demokratische legitimierung

felix schwenzel, , in wirres.net    

süddeutsche.de:

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, hält die Proteste gegen das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 für nicht gerechtfertigt. "Ein Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht", sagte Grube der Bild am Sonntag. Das Bauprojekt sei demokratisch ausreichend legitimiert. "Bei uns entscheiden Parlamente, niemand sonst. Unsere frei gewählten Volksvertreter haben das Dutzende Mal getan: im Bund, im Land, in Stadt und Region. Immer mit großen Mehrheiten", sagte Grube.

seit gestern abend muss ich zwanghaft an demokratisch legitimierte dinge denken, dinge gegen die es deshalb laut rüdiger grube auch kein „widerstandsrecht“ gäbe oder gegeben habe:

  • so waren homosexualität und ehebruch in deutschland demokratisch legitimiert bis 1969 strafbar. vergewaltigung in der ehe war bis 1997 sowohl demokratisch legitimiert als auch straffrei. meint grube ernsthaft, die schwulen und die frauen hätten dagegen keinen widerstand leisten dürfen?
  • die bombardierung hunderter menschen und zweier tanklastzüge in der nähe von kundus war, soweit ich sehe, demokratisch legitimiert. meint grube deshalb, dass man kriegshandlungen widerstandslos hinnehmen sollte?
  • die europäischen zug-zulassungskosten sind europaweit demokratisch legitimiert. grubes vorgänger hat sie trotzdem deutlich kritisiert, genauso wie die entscheidung gegen einen börsengang der bahn. hält grube sich neuerdings bei der politischen einflussnahme zurück, um den demokratischen kräften von lobby-interessen unverfäscht ihren lauf zu lassen?
  • in den USA sind und waren waterboarding, guatanamo bay oder der vietnam-krieg durchaus ausreichend demokratisch legitimiert. trotzdem schaden oder schadeten sie der demokratie und dem ansehen des landes. auch die rassentrennung in den USA war demokratisch legitimiert und gesetzlich festgelegt. hatten die schwarzen in den USA deshalb kein widerstandsrecht? hätte rüdiger grube das niederknüppeln schwarzer protestierender damals gutgeheissen?

rüdiger grube hat ein verschrobenes demokratieverständnis. gewaltenteilung und scheint darin kein thema zu sein. immerhin glaubt grube von sich selbst, dass er durch seinen lebensweg werte wie „glaubwürdigkeit“ oder „respekt“ verinnerlicht habe. das mit der glaubwürdigkeit sollte er nochmal überdenken.

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[nachtrag 15:00h]
antje schrupp hat meiner meinung nach sehr passend zu den themen „macht“ und „legitimierung“ geschrieben und hoi polloi hat den „bundesbahnpräsidenten“ schön illustriert.

[nachtrag 18:15h]
Der frühere Verfassungsrechtler Ernst-Gottfried Mahrenholz spricht im Interview über das Vorgehen der Polizei in Suttgart, die Frage der Verhältnismäßigkeit und einen möglichen Baustopp.“ [via]