zoomer.de

felix schwenzel, , in wirres.net    

heute, kurz nach mitternacht hat der holtzbrinck-verlag sein neues nachrichtenportal zommr.de zooomr.com zoomer.com zommer.de zoomer.de gestartet. ich hab mir das ding dann heute früh angeschaut und gleich gedacht: „oh toll, eine neues nachrichtenportal. da hab ich echt drauf gewartet.“ in deutschland ist man ja chronisch unterversorgt mit nachrichten. normalerweise hätte ich die seite links liegen lassen und mich meinem rss-reader zugewandt. aber da ich um elf dazu eingeladen war, in die zoomer.de-redaktion zu kommen und mir das portal dort von den ungefähr zwanzig herausgebern, geschäftsführern und chef- und onlineredakteuren vorstellen zu lassen, habe ich mir die seite ein bisschen genauer angeguckt.

chefredaktion, geschäftsführung und teile der herausgeber von zoomer.de

als erstes fiel mir auf, dass heute früh der zoomer.de-aufmacher bis auf die überschrift und die zusammenfassung identisch mit dem aufmacher auf tagesspiegel.de war (mittlerweile scheint der zoomer.de-artikel überarbeitet zu sein). auf tagesspiegel.de gabs noch einen hinweis, dass der artikel von joerg vogler mit agentur-material zusammengestöpselt wurde, auf zoomer.de fehlte der hinweis. zoomer.de-geschäftsführer peter neumann und chefredakteur frank syré erklärten mir später, dass die redaktionen von tagesspiegel.de und zoomer.de identisch seien und für beide seiten produziert werde. entscheidend sei, wenn ich die antworten die auf mich einprasselten richtig verstanden habe, dass die zielgruppen für beide portale völlig unterschiedlich seien und dass parallelveröffentlichungen auch irgendwie nicht die regel seien und die artikel auch nicht total identisch seien. mercedes bunz schrieb noch während der beantwortung meiner frage eine mail an joerg vogler, der auch gleich den hinweis auf das agenturmaterial nachtrug. gelernt habe ich: bei zoomer.de kommt agenturkram first. aber immerhin ist der wille da, dauraf später auch eigenes folgen zu lassen.

heute früh war auch noch dieses video auf der startseite zu finden, in dem ulrich wickert, einer der herausgeber von zoomer.de, das neue portal erklärt. auffällig: neben ziemlich steilen, sauber vorgelesenen, thesen eine total dynamische news-musik und konsequentes durchgeduze:

nachrichten aus politik, wirtschaft und wissen, sport und unterhaltung. nachrichten die euch wirklich interessieren. ihr entscheidet was wichtig ist. […] glaubwürdig, aktuell, gegengecheckt. zoomer.de ist keine gedruckte zeitung im netz, sondern das erste echte internet-nachrichtenportal. […] zoomer.de — wir machen nachrichten.

das mit dem „gegenchecken“ scheint ulrich wickert besonders am herzen zu liegen. schon in einem tagesspiegel-interview vom 21. januar sagte wickert:

Bei zoomer.de werden Fakten jedoch gegen gecheckt wie in jeder seriösen Zeitung, das ist wichtig. Zwischen dem Blogger und dem Portal muss es einen Filter geben.

witzigerweise wiederholte er das fast wortgleich in in einem interview auf zoomer.de, das mit dem 18. februar datiert ist. das zur steilen these nummer zwei „aktuell“. aktuell ist, wo das aktuelle datum drauf steht. kann man so machen.

das mit dem „gegenchecken“ und der „glaubwürdigkeit“ muss man dann vielleicht auch erst mal abwarten, ich melde leise zweifel an, dass man jede agenturmeldung gegencheckt. auch meinen einwand ob man denn jeden benutzerkommentar auf seinen wahrheitsgehalt gegenchecken würde wurde nicht so ganz befriedigend beantwortet. zwar würden alle kommentare vom „community managment“ gegengelesen und zweifelhafte kommentare entfernt, aber ob das reicht um so eine steile these aufzustellen?

um das mit der glaubwürdigkeit nicht erst durch monatelange saubere arbeit zu erreichen hat man sich ulrich wickert als glaubwürdigkeitsverleihmaschine ins boot geholt. bei holtzbrinck hat man sich gedacht, wo auf der einen seite wickert draufsteht und auf der anderen tagesspiegel oder irgendwas mit qualitätsjournalismus (die tagesspiegel chefredakteure stephan-andreas casdorff und lorenz maroldt sind auch herausgeber), dem wird vertraut. das hat damals ja auch mit manfred krug und der t-aktie super funktioniert.

