wired

felix schwenzel

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ich glau­be die wired las ich 1996 zum ersten­mal. da­mals stu­dier­te ich in stutt­gart ar­chi­tek­tur und im stutt­gar­ter bahn­hof konn­te man sie sich für ei­nen apo­the­ken­preis von ich glau­be 20 oder 25 DM kau­fen. das heft war so voll­ge­pfropft mit wer­bung, dass man sich erst durch 10 dop­pel­sei­ten wer­bung kämp­fen muss­te, bis man über­haupt beim in­halts­ver­zeich­nis an­ge­kom­men war.

ich moch­te die wired im­mer sehr. lei­der konn­te ich sie mir we­gen des as­tro­no­mi­schen ki­osk-prei­ses nicht re­gel­mäs­sig kau­fen. wenn ich mich recht er­in­ne­re hat die wired auch schon in der dunk­len web­früh­zeit ihre kom­plet­ten aus­ga­ben on­line ge­stellt. rich­ti­gen le­se­spass mach­te aber nur das heft. on­line wars nur halb so gut, was ne­ben dem mit­tel­mäs­si­gen web­de­sign auch dar­an ge­le­gen ha­ben könn­te, dass man die wired da­mals nicht auf dem klo oder im bett oder im café le­sen konn­te, da com­pu­ter da­mals fast aus­schliess­lich mit klo­bi­gen röh­ren­mo­ni­to­ren ver­bun­den wa­ren.

da­mals war das heft den trends er com­pu­ter und netz­welt je­weils weit vor­aus. in letz­ter zeit he­chelt das blatt auch den trends hin­ter­her, wie alle an­de­ren.

zum bei­spiel der an­geb­li­che „push“-trend. der ti­tel­ge­schich­te vom märz 1997 hat mir da­mals schlaf­lo­se näch­te be­rei­tet, so sehr habe ich über das dort ge­schrie­be­ne nach­ge­dacht.

Sure, we'll always have Web pages. We still have postcards and telegrams, don't we? But the center of interactive media - increasingly, the center of gravity of all media - is moving to a post-HTML environment, a world way past a Web dominated by the page, beyond streamed audio and video, and fast into a land of push-pull, active objects, virtual space, and ambient broadcasting. You might not want to believe us, but a place where you can kiss your Web browser goodbye.

auf ei­ner sehr abs­trak­ten ebe­ne mag wired ir­gend­wie recht ge­habt ha­ben, da der ar­ti­kel sich aber nicht all­zu­sehr mit dem abs­tra­hie­ren auf­hielt, kann man klar sa­gen: wired lag da­mals (und heu­te) kom­plett falsch. die tech­no­lo­gien von de­nen wired da­mals schrob sind alle ver­schwun­den. das web, aber auch alle an­de­ren tech­no­lo­gien die sich des in­ter­nets be­die­nen funk­tio­nie­ren nach wie vor über das an­for­dern von in­hal­ten. selbst das fol­lower-prin­zip hat dar­an nicht viel ge­än­dert.

kei­ne ah­nung ob ich mich da­mit jetzt zu weit aus dem fens­ter leh­ne oder ob die the­se zu steil für mein wis­sen ist, aber so­weit ich weiss, funk­tio­niert die welt ins­ge­samt eher über sog als druck. sog (oder un­ter­druck) ist ein­fach ef­fek­ti­ver als druck.

manch­mal liegt wired auch gold­rich­tig und schreibt ge­nau die trends hoch, die ge­ra­de auf­stei­gen.

aber letzt­end­lich ist das mit dem recht ha­ben oder falsch lie­gen auch egal. wired hat den mut zu schei­tern. the­sen, so steil dass nor­ma­le jour­na­lis­ten sie nicht­mal zu den­ken wa­gen, pack­ten die jour­na­lis­ten von wired aufs ti­tel­blatt. das heft trief­te, zu­min­dest frü­her, vor lei­den­schaft und lust. lust und lei­den­schaft an tech­no­lo­gie, kul­tur und le­sens­wer­tem jour­na­lis­mus. gros­se bil­der, gros­se sto­rys und in­ter­views mit den klügs­ten köp­fen der welt.

