die hellsten köpfe sagen „fickgesicht“ und nicht „hinterfotziges arschloch“

felix schwenzel, , in wirres.net    

jan fleischhauers kolumne aus der vogelperspektive

nachdem vor ein paar tagen matthias matussek meinte, dass in den USA alles besser sei, vor allem das fernsehen, als in deutschland, hat jetzt jan fleischhauer in das gleiche horn gestossen. matussek deutete an, dass er in der daily show bestimmt nicht beleidigt worden wäre, weil dort „profis“ und „könner“ arbeiteten, statt dumpfbacken wie krömer:

Ich empfehle dringend, sich andere Late-Nights reinzuziehen, Formate wie die Daily Show mit Jon Stewart, die besonders die junge Zielgruppe binden - die sind tatsächlich unterhaltsam und intelligent, ohne „Arschloch“ und Puff-Witze.

Warum? Weil hier von Könnern und Profis an Pointen gearbeitet wird und an Recherchen über die Gäste, statt auf Momente des Fremdschämens zu hoffen. Weil Gespräche geführt werden, mal mehr, mal weniger geistreich, statt den Mob grölen zu lassen.

genauso wie matussek greift jan fleischhauer auf spiegel online die RBB-intendantin dagmar reim an, dass sie jemanden wie krömer ungestraft fernsehen machen lässt und stellt jon stewart als leuchtendes beispiel der intelligenten und professionellen fernsehunterhaltung dar:

In den USA ist die Late-Night-Show eine Gattung, die mit Rücksicht auf die vorgerückte Stunde nur die hellsten Köpfe beschäftigt. Die traurige Wahrheit ist hierzulande, dass jemand wie die RBB-Intendantin Reim Jon Stewart für einen 1993 verstorbenen Schauspieler hält und "Late Night" für eine Erfindung von Hans-Joachim Kulenkampff.

statt jemanden „hinterfotziges arschloch“ zu nennen, hat jon stewart kürzlich donald trump „fickgesicht“ („fuckface von clownstick“) genannt. na gut, die „könner“ und „profis“ der daily-show-redaktion hatten „recherchiert“, dass das donald trumps geburtsname sei. was nicht stimmt, aber irre witzig ist. viel witziger als puffwitze.

im märz nannte stewart den amerikanischen kongress, also das amerikanische parlament „verfickt inkompetent“ („fucking incompetent“) und suggerierte, dass dessen angehörige lieber rumwichsen würden als den amerikanern zu helfen („We’re the ones blacking out, while they’re all still jerking off“).

in einem sehr berühmtgewordenen gespräch in der mittlerweile abgesetzten CNN-sendung „crossfire“ (wikipedia dazu), nannte stewart einen der moderatoren „pimmel“, „arsch“ oder „schlappschwanz“, je nachdem wie man das wort dick übersetzen möchte.

in einer sendung im august des letzten jahres, nannte er einen idioten völlig zu recht ebenfalls „dick“, und nahm in der einleitung zu dieser gekonnten und professionellen pointe gleich noch einen senator wegen seines aussehens aufs korn; er deutet an, dass der senator lindsey graham, der sich wohl vehement gegen gleichberechtigung für schwule und lesben aussprach, wie eine „mittelalte lesbe“ aussehe und fragte sich ob lindsey nicht ein mädchenname sei.

was ich mit diesen bespielen eigentlich nur sagen will, was aber auch jeder der die daily show auch nur einmal gesehen hat auf anhieb erkennt: jon stewart und seine „Könner und Profis“ agieren gerne und aggressiv unter der gürtellinie. stewarts sendung piept ständig, weil sein lieblingswort „verfickt“ („fuck“, „fucking“, „fucker“, „fuckface“) nicht ungepiept über den sender gehen darf.

jon stewart als flätigen und gesitteten gegenpol zu kurt krömer darzustellen ist leider ein ausweis von völliger ahnungslosigkeit. sicherlich ist jon stewart furchtbar schlau, professionell und witzig und kann grandios interview führen (hier eine sendung in der es vornehmlich um fürze geht). aber er beleidigt menschen auch furchtbar gerne. meistens zu recht, wobei das ja auch ne geschmacksfrage ist, wer zu recht und wer zu unrecht beleidigt wird.

aber apropos professionalität; die beiden großkopferten vom spiegel bekleckern sich bei ihren angriffen auf kurt krömer und dagmar reim nicht gerade mit professionalität: der eine geht, ganz der profi, in eine sendung die er noch nie gesehen hat und von der er nichts weiss. der andere liest bei seinem kollegen, dass jon stewart ein kluger, professioneller saubermann sei und reicht das ungeprüft an die spiegel-online-leser weiter. das wirkt zwar meinungsstark, aber leider auch merkbefreit und peinlich.

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nochmal jan fleischauer:

Nur wer in der Gremienwelt der ARD großgeworden ist, kann es als Ausweis von Humor verstehen, wenn ein Moderator in seiner Sendung möglichst oft das Wort "Arsch" unterbringt, ältere Frauen fragt, warum sie nicht schon tot sind, ihnen dann einen Plastikeimer zwischen die Beine hält, um "alles abtropfen zu lassen", und sich anschließend das Mikro als Penisersatz vor den Hosenlatz klemmt.

ich fands witzig, auch ohne in der gremienwelt der ARD grossgeworden zu sein. und auch die behandlung von mary roos war nicht nur witzig, sondern trotz der kräftigen sprache, durchaus respekt- und sorgenvoll.

ich fand es früher™ auch witzig, dass harald schmidt in schmidteinander nicht nur einen „fotzibär“ hatte, sondern auch einmal norbert blüm rudi carell einlud der sich einen eimer wasser über den kopf schüttete und dann wieder die sendung verliess. oder dass schmidt sich nicht an absprachen mit seinen interviewpartnern hielt und die in der sendung zur weissglut trieb. ich finde auch craig ferguson irre witzig, den manche — völlig zu recht — als klügsten showmenschen im amerikanischen fernsehen bezeichnen. matussek und fleischhauer würden aber die professionalität, witzigkeit und klugheit von craig ferguson niemals bemerken, weil sie die sendung schon in der standup-sektion abschalten würden. ferguson kommt dort niemals ohne mindestens einen penis-, lesben-sitzreihen-witz oder billige sexualle anspielungen und anmerkungen zu seinen angeblich erregten brustwarzen aus. craig ferguson kaspert voll auf kurt-krömer-niveau herum, teilweise minutenlang unter der gürtellinie.

dem niveau der diskussion die matussek und fleischhauer hier anzuschieben versuchen, wäre enorm geholfen, wenn sie einsehen würden, dass es verschiedene arten von humor gibt und geben muss. und dass nicht ihr humor — oder genauer, seine abwesenheit — das mass der dinge ist.