das soll jetzt gar nicht so negativ klingen, auch wenn der letzte satz durchaus ironisch gemeint war: ich kann mir vorstellen, dass die 40-köpfige redaktion anständige arbeit abliefert und man die investition in angeblich 25 neue mitarbeiter in qualität umsetzt. mit vorschusslorbeeren bin ich aus prinzip vorsichtig, vor allem wenn man sich vor augen hält, dass in den redaktionsräumen vorher holtzbrincks unrühmliche „buisiness-news“ produziert wurde. die andere frage ist, ob holtzbrinck die (finanzielle) puste hat, um das potential umzusetzen.

bleibt noch die steile these vom „ersten echten internet-nachrichtenportal“. als ich ulrich wickert fragte ob das ein witz sei, antwortete er irgendwas von dem ich mir die genaue argumentation nicht gemerkt habe, weil ich mir, während er antwortete, die nächste frage ausdachte. aber er blieb dabei, ich glaube weil zoomer.de ja keine zeitung im rücken habe, sondern internet pur sei. ich drücke mal die augen zu und vergesse die netzeitung, 50.000 blogs und die ganzen zeitungen die zoomer.de dank konzernmutter so im rücken hat. am mittwoch werde ich mir seine genaue antwort in dem kleinen watchberlin-film ansehen, den ich heute vormittag in der zoomer-/tagesspiegel.de-redaktion gedreht habe.

obwohl mich wickert im oben erwähnten film geduzt hat, hat er mich im gespräch glücklichereise nicht geduzt. ich ihn auch nicht. das rumgeduze will die zielgruppe übrigens so haben, liess ich mir erklären. 21 bis 35 jährige sind so. sie wollen auf nachrichtenportalen geduzt werden. marktforschung, doo! dass die zielgruppe in den nutzungsbedingungen und der datenschutzerklärung gesiezt wird, hat man mir damit erklärt, dass rechtanwälte nicht duzen können und dürfen. verträge in du-form haben wohl vor gericht keine chance, oder so. total lobenswert fand ich, dass zoomer.de mir erlaubt, bei der registrierung der auswertung meines nutzer- und bewegungsprofils für „personalisierte werbung“ zu widersprechen. weniger lobenswert fand ich, dass man die registrierung dann wegen obskurer fehlermeldungen nicht abschicken kann (torsten kleinz erklärt wie es geht). klar, das ist erbsenzählerei, genauso wie meine frage ob das denn nicht irgendwie ungerecht sei, dass der nutzer alle haftungsrisiken zu tragen habe, wenn er beiträge für zoomer.de verfasst, gleichzeitig, laut nutzungsbedingungen, aber alle nutzungsrechte „räumlich und zeitlich uneingeschränkt“ und kostenlos abtritt. die antwort lässt sich mit „och nö, ja“ zusammenfassen, irgendwie klappe das schon. ausserdem wird ja niemand gezwungen etwas bei zoomer.de zu veröffentlichen. stimmt. mir fiel auch kein guter grund ein, warum ich auf zoomer.de rechte an meinen texten oder bildern abgeben solle. dooferweise fiel den anwesenden herausgebern, redakteuren und dem geschäftsführer auch kein grund ein. kommt vielleicht noch, wen alles gut läuft zusammen mit dem geschäftsmodell.