und urls die auch nach 8 jah­ren noch funk­tio­nie­ren.


und jetzt soll es eine aus­ga­be wired auf deutsch ge­ben? nur eine? ja nur eine. tho­mas knü­wer, der das eine heft als chef­re­dak­tuer ent­wick­lungs­re­dak­teur ver­ant­wor­ten wird, sagt: „lasst uns doch erst­mal das eine Heft ma­chen und schau­en, ob es den Le­sern ge­fällt?“

lei­den­schaft sieht an­ders aus. die lust ein re­gel­mäs­si­ges, gei­les heft zu ma­chen, mit gros­sen the­men, stei­len the­sen, gross­ar­ti­gen au­toren scheint schon im keim durch das von tho­mas knü­wer sonst im­mer so lei­den­schaft­lich kri­ti­sier­te kis­sen­pup­ser-bü­ro­kra­tie-di­ckicht von gross­ver­la­gen er­stickt zu wer­den. hat­ten wir schon das eine oder an­de­re mal. gru­ner und jahr stell­te nach nur 13 aus­ga­ben den konr@d ein. der ma­na­ger-ma­ga­zin-ver­lag stellt die ec­o­ny (spä­ter brand­eins) nach nur zwei aus­ga­ben ein. con­dé nast deutsch­land fuhr die deut­sche va­ni­ty fair be­reits nach zwei jah­ren ge­gen die wand.

statt sich zu fra­gen wie man ein gross­ar­ti­ges blatt ma­chen kann: schaun mer mal.

aber viel­leicht ist die vor­sicht ja auch be­rech­tigt. ur­ban­de­si­re schrob be­reits 2006 über das ende von konr@d:

Heute machen wahrscheinliche Weblogs ein solches Magazin nahezu überflüssig.

und ich muss sa­gen, ich fürch­te da ist viel­leicht so­gar was dran. zu­min­dest die web­logs der wired er­re­gen bei mir mehr auf­merk­sam­keit als das heft selbst. hin und wie­der stösst das ma­ga­zin dis­kus­sio­nen an, die mich dann auch wie­der über blogs er­rei­chen. der ver­such dampf und rauch aus der netz­welt auf pa­pier kon­den­sie­ren zu las­sen, so dass er le­sens­wer­ter als der dampf und rauch dau­er­be­schuss im in­ter­net wird be­nö­tigt schon ei­ni­ges an (jour­na­lis­ti­scher) kön­ner­schaft und lei­den­schaft.

kann man ja mal pro­bie­ren. oder um es mit sa­scha lobo aus­zu­drü­cken:

Um es nicht mit Adenauer zu sagen: Was wir jetzt nicht brauchen, sind keine Experimente.


apro­pos lobo. der ge­hört nicht zum re­dak­ti­ons­team der deut­schen wired. sagt knü­wer. die fra­ge nach pe­ter gla­ser wur­de noch nicht in den faqs ge­stellt. aber der fühlt sich in sei­nen blogs (1, 2, 3) ja auch ganz wohl. an­de­rer­seit hat gla­ser so­wohl bei konr@d, als auch der tem­po kräf­tig mit­ge­mischt — und wür­de ei­ner deut­schen wired si­cher gut tun.

wie sa­scha lobo.

ich bin ja be­ken­nen­der lobo-fan. so ganz all­ge­mein. im spe­zi­el­len mag ich sei­ne ko­lum­ne auf spie­gel on­line. und al­lein die letz­te aus­ga­be sei­ner ko­lum­ne zeigt, dass er in­tel­li­gent und wit­zig ge­nug über die ver­netz­te welt schrei­ben kann um ei­nem ma­ga­zin die nö­ti­ge in­ter­essanz zu ver­lei­hen.

sa­schas neo­lo­gis­men und wort­kom­bi­na­tio­nen wür­de ich ger­ne auch mal in der ba­de­wan­ne le­sen, also auf pa­pier. hier ein paar bei­spie­le aus der ak­tu­el­len ko­lum­ne:

„ver­buz­z­wor­ten“:

Allerdings liegt bei der NEGS die Betonung klar auf E-Administration und weniger auf E-Democracy, wie Digitale Demokratie heißt, wenn sie verbuzzwortet wird.

