next11, tag 1, teil 1

felix schwenzel, , in wirres.net    

next11

wenn die republica „Professionalitätsverweigerung“ ist, ist die next11 dann wohl amateurverweigerung. stimmt natürlich nicht. beides. sowohl die analyse von martin recke, der jedes jahr zur republica versucht die unterschiede zwischen der republica und der next (und deren publikum) herauszuarbeiten, als auch meine ergänzung. letztes jahr war martin reckes differenzierung „feuillton“ vs. „wirtschaftsteil“, dieses eben jahr „professionalitaetsverweigerung“ vs. „professionalität“.

next11

was stimmt: sowohl die next selbst, als auch die besucher und sprecher der next legen grossen wert darauf professionell zu erscheinen. das wirkt wenn deutsche englische vorträge halten leider manchmal ein bisschen stümperhaft, funktioniert aber sonst in fast allen bereichen: sauber organisiert, gute sprecherliste, gute versorgung mit essen, trinken und internet, professionelle kamerateams die die sessions aufnehmen und nur wenige fehler, wie flackernde präsentationen im hauptsaal im „bright data, big city“-track.

auch um die presse wird sich rührend gekümmert. hier ein bild des „press room 2“.

press room 2

aber eigentlich fiel mir was ganz anderes auf. der professionalitätsverweigerung der republica steht eine gewisse kulturverweigerung der next gegenüber. hier gehts halts ums geschäft. vor allem um werbung. das wurd mir vor allem beim letzten panel das vom ADC kuratiert wurde klar. so erzählte beispielsweise dan rollman von seiner idee beliebige rekorde aufzuzeichnen. das können quatschrekorde sein wie die meisten achsel-furze in 30 sekunden oder die meisten bleistifte die sich je jemand in den mund steckte. die idee entwicklete dan rollman für das „burning man festival“ in der wüste von nevada, das laut wikipedia nicht nur „eine große Kunstausstellung, sondern auch ein Ort intensiver Selbstdarstellung und eine große Party“ ist — und meiner wahrnehmung nach ziemlich unkomerziell.

kurz, die idee hat einiges was sie extrem sympathisch macht. es geht um völlig sinnlose dinge, sie inspiriert viele menschen sich sinnlose dinge auszudenken, macht sich über das leistungsdenken und die ernsthaftigkeit älterer rekord-datenbanken lustig und ist irgendwie durch und durch sympathisch — und eben, könnte man denken, professionalitätsverweigernd. nun ist dan rollman aber werber und damit eben auch kein professionalitätsverweigerer. er zeigte, nachdem er sein projekt bis dahin unfassbar sympathisch dargestellt hatte, einen werbefilm für das „Prius Records“-projekt. plötzlich war vor lauter werbemüllsprache, offensichtlich günstig angeheuerten schauspielern und pseudoironischem humor der charme und die glaubwürdigkeit des projekts im arsch. leute mit tribal-tatoos auf dem steissbein werden sich möglicherweise über sowas kaputtlachen können — ich nicht so sehr.

professionell im reckschen sinne ist urdb.org. man verdient geld, kann sich eine glattes corporate design leisten, die werberkollegen mit leckeren präsentationen beeindrucken und das next-publikum mit einem furchtbar pathischen urdb.org-twitter-weltrekord-versuch zu beeindrucken und gleichzeitig was fürs eigene herz zu tun.

ich halte mich übrigens für einen überqualifizierten dilettanten. in allem was ich tue.

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ganz grossartig fand ich übrigens kevin slavin von area/code. er schlug einen bemerkenswerten bogen schlug, von tarnkappenbombern und antitarnkappen-technologie, über die algorithmen für finanztransaktionen, die einerseits versuchen grosse transaktionen zu tarnen und andererseits solchermassen getarnte transaktionen aufzuspüren, über immobilienpreise, genetische algorithmen. ein bisschen schirmacher, ein bisschen „minority report“, ein bisschen spackeria.

im gegenteil zu schirmacher hatte kevin slavin aber eine menschliche waffe gegen die allmacht der algorithmen parat: analog zur astologie: daten ignorieren und geschichten, statt daten lieben. sehr inspirierend und einen eigenen kleinen artikel wert.

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sehr grossartig auch, dass zur next auch vertreter der alten medien anwesen waren.

oldmedia

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ich verlasse meine zelle (bild von benjamin nickel) jetzt kurz und trinke ein bier, bevor ich später weiterschreibe und das was ich oben schrob vielleicht auch mal gegenlese.

press room 2

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