kaffee-werbung

felix schwenzel, , in wirres.net    

jason kottke hat vor ein paar tagen einen kaffee-kult-wutausbruch von khoi vinh verlinkt. ich bin beim lesen immer wieder gedanklich abgedriftet, was mir bei zu kompliziert geschriebenen wutausbrüchen immer wieder passiert. deshalb nehme ich mal das zitat das auch jason kottkes zur zusammenfassung ausgewählt hat:

In the West, and particularly in urban centers of the United States, we've turned coffee into not just a daily habit, but a totem of conspicuous consumption. They are "rituals of self-congratulation" (a choice phrase I believe I read from Sam Sifton, but which I can't seem to source) wherein we continually obsess over certain coffee purveyors or certain methods of brewing coffee - each new one more complex, more Rube Goldbergian and more comically self-involved than the previous brewing fad.

die ritualisierung und die kultische erhöhung von menschlichen tätigkeiten erstreckt sich wirklich auf alle lebensbereiche. von der nahrungsaufnahme zum stuhlgang (schonmal moderne japanische toiletten gesehen?), von der wahl der fortbewegungsmittel zur wahl der körper- und fussbedeckung hin zur frage ob man knoblauch besser quetscht, würfelt, in scheiben oder mit oder ohne keim verarbeitet. über jede, wirklich jede entscheidung können sich menschen ausgiebig streiten, sei es die wahl des richtigen telefons, des richtigen computerbetriebssystems oder der richtigen belichtungszeit und blende bei gänseblümchenfotographie. warum sollte das gerade bei kaffee anders sein?

ich glaube, man nennt die rituale der selbstbeglückwünschung von denen möglicherweise sam sifton oder sonstwer redet, in anderen zusammenhängen auch einfach kultur. wie wir nahrungsmittel zu uns nehmen, drogen, genussmittel, wie wir uns kleiden oder fortbewegen und uns gegenüber anderen verhalten, die sich ebenfalls fortbewegen oder etwas zu sich nehmen oder kleiden, all das kultivieren und regeln wir im laufe von jahren, manchmal dekaden oder jahrhunderten. und nennen es dann kultur, konsum, ausgehen, genuss oder wie auch immer.

es gibt nicht wenige menschen die sich selbst für sehr kultiviert halten und deren regale sich vor lauter gesammelten kulturgütern biegen, die aber die nase über kulturen rümpfen die entweder zu primitiv, zu ausgefeilt, zu fremd, zu spiessig, zu hipp, zu unhipp, zu neu oder einfach zu anders zu dem was in ihren regalen oder schränken steht sind. es gibt menschen die nennen es „spass“, wenn sie mit 200 auf einem zweirad durch die gegend rasen, aber dekadent, wenn man sich kaffee aus alumniniumkapseln zubereitet. dekandent und obsessiv sind immer die anderen. das was wir selbst tun, nennen wir lieber „ein bisschen spass“ oder „genuss“.

man kann sich wirklich über alle möglichen obsessionen lustig machen; über die japaner, wie sie zwanghaft an jedem deko-detail jedes bissens arbeiten, über die deutschen, die mayonaise auf alles kippen, fleisch über stunden hinweg weichkochen und kaffee aus tropfbrühautomaten trinken, über italiener die der meinung sind espresso schmecke besser, wenn er in heisse tassen gefüllt wird und im stehen getrunken wird oder über franzosen, die dünnen kaffee in homöopathischer dosis in zu heisse milch kippen.

ich mach mich heute mal über nichts lustig, sondern versuche mich zu erinnern wie sich mein kaffeekonsum über die jahre hinweg verändert hat.

* * *

an meine erste tasse kaffee kann ich mich leider nicht erinnern. ich bin aber sicher, dass es klassischer deutscher filterkaffee war, mit milch und zucker. woran ich mich allerdings in meiner jugend erinnere, war das aufkommen von kaffeeverkaufsstellen bei bäckern und den duft den das kaffeemahlen verströmte. dieser duft macht womöglich abhängiger als das koffein im kaffee. als ich mit 15 oder 16 regelmässiger gast im aachener domkeller wurde, wurde ich auch regelmässiger konsument des dort gereichten „milchkaffee“. der wurde dort mit viel milch und ein bisschen dünnen kaffee aus sowas wie einer siebträger-espressomaschine serviert. schmeckte wie das zeug, was man in frankreich als café au lait serviert bekommt.

hin und wieder, wenn ich mit meinen eltern mal essen ging, gabs zum abschluss einen espresso. diese abendlichen espressi knallten witzigerweise immer genauso so, wie man sich wünscht, dass der morgentliche kaffee knallen würde, aber fast nie tut. bis zu meinem ungefähr siebzehnten lebensjahr habe ich mehr oder weniger nur filterkaffee getrunken, mit gelegentlichen espresso-zwischenfällen. ein einziges mal habe ich in aachen im café van den daele einen kaffee getrunken, der direkt in die tasse gebrüht wurde, mit so einem edelstahlaufsatz, in dem das kaffeepulver war und aus dem unten dann der kaffee in die tasse tropfte. bis auf die apparatur, fand ich den kaffee nicht besonders beeindruckend.