„me­di­en­hu­pen“:

Martin Lindner - nicht der medienhupende FDP-Politiker gleichen Namens, sondern einer der sachkundigsten deutschsprachigen Forscher zu Netz und digitaler Öffentlichkeit aus Freising - schreibt in dem kostenlos downloadbaren Buch Reboot_D - Digitale Demokratie.

aus­ser­dem be­nutz­te sa­scha die schö­nen wor­te „hin­terher­for­schen“ und „un­ter­kom­mu­ni­zie­ren“ und das lobo-zi­tat oben stammt eben­falls von die­ser wo­che.

und was sa­scha lobo auch kann: jede ver­damm­te wo­che ei­nen text ab­lie­fern der was taugt, nicht nur fer­tig wird, son­dern auch noch tref­fend, auf den punkt und ein biss­chen wit­zig ist. nicht mal ei­nen text schrei­ben und dann mal schaun. son­dern wo­che für wo­che. auf gleich­blei­bend ho­hem ni­veau.

und wenn der spie­gel es schaf­fen wür­de nicht nur sa­scha lobo dazu zu brin­gen jede wo­che (alle zwei oder drei wo­chen wür­de mir auch rei­chen), son­dern auch pe­ter gla­ser, mal­te wel­ding, don dah­l­mann, chris­toph kap­pes oder det­lef bor­chers schrei­ben zu las­sen, wozu dann noch ne deut­sche pa­pier­aus­ga­be der wired?

ach ja. fürs klo. und die ba­de­wan­ne. und zum ex­pe­riemn­tie­ren. und viel­licht klappt das ja noch mit der lei­den­schaft. viel­leicht auch ohne die bü­ro­kra­ti­schen kis­sen­pup­ser, re­chen­schie­ber, lei­den­schafts­brem­ser und me­di­en­hu­pen von con­dé nast. lei­den­schaft und ge­lin­gen (und nicht all­zu­viel pa­thos und ver­buz­zwor­tung) wünsch ix tho­mas knü­wer auf je­den fall.


[nach­trag 17.06.2011]
jür­gen viel­mei­er hat sich was aus­ge­dacht:

“Wired” ist ein Magazin, das der Verleger Condé Nast im Januar 1993 zum ersten Mal auf den US-Markt brachte. Damals war das Internet mit dem World Wide Web gerade kommerziell geworden und die Welt war mittendrin im Internet- und PC-Boom.

so­wohl der ers­te, als auch der zwei­te satz sind na­tür­lich schwach­sinn. der zwei­te aus sprach­äs­the­ti­schen grün­den, der ers­te aus in­halt­li­chen: con­dé nast hat wired 1993 nicht „auf den markt ge­bracht“, son­dern con­dé nast hat wired 1998 ge­kauft. ge­grün­det wur­de wired von ei­ner grup­pe um lou­is ros­set­to und jane met­cal­fe, die spä­ter als „wired ven­tures“ be­kannt wur­de (quel­le, dort ist auch ein se­hens­wer­ter film zur ge­schich­te von wired ein­ge­bet­tet).

[ge­nau­so­we­nig hat 2004 üb­ri­gens on­line­kos­ten.de ba­sic­thin­king.de auf den markt ge­bracht.]

[11:41 uhr: jür­gen viel­mei­er hat die con­dé-nast-auf-den-markt-bring-fan­ta­sie kor­ri­giert.]


[nach­trag 17.06.2011, 10:37]
ich höre lei­se kla­gen, bei mei­ner au­toren­lis­te nicht an frau­en ge­dacht zu ha­ben. was ich tat­säch­lich un­er­hört fin­de: dass mir ges­tern abend nicht kat­rin pas­sig als au­torin ein­ge­fal­len ist. dan­ke für die er­in­ne­rung. kat­rin pas­sig ge­hört na­tür­lich oben in die lis­te und könn­te die wired.de auch al­lei­ne fül­len (von der in­ter­essanz her).