zoomer.de sei was ganz besonderes, etwas völlig neues, betonte der geschäftsführer peter neumann immer wieder. mir fiel es ein bisschen schwer das genau nachzuvollziehen, also liess ich es mir erklären: der witz sei, dass die wichtung der nachrichten auf der titelseite vollautomatisch, mit einem ausgeklügelten algorithmus durchgeführt werde. aus den benutzer-stimmenabgaben, der zahl der kommentare, der aktualität und der zahl der klicks würde ein wert berechnet, der die artikel ordne. zum nachjustieren bliebe der redaktion nur ein parameter, das der aktualität. die könne die redaktion hochsetzen, wenn eine infografik oder zusätzliche informationen hinzugefügt würden oder wenn es die redaktion für sinnvoll erachtet. alles andere bliebe der weisheit der massen überlassen. irgendjemand fragte sich ob das wirklich so klappen würde, ob auf diese art nicht vor allem boulevard-schrott nach oben gespült werde. peter neumann meinte, wenn artikel nicht ankämen, hätte die redaktion das thema eben falsch, nicht zielgruppengerecht verpackt. eigentlich ist das auch eine ziemlich steile these, dass man ein thema nur gut genug aufbereiten müsse, damit es ankommt. ich gebe offen zu, ich habe keine ahnung und schlage mir hiermit selbst vor das mal für ne weile zu beobachten. nur will mir immer noch nicht ganz einleuchten wo genau das alleinstellungsmerkmal von zoomer.de stecken soll. beiträge werden auch bei zweitausend digg-klonen hoch und runtergewertet, kommentare kann man auch bei heise.de bewerten, eigene beiträge oder fotos kann man an geschätzte zweihundert redaktionen schicken und bei manchen sogar hoffen, dass man 500 euro dafür bekommt, wenn genug arsch und titten, promis oder blut darauf zu sehen sind. videokolumnen von arrivierten journalisten kann man mittlerweile auch überall sehen und hintergründe und infografiken kann man sich meist zusammengoogeln oder bei wikipedia finden.

das einzige alleinstellungsmerkmal was auf dauer funktionieren wird, ist meiner meinung nach hervorragende qualität. und die kann man — soweit ich weiss — nicht herbeibeschwören, ranbehaupten, von seinem ankermann herbeiwickern oder von volontären aus agenturmeldungen hintackern lassen, sondern sich nur durch harte, kontinuierliche, journalistische arbeit zulegen.

es spricht eigentlich fast nichts dagegen, dass das klappen könnte, holtzbrincks tagesspiegel und zeit bringen hin und wieder echte highlights für die ich sie aufrichtig liebe, aber die erfahrung zeigt, dass den verlegern das ankündigen solcher ziele lieber ist, als das kontinuierliche bezahlen um solche ziel zu erreichen.

eigentümlicherweise kann ich zoomer.de nicht wirklich scheisse finden, ich gebe der seite eine chance. mir gefällt, dass die seite (technisch) funtioniert, spielereien wie die bildergalerien sind (technisch) ordentlich gelöst, die videos treiben die prozessorlast nicht auf 100%, bis auf die startseite, gefällt mir sogar das layout.

der „claim“ der seite will mir allerdings um keinen preis gefallen. der claim „zoomer.de — wir machen nachrichten“ ist an blödsinnigkeit kaum zu überbieten. bei zoomer.de ist man allerdings ziemlich stolz darauf. ich brauchte erst zwei schläge mit dem zaunpfahl, bis ich begriff, dass der claim nicht nur im sinne von „wir machen zahnpasta“ oder „wir machen currywurst“ zu verstehen ist, sondern auch bedeuten kann „wir und du machen nachrichten“. das mag sprachwitzdeprivierte gesellen zu begeisterungsstürmen und wilden lachanfällen treiben, ich finde ihn einfach nur stumpf, austauschbar und unverständlich. bei einem friseurladen in dem man sich selbst die haare fönen muss hätte ich „wir machen haare“ durchgehen lassen. hier nicht.

andere über zoomer.de:

[nachtrag]
interview mit dem zoomer.de-geschäftsführer peter neumann auf medienhandbuch.de (vom 24. januar 2008):

medienhandbuch.de: Wie sind sie auf den Namen zoomer.de gekommen? Hat er einen Sinn oder eine Ableitung?

Peter Neumann: Wenn Sie das Portal zum ersten Mal sehen, werden sie wissen, warum es zoomer.de heißt.

ich hab das portal gesehen, mir fällt es aber schwer dem namen vom portal abzuleiten. echt jetzt. vom sehen her, würde ich eher auf „klickibunti“ tippen.

peter neumann sagte heute, der name hätte auch eine bedeutung: „zoomen“. zoomen sei ein deutsches wort, das jeder verstünde. ich habe mal geguckt, wie man to zoom übersetzt: unter andem heisst das fokussieren. finde nur ich das witzig?

eine andere erklärung die peter neumann heute nebenbei bemerkte: es sei verdammt schwer ordentliche namen zu finden, weil so viele gute namen bereits geschützt seien. zoomer sprechen übrigens alle beteiligten wie „suma“ aus. und sumo.de, zooma.de und zoomo.de waren halt schon weg. an zoomr.de habe man laut frank syré kein interesse, weil das ein rechtschreibfehler sei.