wenn der postmann zweimal nicht klingelt

felix schwenzel, , in wirres.net    

dienstag sollte bei der beifahrerin zuhause eine DHL-espress-sendung ankommen. dank der sendungsverfolgung kann man genau sehen wo die sendung ist: 15:30 bei amazon raus, 21:26 „HUB Staufenberg DE“ (da zuck ich immer kurz zusammen, wenn ich das lese), dienstag 5:13 hamburg. toll, gleich ist die sendung da, denkt man, wenn man vor dieser elektronischen sendungsverfolgung sitzt. dann, um 13:05 „Zustellversuch“. WTF? ich ruf bei DHL an: „die adresse stimmt, die klingel funktionierte gestern noch, die frau war die ganze zeit hellwach in der wohnung. wie kann das sein, dass die zustellung um 13:05 fehlschlug?“ die antwort: „öhm, äh, weiss ich auch nicht, hier steht die zustellung war nicht möglich. sollen wir die sendung morgen nochmal zustellen?“ der mann an der hotline bietet mir drei „zeitfenster“ an, von acht bis zwölf, von zwölf bis 16 uhr und 16 bis 22 uhr. ich nehm das erste. und denke, toll, die sendung kann er in seinem callcenter beliebig dirigieren, aber den zusteller fragen warum er nicht geklingelt hat, kann er nicht.

heute, gegen mittag, lese ich in der sendungsverfolgung, dass um 09:30 uhr ein erneuter zustellversuch fehlgschlagen ist. ich ruf die beifahrerin an, sie war seit acht uhr wach, niemand hat geklingelt und benachrichtigungen fanden sich weder im briefkasten, noch an der haustür. ich frag den mann an der hotline ob wir was falsch gemacht hätten, ob wir die klingel mit einem roten punkt markieren sollen oder den austräger was zu essen vor die tür stellen sollen damit er klingelt. der man an der hotline weiss auch nicht wie das passieren konnte, suggeriert aber höflich, dass die beifahrerin ja auch durchaus gegen 9:30 mal kacken gewesen sein könnte und fragt nochmal ob ich sicher sei, dass die klingel nicht defekt sei. ich weise den mann an der hotline darauf hin, dass ich wegen der klingel schon mal vor schreck vom klo gefallen bin und ob die sendung zu einer packstation geschickt werden könne. das ginge nicht. ich verkneife mir die frage ob die ganze aktion vielleicht so eine art virale, ultraagressive, below the line marketingaktion für die packstation oder den hermes-versand sei und frage ihn, ob wir die sendung vielleicht in einer postfiliale abholen könnten. ja das ginge, und zwar im expresszentrum am arsch der welt in wandsbek, ca. sechs stunden fussmarsch von der wohnung der beifahrerin entfernt (30 minuten s-bahn-fahrt). ich sage etwas aufgebracht, dass das OK sei und frage mich, ob man diese art der express-zustellung bei DHL intern vielleicht „crowdsourcing“ nennt.

ich frage ihn, ob ich mich auch beschweren könne und er sagt er würde eine reklamation aufnehmen. na toll. noch nicht mal richtig beschweren kann man sich bei DHL. „reklamieren“. der beifahrerin versuch ich die tour nach wandbek schmackhaft zu machen, indem ich ihr sage, dass wir dann ja mittagessen könnten, bei dem sensationell günstigen chinesen in wandsbek. so richtig glücklich schien sie nicht. also rief ich auch nochmal bei amazon an, um dort zu fragen welche optionen es gäbe und ob ich mich wenigstens bei amazon beschwerden könne. die dame an der hotline war so freundlich auch nochmal selbst bei DHL anzurufen und mir musik vorzuspielen. noch freundlicher fand ich, dass sie mir versprach meine beschwerde aufzunehmen und meinen unmut zu dokumentieren.

dann, gegen 14 uhr geschah das wunder. bei der beifahrerin klingelte es an der tür und ein zusteller brachte das paket. ihre fragen, warum er zweimal nicht geklingelt hätte und die zustellung angeblich zweimal fehlgeschlagen wäre beantwortete er in brüchigem deutsch: „kollege, kollege“ und kleinlautem „ja oke“.

ich habe das aus drei gründen so umständlich aufgeschrieben. der eine ist, dass ich zwar glaube, dass dieses zustellchaos der letzten beiden tage sicherlich ein einzelfall ist, wenn auch ein ziemlich häufiger (mir fallen auf anhieb zig ähnliche fälle aus meinem bekanntenkreis mit ähnlichen DHL-problemen ein, einen kann ich sogar fast aus dem kopf verlinken), aber dass hinter diesen einzelfälle system steckt.

lustlose und unfähige zusteller: einzelfälle.
prügelnde polizisten: einzelfälle.
überforderte polizisten, einzelfälle.
zugbegleiter die kinder auf bahnhöfen aussetzen: „extreme einzelfälle“.

das problem mit diesen einzelfällen ist natürlich, dass es immer die einzelnen sind die der den ruf eines unternehmens ruinieren.

das system das hinter all diesen einzelfällen steckt lautet: sparen bis die balken (oder auch: achsen) krachen.

wer am personal spart, an sorgfältiger schulung, anständiger bezahlung und ordentlicher organisation, züchtet sich solche einzelfälle heran. oder noch ne nummer grösser: eine gesellschaft die meint, guter service und gute dienstleistungen dürften nix kosten, wird von frustrierten, lustlosen und unmotivierten menschen bedient oder verprügelt. oder verzweifelt an der bedienung von automaten und packstationen oder bei gesprächen mit callcentern-agenten.

es geht natürlich auch ne nummer kleiner: viele grosse unternehmen scheinen nicht zu verstehen, dass das geld was sie in PR-berater und agenturen stecken, das image das sie durch das sparen am service-personal verlieren, nicht wettmacht. im gegenteil.

witzig bis höhnisch fand ich auch, dass gerade heute, wo der postmann zum zweiten mal nicht klingelte, ein flyer von DHL im briefkasten lag, mit dem DHL „flexible“, „zuverlässige“ und die „deutsche sprache“ beherrschende aushilfen sucht. keine ahnung ob das ne neue DHL-philosophie ist (zuverlässig, flexibel, deutsche sprache beherrschend), ironie oder ein echter hilferuf ist:

kommen sie in unser team!