content-mafia

felix schwenzel, , in wirres.net    

tolle überschrift, dachte ich als ich gestern von summify eine empfehlung von diesem artikel von johnny haeusler sah:

Content-Mafia

kurz vorher hate ich diesen spon-artikel gelesen, in dem die empörung im internet beschrieben wurde, die die äusserungen des chefs des filmindustrieverbandes MPAA chris dodd hervorriefen, als der drohte, obama künftig keine spenden mehr für seinen wahlkampf zu geben, weil obama sich gegen ein das SOPA-gesetzesvorhaben ausgesprochen hatte.

offensichtlich glaubt dodd, dass die tatsache, das man politiker unterstützt und diese unterstützung mit der künftigen verfolgung der eigenen interessen verknüpft irgendwie normal sei. soweit ich weiss ist es auch in der amerikanischen politik üblich, dass politiker sich dem wohl des volkes verpflichten und nicht dem wohl ihrer finanziellen unterstützer. in deutschland, das habe ich zumindest in der schule gelernt, ist ein abgeordneter im bundestag seinem gewissen verpflichtet — und nicht seinen spendern oder sonstwem.

die haltung die aus dodds äusserungen spricht, empfinde ich in der tat mafiös. alles was ich aus medien, film und fernsehen über die mafia weiss folgt dem gleichen muster: ich helfe dir, du hilfst mir, aber wenn du nicht loyal bist, bist du am ende.

laut wikipedia definiert sich bestechung so:

Bestechung begeht, wer einem Amtsträger (Wahlamt, Beamter, Angestellter im öffentlichen Dienst usw.), einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr als Gegenleistung dafür, dass er eine Amtshandlung vorgenommen hat oder künftig vornehmen wird, einen Vorteil für sich oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt.

anders gesagt: wer spenden oder finanzielle unterstützung an bedingungen oder vorteilsgabe knüpft, begeht bestechung. dass genau das in den USA gängige praxis ist mag sein, aber der widerstand gegen diese schändliche praxis beginnt sich dort gerade zu formen. zumindest die etwas helleren menschen dort beginnen zu erkennen, dass etwas am system faul sein könnte.

obwohl mike masnik genau dieses problem das lawrence lessig und jon stewart kürzlich diskutierten, so zusammenfasst

The key point is not -- as some assume -- that money buys results, but that money buys access and attention, and Congress knows this.

zeigt sich spätestens durch die äusserungen dodds, dass spender etwas mehr als zugang und aufmerksamkeit erwarten.

und das ist auch das hauptproblem mit SOPA/PIPA. es ist eine gesetzgebung die ausschliesslich die interessen einer kleiner gruppe mit bestimmten wirtschaftlichen interessen berücksichtigt. formal demokratisch legitimiert, faktisch aber an der öffentlichkeit und ihren interessen vorbei.

das waren so in etwa meine gedanken, als ich johnny haeuslers überschrift las. dass johnny haeusler aber etwas ganz anderes in seinem artikel behandelte, nämlich die verharmlosung von kim schmitz und seinem megaupload-dings durch die piraten und anderen und schlussfolgerte

Sollten sich die Vorwürfe gegen Kim Schmitz und Kumpanen bewahrheiten, gibt es mindestens zwei Definitionen für den Begriff „Content-Mafia“.

hat mich dann doch ein bisschen enttäuscht, weil er über die andere art der definition für content-mafia nichts sagte.

ich glaube auch, dass wir es mit zwei arten von content-mafia zu tun haben. die einen wie kim schmitz, die (vermutlich) rechte anderer missachten und rücksichtslos für ihre eigenen profite nutzen und die anderen, die ihre rechte auch rücksichtslos gegen die (bürger-)rechte und interessen anderer durchzusetzen versuchen, um ihre profite zu maximieren.

beide „content-mafias“ sind extreme, an gegenüberliegenden polen und beide haben augenscheinlich jedes mass verloren. die content-industrie möchte gerne leicher filtern, inhalte entfernen und hinz und kunz noch einfacher verklagen können, die anderen glauben alles sei OK was geht. völlig grössenwahnsinnig und in ihrer selbsteinschätzung komplett allem irdischen entrückt, sind beide.

