volkspartei internet

felix schwenzel, , in wirres.net    

heute nachmittag habe ich mit kai biermann telefoniert. das ergebnis diese telefonats kann man, unter anderem, auf zeit.de nachlesen:

Denn es ist nicht "das Netz", das dort seine Meinung ausdrückt und sich einen anderen Bundespräsidenten wünscht. So etwas zu behaupten, würde die Wahrnehmung in eine völlig falsche Richtung lenken, ja den politischen Willen sehr vieler negieren. Bedeutete es doch, dieses Interesse ein paar verirrten "Netzmenschen" zuzuschreiben, die Hobbits gleich ein verstecktes Leben unter uns führten, wie Blogger Felix Schwenzel sagt. "Das Netz" aber seien längst wir alle, es ist "die wahre Volkspartei, denn dort sind alle Schichten vertreten".

mit dem zitat habe ich, obwohl es nicht autorisiert wurde, überhaupt kein problem, es gibt das was ich gesagt habe angemessen wieder. dennoch möchte ich es in einen kontext stellen. denn vor allem habe ich das was ich gesagt habe, auf die frage, ob ich glaube, dass das netz etwas verändern könne, geantwortet. mein gedanke dazu war, dass das netz einzelnen, vielen einzelnen eine stimme verleiht. diese stimmen, die durch das netz hörbar oder sichtbar werden sind nicht immer stimmen die dem politischen konsens entsprechen, sie können durchaus blöd, antisemitisch, wenig durchdacht oder eben auch dem zeitgeist der massenmedien entsprechen — aber sie sind niemals stimmen aus dem netz, sondern immer stimmen von menschen, von bürgern.

dass diese stimmen früher ungehört verhallt sind oder in den mülleimern der redaktionsstuben landeten, heisst nicht dass sie vorher nicht vorhanden waren. sie waren nur still. jetzt sind sie laut — und nicht immer angenehm. und so wie man früher die stimmen, die sich versuchten gehör zu verschaffen, durch die verbindung zu bestimmten orten zu diskreditieren versuchte („stammtisch“, „gosse“, „strasse“, „leserbriefe vom schreibtisch eines oberstudienrates“), versucht man das jetzt auch, indem man sie als aus dem „netz“ stammend beiseite wischt. dass mittlerweile ungefähr jede bevölkerungsgruppe im „netz“ vertreten ist, dass sich dort menschen aus alle sozialen schichten versammeln, ignoriert man gerne und tut so, als seien menschen im netz eine eigene art menschen, hobbits gleich, die mit grossen füssen in einer traumhaft schönen phantasiewelt leben.

den anspruch den die grossen volksparteien an sich selbst stellen, menschen aus allen schichten eine gemeinsame stimme zu verleihen, verlieren die volksparteien zunehmend. und das netz schickt sich an genau diese lücke zu füllen.

[nachtrag 08.07.2010]
interessanter vortrag des grünen robert heinrich über soziale netzwerke „als Seismograph, die Macht der vernetzten Unterstützer, wachsende Wechselstimmung und charismatische Mobilisierung“ auf carta.