jakob augstein hat das verkaufen verlernt

felix schwenzel, , in wirres.net    

jakob augstein meint, dass leser ohne journalisten und verlage verdummen:

Wenn Journalismus eine Zukunft haben soll, muss der Leser zahlen. Aber der Leser hat im Netz das Zahlen für Inhalte verlernt. Inhalte sind der freiverfügbare Rohstoff der Online-Welt. Ungeachtet ihrer Qualität. Das ist gefährlich. Die Verlage werden ihren Lesern den Unterschied zwischen Qualität und Quantität wieder beibringen müssen.

vor begeisterung für sich selbst und andere menschen die in deutschland mit der staatstragenden rolle der „Herrschaftskontrolle“ betraut sind, übersieht jakob augstein einen wichtigen aspekt: leser zahlen bereitwillig für inhalte wenn das möglich, einfach und nicht völlig überteuert ist.

amazon verkauft 54 schrillionen* ebooks jährlich, apple wahrscheinlich etwas weniger (vermutlich 20 schrillionen*). dafür verkauft apple mehr „Inhalte“ die man nicht nur lesen kann, sondern auch ansehen. marco arment hat gerade sein profitables magazin verkauft, für das anfang des jahres bereits 25tausend leser $1,99 pro monat bezahlten. auch für die inhalte von spielen zahlen die leute wie bekloppt. ich könnte mit 10 minuten recherche mindestens 156* beispiele finden, die belegen wie geil die leute darauf sind, online für inhalte geld zu bezahlen — und es auch tun.

nein, das problem sind nicht die leser die ohne die anleitung von journalistischen wegweisern verblöden und verlernen für qualität zu zahlen. das problem sind die verlage die für einzelartikel im online-einzelverkauf meinen mehrere euro abrufen zu können, die selten faire und niedrigschwellige abo-pakete anbieten und oft die gleichen absurden kündigungsfristen und abo-bedingungen anbieten wie bei ihren print-pendants.

das problem sind nicht leser die etwas verlernen, sondern leute wie jakob augstein, die keine attraktiven angebote gebacken bekommen. mich erinnert das ein wenig an die betreiber von elektro-kaufhäusern, die sich darüber beklagen, dass ihre scheiss-werbung nicht mehr funktioniert und die kunden bei der günstigeren und bequemeren konkurrenz kaufen. ich weiss auch nicht warum augstein und andere leute die auf ihren produkten sitzen bleiben so selten das eigene versagen thematisieren und stattdessen glauben, dass die fliehenden kunden erzogen werden müssten. ist das arroganz oder dummheit — oder etwas ganz anderes?

*) ausgedachte zahlen

* * *

christian stöcker auf spiegel online über den hamburger mediendialog:

Optimismus, was die mediale Zukunft angeht, kam in Hamburg übrigens von unerwarteter Seite. Musik-Lobbyist und Urheberrechtsvorkämpfer Dieter Gorny etwa rief den zweifelnden Verlagsmanagern im Saal zu: "Die Leute kaufen!" Bezahlmodelle im Internet könnten also durchaus funktionieren, das habe seine eigene Branche mittlerweile festgestellt. Später sekundierte Joachim Birr vom Bundesverband Audiovisuelle Medien: "Der Kunde ist bereit, für Content zu zahlen."

* * *

stadt-bremerhaven.de: Musik: Illegales Laden schadet der Branche nicht; ich weiss zwar nicht warum man studien durchführen muss die zeigen, dass legale angebote genutzt werden wenn sie vorhanden sind und das sie nicht genutzt werden, wenn sie nicht vorhanden sind — aber solche untersuchungen zeigen immer wieder, dass jakob augstein irrt.

* * *

stefan niggemeier schreibt heute (2. juni) in der FAS über springers digital-strategie und jakob augsteins irrige annahme, dass die zukunft des spriner-verlages und der „bild“-zeitung im netz irgendetwas mit der zukunft des journalismus und der demokratie zu tun habe:

Es ist ein rührend naiver Glaube, dass die „Bild“-Zeitung, weil sie diese Riesenreichweite hat, einen Kulturwechsel auslösen könnte, der die Menschen mit einem Mal sagen lässt: Ja, ach so, Journalismus stimmt, dafür sollten wir auch online zahlen; besser ist das, für uns, den Journalismus, die Demokratie, dann hol ich mir zum „Bild“-Digitalabo jetzt auch das „Freitag“-Digitalabo. Jedes Medium wird eigene Modelle finden müssen, sich in der digitalen Welt zu finanzieren, eigene Argumente und Angebote, wenn es seine Leser überzeugen will, dafür zu zahlen.

online ist davon noch nichts zu sehen, auf papier ist es aber soweit ich weiss an jeder hausecke zu bekommen. seit montag auch online.