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und dann war da noch christoph keese. der meint, dass eine gesetzesinitiative, die es rechteinhabern noch leichter macht leute zu verklagen, inhalte aus dem netz zu entfernen und eine zensurinfrastruktur aufzubauen, sei eine prima sache, „maßvoll und durchdacht“. er „analysiert“ den gesetzentwurf auf vielen seiten in seinem „privaten“ blog, in dem er auch hin und wieder gegen urheberrechte verstösst. keese verharmlost die gesetzesvorlage nach kräften, behauptet, dass sich das gesetz ausschliesslich auf ausländische seiten beziehe und ohnehin vorhandene rechte der rechteinhaber gegen „Netzpiraterie“ stärke. auch ein missbrauch sei so gut wie ausgeschlossen.

ich habe keeses text gelesen, werde mich aber nicht auf allzuviele details eingehen, ich will nämlich heute abedn noch eine DVD die ich mir privat geliehen habe ansehen. aber drei dinge sind mir aufgefallen:

einerseits argumentiert keese, wie gesagt, dass das gesetz ausschliesslich ausländische seiten betreffe:

Wichtig an dieser Stelle ist vor allem die Definition von „Foreign Internet Site“, denn die neuen SOPA-Rechte des Staates gegen Piraten erstrecken sich ausschließlich auf ausländische Seiten.

aber wie kann man technisch oder juristisch unterscheiden ob eine site „ausländisch“ ist? am domainnamen? bit.ly ist keine lybische site, sondern eine amerikanische, obwohl ihr domainname nicht in amerika registriert ist. und ist beispielsweise axel-springer.nl ein niederländisches unternehmen, weil es eine niederlänsische domain benutzt?

dann verharmlost er die neuen zivilrechtlichen klage-rechte, die der gesetzentwurf rechteinhabern einräumt:

Amerikanischen Rechteinhabern wird damit das Recht eingeräumt, zivilrechtliche Ansprüche, die sie heute schon haben, auch gegen die inländischen Geschäftspartner ausländischer Webseiten durchzusetzen, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sich. [schreibfehler ausnahmsweise nicht von mir, sondern von keese]

seiten die piraterie ermöglichen, egal ob inländisch oder ausländisch können in grund und boden geklagt werden. wer nicht die mittel für eine schlagkräftige rechtsabteilung hat, sollte künftig lieber die finger von websites lassen, die nutzerinhalte erlauben. denn jeder link auf beanstandete seiten der von benutzern gepostet wird, öffnet die möglichkeit für rechteinhaber zu klagen. das kann man unter anderem hier nachlesen. oder hier.

viel rätselhafter aber ist, warum christoph keese zwar die gesetzesvorlage fleissig „analysiert“, aber nicht ein wort, nicht einen gedanken daran verschwendet, was diese netzpiraterie denn nun eigentlich ist, wie piraterie genau definiert ist? oder wer ist ein pirat? bereits jetzt können rechteinhaber familien-videos von youtube entfernen lassen, wenn im hintergrund urheberrechtlich geschütze musik läuft. das amerikanische FBI kann die verhaftung von deutschen staatsbürgern in neuseeland verlassen, wenn der verdacht besteht, dass sie urhebrrechte verletzt haben. aber wo läuft die grenze zwischen herrn kunz der sein baby filmt während das radio läuft und auf youtube lädt und kim schmitz? ist keese ein pirat, weil er auf mario sixtus’ urheberrecht scheisst und gegen seine lizenzbedingungen verstösst? wo ist der unterschied zwischen dem bereitstellen von torrent-dateien oder suchergebnissen und journalisten die auf facebook oder in anderen medien öffentlich einsehbare fotos klauen um ihren boulevard-scheiss zu illustrieren?

was ist piraterie? wer sind die piraten die es zu bekämpfen, zu filtern oder zu verklagen gilt? warum reichen die vorhandenen gesetze nicht aus (mit denen man bereits erfolgreich gegen kino.to, axel-springer-bilderklau oder megaupload vorgehen kann), bzw. warum werden im gegenteil die gesetze nicht so stark vereinfacht, dass auch journalisten wie christoph keese sie verstehen und beispielsweise fotos lizenzrechtlich einwandfrei verwenden können ohne in die fallen des urheberrechts zu tappen? /via rivva.

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[nachtrag 25.01.2012, 01:12h]
netzpolitik:

Aussagen von MPAA-Chef Chris Dodd, der den direkten Zusammenhang zwischen dem Geldfluss an Politiker und der Unterstützung der Gesetzesvorhaben durch diese bestätigte, hatten denn auch eine Petition mit derzeit knapp 27.000 Unterzeichnern zur Folge, in der das Weiße Haus aufgefordert wird, gegen Dodd wegen Bestechung zu ermitteln.

[nachtrag 25.01.2012, 21:06h]
cduwatch.de: „CDU-Abgeordnete befürworten SOPA / PIPA