müs­sen stimmt na­tür­lich nicht, ich habe mir sa­gen las­sen, das alle teil­neh­mer mit­tags eine müll­tü­te mit ei­nem sand­wich, ei­nem ap­fel und ei­nem mars oder so aus­ge­hän­digt be­kom­men ha­ben. ame­ri­ka­ner nen­nen so­was lunch. die be­geis­te­rung der lunch­tü­ten­emp­fän­ger hielt sich an­geb­lich in gren­zen.

im so­gen­n­an­ten „pres­se­zen­rum“ wo man als pres­se­fuz­zi mit sei­nem gu­ten na­men und sei­ner un­ter­schrift zah­len konn­te (und nor­ma­le teil­neh­mer rit­ter­prei­se in euro zu ent­rich­ten hat­ten) gab es hin­ter der the­ke eine sehr freund­li­che be­die­nung. ja, lei­der nur eine, zu­min­dest so lan­ge ich dort ein und aus ging. das führ­te zu schlan­gen und un­mut. wlan gab im „pres­se­zen­trum“ auch nicht, da­für ein paar steck­do­sen und äus­serst ge­schmack­vol­le ein­rich­tung aus dem 08/15-mes­se­bau­ka­ta­log.

aber ich soll­te auf­hö­ren zu me­ckern. schliess­lich hab ix ja eh nix be­zahlt und auf kon­fe­ren­zen geht man ja nicht zum es­sen und trin­ken und in den lap­top glot­zen, son­dern — ja war­um ei­gent­lich?

ach­ja. um sich vor­trä­ge zu „web2.0“ an­zu­hö­ren. tim o’reil­ly hat den be­griff ja er­fun­den, ex­tra für die­se kon­fe­renz vor ein paar jah­ren. jetzt hal­ten hier ex­per­ten vor­trä­ge und po­di­ums­dis­kus­sio­nen über web2.0 und die kann man sich an­gu­cken um was über web2.0 zu er­fah­ren. des­halb war ich also dort.

ich hab ja nix ge­gen web2.0. ich mag das in­ter­net und bin täg­lich fas­zi­niert von den po­ten­zia­len und über­ra­schun­gen die sich dort auf­tun. und seit ein paar jah­ren lebe ich da­von, sa­chen im in­ter­net zu ma­chen, an­de­ren leu­ten zu er­klä­ren was man dort ma­chen kann und ih­nen da­bei zu hel­fen dort et­was zu ma­chen. ge­gen den be­griff web2.0 hab ich al­ler­dings doch et­was, der be­griff ist mitt­ler­wei­le im all­ge­mei­nen sprach­ge­brauch zu ei­nem syn­onym für „mach mal ne kom­men­tar­funk­ti­on da­dran“ ge­wor­den. ur­sprüng­lich, das un­ter­stel­le ich tim o’reil­ly jetzt ein­fach mal, soll­te er ein syn­onym für „die zu­kunft des in­ter­nets“ sein, bzw. aus­druck des­sen, dass sich im in­ter­net in den letz­ten 10 jah­ren et­was ent­schei­den­des ver­än­dert hat.

wit­zi­ger­wei­se ha­ben dion hinch­clif­fe, des­sen vor­trag ich zu­min­dest in tei­len sah, und tim o’reil­ly, des­sen key­note ich am abend sah mich ge­nau dort ab­ge­holt wo ich ge­nervt vom be­griff „web2.0“ war. näm­lich in­dem sie den be­griff ent­wäs­ser­ten und sich an de­fi­ni­tio­nen ver­such­ten. klingt pro­fan ame­ri­ka­nern beim ver­such web2.0 zu de­fi­nie­ren zu­zu­hö­ren, wars dann aber doch nicht.

letzt­end­lich mach­ten hinch­clif­fe und o’reil­ly (und wahr­schein­lich noch ein paar mehr der vor­tra­gen­den) nichts an­de­res als er­folg­rei­che in­ter­net-un­ter­neh­men zu ana­ly­sie­ren, die­se ana­ly­se in power­point zu tun­ken und zu prä­sen­tie­ren. und da­bei (über­ra­schung!) kann man tat­säch­lich noch et­was ler­nen — und sei es nur bes­ser zu ar­gu­men­tie­ren wenn es um die pla­nung oder die kri­tik an web­pro­jek­ten geht.