ich kann mich an keinen einzigen kaffee erinnern, den ich in meinem austauschjahr in den USA getrunken habe. gut möglich, dass ich meinen koffeinbedarf ausschliesslich mit softdrinks gestillt habe — oder einfach keinen bedarf hatte. ein paar jahre nach meiner rückkehr hielt bei uns eine dieser auf-den-herd-stell-espresso-kannen einzug. ich fand den kaffee immer ein bisschen bäh, immer entweder zu sauer, zu schwach oder zu stark und oft meinte ich gummidichtungsgeschmack wahrzunehmen.

nach meiner ausbildung fuhr ich erneut für ein paar wochen in die USA, 2 wochen new york und 2 wochen seattle, bzw. washington state. in new york frühstückte ich meist in einem diner an der columbus avenue. dort liess ich mir acht bis 10 tassen kostenlos nachfüllen, bis sich ein bisschen koffein-kribbeln bemerkbar machte. geschmacklich konnte ich der amerikanischen kaffeeplörre durchaus etwas abgewinnen, der deutsche filterkaffee war mir jahrelang zu bitter. der amerikanische kaffee verursachte aber auch einiges mehr an harndrang als ich gewohnt war. aber da es in new york an fast jeder ecke ein mcdonalds gibt, war das auch kein problem.

in den zwei wochen bemerkte ich new york erstmal auch eine neue art café. es gab qualitativ hochwertige backwaren, kekse, kuchen und eben auch cefé latte und son gedöns — in pappbechern. ich habe in der zeit hin und wieder solche läden aufgesucht, allerdings (in meiner erinnerung) weniger wegen des kaffees (den ich lecker fand), sondern wegen der sitzplätze direkt im fenster. ich fand es gab nichts grossartigeres als in new york an einer belebten strasse in einem fenster zu sitzen und auf die strasse zu sehen. und vielleicht zu lesen. später in seattle habe ich auch zum ersten mal die marke starbucks wahrgenommen. das muss alles so gegen 1993/94 gewesen sein.

zurück in deutschland gab es dann durchs studium hindurch fast ausschliesslich filterkaffee. viel filterkaffee. gelegentliche espressi nach dem essen oder bei italien-reisen waren sicherlich dabei, aber filterkaffee war neben leitungswasser und bier eins meiner grundnahrungsmittel. bis ich zum ende des studiums umzog und das herbertz in der immenhofer strasse entdeckte. über mindestens zwei jahre bin ich dort jeden morgen hingegangen und habe eine oder zwei oder drei „melange“ getrunken (was, zumindest aus herbert okolowskis hand, eine art sehr starker café latte war) und ein laugenbrötchen mit salami und käse gegessen. der kaffee-geschmack im herbertz war leider sehr prägend für mich — zumindest für das, was ich als wirklich guten kaffee empfinde. mich hielt und hält diese messlatte nicht davon ab, andere arten kaffee zu trinken und zu schätzen, aber wirklich guter kaffee muss seit dem herbertz wirklich stark sein, ohne bitterstoffe, mit mehreren millimetern crema. beste erinnerungen habe ich auch an das kleine stehcafé im oder am tagblattturm. dort gab es ertklassigen illy-espresso, der mir damals in der kombination mit einem feierabendbier besonders gut schmeckte.

die letzten jahre in stuttgart, aber auch die ersten jahre in berlin hatte ich de-fakto kein zuhause. ich habe in meiner wohnung lediglich übernachtet und geduscht, gegessen, kaffee getrunken, gearbeitet und gebloggt habe ich mehr oder weniger in wechselnden büros und wechselnder gastronomie. in den ersten 5 jahren berlin (mindestens), bin ich jeden morgen ins coffeemamas gegangen und habe dort zwei bis drei kaffee latte getrunken. neben dem überragend leckeren, selbst gerösteten kaffee mochte ich dort insbesondere, wie damals in new york, das im fenster stehen und die menschen beobachten. irgendwann öffnete in berlin auch ein starbucks, in den seltenen fällen in denen ich dort hin ging, trank ich filterkaffee mit milchschaum, der war der günstigste und schmeckte nicht übel. scherzahft nannte ich starbucks damals auch immer wucherpfennig. ebenfalls sehr guten kaffee gabs im caras, da bin ich immer hin, wenn das coffeemamas zu hatte oder noch nicht offen weil die bedienung verschlafen hatte. zum starbucks bin ich allerdings immer gerne aufs klo gegegangen — was ich damals auch ausgiebig im internet dokumentierte. langjährige leser werden sich erinnern.

