native advertising oder naïve advertising auf spiegel online?

felix schwenzel, , in wirres.net    

auf spiegel-online ist seit ein paar tagen ein eher bescheuertes video auf der startseite angeteasert: „Waghalsiges Manöver: Im Tiefflug durch den Hangar

screenshot startseite spiegel.de 20.06.2015 ca. 20:30h

die relevanz des themas wird mit 20 worten unter dem video an den haaren herbeigezogen:

Zwei Piloten haben in Nordwales einen Weltrekord aufgestellt. Nebeneinander sind sie durch einen Flugzeughangar geflogen. Einen Meter über dem Boden.

auch wenn die behauptung eines weltrekords etwas ist, was sich spiegel-online offenbar ausgedacht hat (siehe unten), reicht es der redaktion anscheinend, wenn irgendwer irgendwas spektakuläres waghalsiges veranstaltet und das gut dokumentiert, um dem dann tagelang platz auf der startseite einzuräumen.

eigentlich wollte ich mich nur ein bisschen darüber aufregen, dass zwei durchgeknallten angebern, die sich und der welt ihre coolness beweisen wollen, überhaupt platz auf spiegel-online eingeräumt wird.

dann wollte ich mich über mich selbst aufregen, dass ich mir so einen aufwändig produzierten müll überhaupt ansehe.

aber dann war ich fasziniert von der professionalität von red bull, die wirklich hart daran arbeiten, ihre extrem anspruchsvoll produzierten werbematerialien in redaktionelle, vermeintlich seriöse medien zu bringen. dafür gibt es neben eigenen redaktionell bearbeiteten berichten, einen sogenannten „red bull content pool“ aus dem sich journalisten interessantes rausangeln können. so gibt es für das bescheuerte flugmänover eine eigene seite auf der man 3 verschiedene videos, 18 bilder und einen vorgefertigten text runterladen kann. die videos liegen in jeweils 4 verschiedenen formaten vor, die bilder („editorial use only“) in 2 auflösungen.

dass spiegel-online geschenkten gäulern offenbar nicht ins maul schaut und profilierungs- und werbeunterlagen für zwei alternde männer und eine eklig riechende brause auf seiner startseite platz einräumt, wundert mich nicht wirklich, aber dass das so distanzlos gemacht wird, ohne weitere „informationen“ oder mindestens einen link für leute die sich für lebensmüde profilneurotiker interessieren, macht mich sehr traurig. ich hatte mir bisher eingebildet, dass bei spiegel-online journalisten arbeiten, die das mit dem journalismus ernst meinen.

* * *

oben hatte ich die red-bull-eigene „berichterstattung“ schon verlinkt, aber weil sich hinter dem link tatsächlich ganz interessante (technische) details verbergen und man gut nachvollziehen kann, mit welchem (technischen und logistischen) aufwand red bull den quatsch dokumentiert hat, weise ich hiermit nochmal gesondert darauf hin: „Watch: Red Bull Barnstorming

* * *

apropos weltrekord von dem spiegel-online hier spricht. auf sämtlichen red-bull-eigenen seiten ist nichts von einem „rekord“ oder gar „weltrekord“ zu lesen, bis auf diese überschrift:

British pilots record world first as they fly in formation through building

mein sprachgefühl deutet darauf hin, dass hier keinesfalls von einem rekord die rede ist, sondern von einem anspruch oder einem vermelden. eine kurze nachfrage auf twitter scheint das zu bestätigen:

* * *

ich habe die überschrift nach diesem tweet von @vierzueinser angepasst.

* * *

[nachtrag 21.06.2015]

sven christian von spiegel online hat sich in den kommentaren unten gemeldet und sich für den hinweis auf den „übersetzungsfehler“ bedankt. die aktion ist jetzt auf spiegel.de kein „weltrekord“ mehr, sondern „eine mutige aktion“. ausserdem:

Die Verwendung von Bildmaterial von Red Bull Media wird bei uns in der Redaktion auch rege und kontrovers diskutiert. Wir entscheiden es immer Fall zu Fall.

auf der spiegel-online-startseite muss man jetzt neuerdings auch ein bisschen blättern, um das red-bull-werbevideo zu sehen.