nicht dass es neu wäre, dass die leu­te of­fen­bar da­hin­ge­hen wo sie sa­chen ein­fach er­le­di­gen kön­nen, dass ein­fa­che tech­ni­ken und pro­to­kol­le sich viel eher durch­set­zen als kom­pli­zier­te, dass of­fe­ne stan­dards sich bes­ser aus­brei­ten als pro­prie­tä­re und dass man, wenn man er­folg ha­ben will, sei­ne in­hal­te ver­tei­len (syn­di­zie­ren) muss. es bringt nichts zu ver­su­chen die kun­den aus­schliess­lich auf der ei­ge­nen platt­form zu hal­ten, man er­reicht ge­nü­gend gros­se ziel­grup­pen nur wenn man auf an­de­ren platt­for­men prä­sent ist. das ver­steht ei­gent­lich je­der, der sich an­guckt wie goog­le geld ver­dient. das web ist die platt­form, nicht die ei­ge­ne site.

noch eine be­ob­ach­tung die ei­gen­tich auf der stras­se liegt: das web wird ge­rä­te­un­ab­hän­gig. das heisst nicht nur, dass web­sei­ten auf han­dys oder an umts lei­tun­gen funk­tio­nie­ren soll­ten, son­dern dass im­mer mehr ge­rä­te als ein­ga­be­me­di­en agie­ren: han­dy­ka­me­ras die blogs fül­len, gps-mo­du­le zur orts­be­stim­mung und na­vi­ga­ti­on, blue­tooth-ge­rä­te mit in­ter­net­an­bin­dung als sen­so­ren, na­vi­ga­ti­ons­ge­rä­te als stau­mel­der. mit 1000 neu­en tech­ni­schen gad­gets wer­den un­men­gen an da­ten pro­du­ziert — wer es schafft die ade­quat aus­zu­wer­ten kann dar­auf mit et­was ge­schick web2.0-ge­schäfts­mo­del­le auf­bau­en. qype (mo­bil), aka-aki, ja­i­ku, pla­zes und 1000 an­de­re ver­su­chen das ja alle schon eine gan­ze wei­le. und es gibt im­mer mehr ge­rä­te mit de­nen die men­schen in­hal­te aus dem in­ter­net mit­neh­men, mo­bi­le le­se­ge­rä­te, mo­bi­le mu­sikab­spiel­ge­rä­te. der PC ist schon lan­ge nicht mehr der ein­zi­ge zu­gang zu in­hal­ten aus dem netz oder um in­hal­te ins netz zu spie­len. klar, das ist al­les mehr oder we­ni­ger pro­fa­nes wis­sen, aber es schmeckt su­per, wenn man es sich auf der zun­ge zer­ge­hen lässt.

tim o’reil­ly hat das al­les in sei­ner key­note um län­gen ele­gan­ter, in­spi­rie­ren­der, ame­ri­ka­ni­scher und ich be­fürch­te auch viel kür­zer als ix das je könn­te zu­sam­men­ge­fasst. wenn er am an­fang nicht so cho­le­risch und un­lo­cker über die dep­pen die ihm die tech­nik auf­ge­baut ha­ben rum­ge­flucht hät­te („wär bes­ser ge­we­sen wenn ich das selbst ge­macht hät­te!“), hät­te ich ihm rich­tig knud­de­lig ge­fun­den. er ist ja nicht doof, die­ser o’reil­ly. und mir scheints er hat ein fei­nes sen­so­ri­um für tech­nik und was man da­mit ma­chen kann. aus­ser­dem hat er ein gros­ses herz für leu­te die aus be­geis­te­rung, ein­fach so („just for the heck of it“), mit tech­nik spie­len — so­lan­ge sie nicht für die tech­nik sei­ner key­note zu­stän­dig sind.

[nach­trag]
hüb­sche zu­sam­men­fas­sung des ers­ten tage von tors­ten kleinz auf hei­se.de.