2007 passierte etwas ungeheuerliches und mir bis dahin unvorstellbares. wir schafften uns eine nespresso-maschine an, obwohl ich solchen überteuerten systemkaffee bis dahin für völlig blödsinnig hielt. nachdem wir den kaffee ein paar mal aus so einer maschine bei meiner schwester probiert hatten, liess ich all meine bedenken fahren. der hauptgrund war in meiner erinnerung, dass wir beide die schnauze voll hatten von den auf-den-herd-stell-espressokännchen. die dinger führten regelmässig zu spritzendem kaffee, verbrannten fingern und scheusslichem kaffeee. für mich war der nespresso-kaffee, wenn ich in hamburg war, eine echte alternative zum café-ausgehen. auch preislich erscheinem einem 30-40 cent im vergleich zu 3-4 euro nicht so doll. die nespresso-maschine hat mich in den letzten jahren auch fast vollkommen vom morgendlichen café-besuchen abgehalten.

2008 bin ich mit der beifahrein und dem kind wieder in und durch die USA gereist. unter anderem, um in las vegas zu heiraten. auf unserer hochzeitsreise durch den westen der USA sind wir leider zu regelmässigen starbucksgästen geworden. einfach weil es dort für amerikanische verhältnisse den besten kaffee gab. zumindest auf dem flachen land. und aus flachem land bestehen die USA nunmal zum grossen teil. bevor die beifahrerin vor ungefähr zwei jahren nach berlin zog, bin ich immer noch regelmässig zum frühstücken in berlin in cafés gegangen. meistens das balzac an der schönhauser allee. spätestens als der laden auf der ekelliste des ordnungsamt pankow auftauchte, trinke ich den kaffee in solchen läden immer im pappbecher. aber wahrscheinlich ist das nur eine USA-angewohnheit die ich mir als tick zugelegt habe.

vor ein paar wochen las ich mal wieder über die aeropress-kaffeemaschine (vorher wiederholt bei cory doctorow) und entschied mich, das ding mal auszuprobieren. [-werbelink] für knapp 25 euro kann man da ja nicht viel falsch machen, dachte ich. zuhause hatten wir noch ein paket dallmayr prodomo mit einer geschenkschleife im schrank stehen. muss irgendwann mal jemand mitgebracht haben. der erste kaffee den ich mit der aeropress aus dem dallmayr prodomo presste, knallte wie ein abendlicher restaurant-espresso. der geschmack war stark, ohne echten espresso-geschmack, aber auch völlig ohne bitterstoffe — allerdings auch ohne crema. zu meinem geburtstag bekam ich von der beifahrerin und dem kind eine elektrische kaffeemühle und ein kilo faire bio-kaffeebohnen aus guatemala geschenkt. wenn ich diese bohnen ganz fein mahle, bilde ich mir ein, dass der kaffee aus der aeropress eine leichte kakao-note bekommt. er ist weiterhin stark und nicht bitter und ohne das typische espresso-röstaroma. aber köstlich. die zubereitung ist etwas komplexer als mit der nespresso-maschine, aber ich trinke ihn ähnlich: eine tasse, die mit ⅔ milch gefüllt ist, erwärme ich 30 sekunden in der mikrowelle und kippe dann die hälfte des kaffeeextrakts, dass aus zweieinhalb grossen kaffeelöffeln kaffeepulver und ca. 100 milliliter wasser besteht, dazu.

bei der aeropress kann man an vielen variablen drehen: der wassertemperatur, dem mahlgrad, der länge des rührvorgangs, des pressvorgangs und der kaffeesorte. auf diese variablen habe ich mit bedacht jahrelang dankend verzichtet und ehrlichgesagt ist das der entscheidende punkt bei nespresso: der kaffee ist nahzu immer gleichbleibend gut (für manche auch gleichbleibend schlecht). die einzige variable die man verstellen kann ist die art der kapsel. da das was aus der aeropress herauskommt bisher auch mit verschiedenen variablen köstlich war, freue ich mich darauf wieder an den stellschrauben drehen zu können oder verschiedene rezepte auszuprobieren. davon scheints reichlich zu geben.

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Ich habe auf Ebay eine Kollektion angelegt, in der ich die Maschinen und Zutaten, mit denen ich in den letzten paar Jahren Zuhause und im Büro Kaffee gemacht habe, aufliste. Mehr oder weniger alles in dieser Kollektion besitze oder nutze ich und kann ich aus vollem Herzen empfehlen.

wirklich guter kaffee (Ebay-Kollektion)

[Für die Erstellung und Bewerbung von ein paar Ebay-Kollektionen habe ich ein (pauschal) Honorar bekommen. Etwas mehr zu den Ebay-Kollektionen habe ich hier geschrieben.]