bedingungsloses rumstreiten um grundloses einkommen

felix schwenzel, , in wirres.net    

ganz offenbar ist die diskussion um das bedingungslose grundeinkommen in den letzten wochen am hochschwappen. obwohl diskussion mag ich das nicht nennen; die blogger haben wieder mal ein thema gefunden, wegen dem sie sich mal wieder die köpfe einschlagen können.

ich bin vor ein paar jahren, als ich götz werner zum thema bedingungsloses grundeinkommen reden hörte nicht zum anhänger des bedingslosen grundeinkommens geworden, sondern zum anhänger von götz werner. die art und weise wie er für seine idee (die er im übrigen gar nicht als seien idee verkauft) wirbt ist bemerkenswert. er fordert nicht das bedingungslose grundeinkommen in deutschland einzuführen, sondern darüber nachzudenken. und zum nachdenken liefert er ein menge guter argumente, aber auch gleich ein bisschen skepsis mit dazu. ich halte seine strategie die leute zum nachdenken zu bewegen, statt sie zu versuchen zu überzeugen für mehr als einen rhetorischen trick. er pflanzt damit ein langlebiges virus in die köpfe seiner zuhörer.

dieses virus wütet nun schon seit einigen jahren in meinem kopf. ich bin in sachen wirtschaft und steuerrecht jemand der absolutes unwissen und ignoranz für sich reklamiert. mehr noch. wenn ich verträge oder steuerbescheide lese, muss ich nach 2-3 sätzen meine aufmerksamkeit anderen dingen zuwenden oder schlafe ein. ich habe quasi eine finanzallergie (oder genauer eine behördendeutsch-allergie). deshalb würde ich mir auch nicht anmassen zu behaupten ich wüsste was für auswirkungen die einführung eines bedingungslosen grundeinkommens hätte. ich masse mir aber an, zu behaupten, dass das aktuelle steuerrecht exakt folgende wirkung hat: es ist der blanke horror, nicht nur für menschen mit behördendeutsch-allergie.

diese einschätzung setzt sich zusammen aus beobachtungen und eigenen erfahrungen. letzte woche zum beispiel habe ich meinen einkommensteuerbescheid für das jahr 2007 bekommen. einerseits finde ich es grossartig, dass sich ein hochqualifizierter und gut bezahlter steuerbeamter mehrere stunden mit mir und meinen finanzen bschäftigt, sich die angaben, die mein ebenfalls hochqualifizierter und gut bezahlter steuerberater, gemacht hat durchliest, bewertet und mir danach bescheid sagt, was er darüber denkt. meine finanzen sind nicht sonderlich komplex, im gegenteil. ich hatte hier und da ein wenig einkommen, ein paar ausgaben, kein vermögen, wenig abschreibungen oder steuerspargedöns. trotzdem war der bescheid sieben seiten lang.

das problem ist, dass der bescheid mein einkommen für die jahre 2008 und 2009 aus dem einkommen des jahres 2007 hochrechnet, was aber ungefähr rein gar nix mit meiner einkommensituation im jahr 2008 und 2009 zu tun hat. in zwei jahren ändert sich ja manchmal einiges. ich werde dem bescheid natürlich widersprechen. da ich aber nicht weiss wie man das macht, wird mein steuerberater das machen müssen. dem muss ich die sachlage erst wieder erklären, damit er die situation in beamtendeutsch übersetzen kann. dann wird der hochqualifizierte und gut bezahlte steuerbeamte sich wieder einige stunden mit meiner finanzsituation beschäftigen und mir erneut bescheid sagen. wahrscheinlich werden wir uns — über bande — einige zeit lang streiten. mehrere tage wertvolle arbeitszeit und ein paar hundert euro für beratung gehen für diesen quark drauf, nur weil wir so ein kompliziertes steuerrecht haben.

was ich sagen will: unser steuersytem ist so dermassen aufgeblasen, so intransparent und unverständlich, so verästelt und vollgestopft mit ausnahmen und sonderregelungen, dass man es noch nichteinmal im vollrausch als gerecht oder angemessen bezeichnen könnte.

allein schon wegen des steuersystems, aber auch wegen den ungerechtigkeiten und schikanen im schatten von harz IV und allen möglichen anderen bürokratiemonstern muss man sich wünschen, dass menschen weiterhin über einfache, gerechte und verständliche alternativen zum status quo nachdenken.

und auch wenn es nur eine von vielen alternativen ist, die idee des bedingunglslosen grundeinkommens halte ich nach wie vor für sehr nachdenkenswert und diskussionswürdig. nicht nur, aber auch, weil sie tonnenweise bürokratie, sonderregelungen, schlupflöcher und beamtendeutsch überflüssig machen würde.