wandern in berlin, teil 1

felix schwenzel, , in wirres.net    

heute früh hab ich mir gedacht: was herr nilzenburger kann, kann ich schon lange. statt allerdings tagelang durch die italienische walachei zu laufen (teil eins, zwei, drei, vier) und dabei entweder fast zu verdursten, von wölfen angefallen zu werden und teilweise kein funknetz empfangen zu können, habe ich mir vorgenommen durch die berliner walachei zu laufen. quasi die zivilisation zu erkunden, statt der natur. da kam es mir gelegen, dass die frau meines cousins (wie nennt man die, schwieger-cousine?) heute nachmittag ihren geburtstag im gegenüberliegenden teil berlins feiern wollte, in steglitz. laut google maps dauert die 13 kilometer lange strecke vom wedding nach steglitz zu fuss ca. drei stunden.

also bin ich um 14 uhr nach dem mittagessen (erbsensuppe mit schälerbsen, die leider al dente waren) losgegangen. ohne rucksack, ohne wanderschuhe, ohne proviant und wasser, nur mit meinem multifunktions-telefon und einem ladekabel. einfach im flur tschüss rufen, raus aus dem haus und immer richtung süden laufen.

gleich nach 700 metern das erste highlight der wanderstrecke, eine robocop-plastik für den frieden im belgischen viertel und die welt. umgeben von rosen, bäumen und biertrinkern (nicht im bild).

kurz danach ein gestürzter baum und jemand der im gehen sprechgesang übt (nicht im bild). das ist etwas was ich im wedding jetzt schon öfter beobachtet habe, junge, stark von männlichkeitsritualen geprägte männer, die kopfhörer auf dem kopf haben und dabei laut mitsingen rhytmisch sprechen. oder reimen. was weiss ich. auf jeden fall fotografiere ich die nicht — aus furcht danach ebenfalls wie der umgefallene baum auszusehen.

danach ging es vorbei an der beuthhochschule für technik, der charité, auf deren gelände, beim deutschen herzzentrum witzigerweise das axel-springer-gästehaus liegt und am kraftwerk moabit.

in moabit selbst gibt es offenbar bieber (oder wie herr k. vermutete, kiffer mit fressflashs). ausserdem gibt es in moabit genausoviele spielhallen und friseure wie im wedding. ich fühlte mich fast ein bisschen wie zuhause. was mich auch wunderte; ich hatte weder durst noch appetit auf eis oder döner, obwohl ich schon beinahe 4 kilometer gelaufen war.

an der spree bin ich auf einen uferweg abgebogen der angeblich bundesratufer genannt wird. der weg war schöner als der name vermuten lässt und die rasenstücke am wasser und die sitzbänke wurden intensiv genutzt. einige rucksacktouristen oder obdachlose schliefen dort, eltern mit kindern, jugendliche ohne eltern, shisha-raucher und eine frau die die flöte zu spielen schien, in echt aber nur eine calippo-eis genussvoll in den mund schob.

plötzlich war ich dann im tiergarten. bis hierhin ging alles so schnell. ich hatte immer noch keinen durst und nur eine kitzekleine lust auf speiseeis entwickelt. die verging mir aber ein bisschen am eingang zum tiergarten, an dem ein toiletten-container einen infernalischen pisse-geruch verbreitet. den bekam ich bis zum schleusenkrug nicht aus der nase und da dort auch kein „impulseis“ verkauft wird (so nennen die profis das offenbar), ging ich weiter zum bahnhof zoo.

am bahnhof zoo packte mich dann die speiseeis-gier. ich ging zu mcdonalds, aber als ich dort gefühlte 10 minuten in einer schlange stand und dabei kein befriedigendes vorankommen beobachten konnte, war mein speiseeisimpuls verflogen und ich verliess den offenbar minderwertig organisierten laden wieder und ging weiter richtung süden. am kurfürstendamm gab zum glück einen weiteren mcdonalds-outlet, der zwar auch mit schlangen vollstand, bei dem man aber am automaten bestellen konnte. die tablettbefüller die ihre anweisungen von kleinen monitoren ablasen und offenbar sehr froh waren, nicht mehr mit kunden reden zu müssen, waren ein musterbeispiel der effizienz. zumindest im vergleich zum mcdonals am bahnhof zoo. draussen verspeiste ich mein am automaten bestelltes und von stummen angestellten gezapftes softeis mit schokososse mit blick auf einen „kippenlaster“.

die hälfte der strecke hatte ich jetzt hinter mir. und ich fragte mich, was es besseres gebe, als sonntags durch die stadt zu wandern. vor allem fiel mir auf, dass ich an normalen samstagen beim einkaufen ähnliche strecken zurücklege, aber lange nicht so weit komme. mit einem ziel vor augen und einem frisch geladenen multifunktions-telefon ungehetzt, entspannt durch die stadt zu laufen, eis essen — ich glaube ich hatte mir gerade meine neue lieblingssportart ausgedacht.

(teil 2 hier)