vorsicht! achtung! blogdings! mob! treibjagd!

felix schwenzel, , in wirres.net    

das wird lang und selbstreferenziell. muss man nicht lesen, ich musste es aber mal schreiben. das geschriebene enthält selbstverständlich kaum eigenen content und ist eine art selbstgespräch.

am dienstag, als die moni vs. transparency deutschland-sache noch kräftig kochte, versuchte jörg-olaf schäfers einen schritt zurückzutreten und das phänomen der rudelbildung bei bloggern zu untersuchen. er versuchte die phänomene die, ich nenn es einfach mal so, im „moni-gate“ zutage traten von dem falll losgelöst zu betrachten. ich muss ehrlich sagen ich weiss bis heute nicht was jörg-olaf mit diesem artikel genau ausdrücken wollte und bin deshalb auch nicht weiter in die thematik eingestiegen. heute freitag legte jörg-olaf nochmal nach, um zu differenzieren und nachzubetrachten.

ich verstehe immer noch nicht wie die kernaussage lautet, aber er scheint mir ein diffuses unwohlsein zum ausdruck bringen zu wollen. da fallen dann worte wie „Treibjagd“, „unkontrollierbare Eigendynamik“, „Empörung“, „Googlebombing“, „einige A-Lister“, die „inzwischen eine recht breite Masse erreichen“, was dann in der „2. Trackbackebene“ immer öfter undifferenziert, „unschön“ und immer öfter „eskaliere“. das würde „Probleme mit sich“ bringen, „denen wir uns stellen“ müssten.

diese „problemfelder“ scheinen laut jörg-olaf die folgenden zu sein:

  • Ein A-Lister übersieht etwas, schätzt eine Situation falsch ein (”schnell gebloggt”) oder lässt sich gar instrumentalisieren.
  • A-Lister wissen um die vermeintliche “Medienmacht” ihrer Blogs/Kontakte und Netzwerke und nutzen sie gezielt für Kampagnen.
  • Neben den Veröffentlichung der A-Lister, die - auch wenn sie es nicht wollen oder sie gar ablehnen - schon jetzt eine Verantwortung für das haben, was sie schreiben, weil es eben schneller “explodieren” kann, gibt es da draussen noch ein paar zehntausend “Stino-Blogger”, die mit einem Flügelschlag eine Lawine auslösen können.
  • Die angesprochene “Rudelbildung”, die bei obigen drei Auslösern dank Technorati & Trackbacks wie ein Katalysator / Beschleuniger wirkt.

jörg-olaf ist nicht so dumm das als alleiniges phänomen des blogdings zu sehen, er sieht diese problemfelder „in allen medien“, auch wenn er durch die technik, die vernetzung im hintergrund des blogdings plötzlich ganz neue dimensionen und gefahren sieht.

für mich ist das einer der vielen vergeblichen versuche, bloggen auf eine stufe mit dem „professionellen journalismus“ zu zerren. oliver bechmann versucht das, gewürzt mit ein paar andeutungen in richtung moni (selbst schuld!), auf eine unangenehm arrogante, belehrende art im „forum“ der frankfurter rundschau. bottom line: wenn ihr euch nicht auf unser niveau begebt, bleibt dieses blogdings eine unprofessionelle und verantwortungslose kinderveranstaltung. jörg-olaf versucht das etwas differenzierter zu betrachten, liegt aber meiner meinung nach auch völlig daneben. ich werfe mal einen blick auf seine vier „problemfelder“ und einen weiteren punkt der in seinen postings immer wieder anklang.

1. Ein A-Lister übersieht etwas, schätzt eine Situation falsch ein (”schnell gebloggt”) oder lässt sich gar instrumentalisieren.

na und? was soll soetwas verhindern? professionalisierung? erst schreiben, wenn ich mehr als 3 verifizierte quellen vorliegen habe? volkhochschulkurse „journalismus“ für alle die in den „deutschen blogcharts“ in den top50 sind? fehler passieren, aber meiner erfahrung nach werden die gerade bei a-listern innerhalb von wenigen stunden durch kommentare oder tipps korrigiert. sehr schnell zumindest und wahrscheinlich auch meist lange bevor es zur „rudelbildung“ kommt. sollte es bereits zur rudelbildung gekommen sein, so erleigt auch diese relativ schnell wie man auch am „moni-gate“ sieht. nachdem sich die parteien geeinigt hatten schrieb kaum noch einer über das thema. das rudel verflüchtigte sich. und instrumentatisierung wird meiner erfahrung nach noch schneller aufgedeckt als fehler und ist für den blogger nahezu fatal, denn seine glaubwürdigkeit ist das einzige kapital was er hat. um beim bild des rudels zu bleiben, ein anderer anführer übernimmt ruckzuck seinen platz wenn die glaubwürdigkeit im arsch ist.

2. A-Lister wissen um die vermeintliche “Medienmacht” ihrer Blogs/Kontakte und Netzwerke und nutzen sie gezielt für Kampagnen.

meiner meinung nach zwei unbelegte unterstellungen. die erste unterstellung ist, dass solche kampagnen funktionieren könnten. die erfahrung zeigt das gegenteil; wenn an einer sache nichts dran ist, versandet die welle sofort wieder, wenn überhaupt eine aufkommt. eine instrumentalisierte „kampagne“ an der nichts dran ist funktioniert selbst dann nicht, wenn zwei, drei, von mir aus alle a-lister mitmachen würden. zumal ich bezweifle dass die überhapt mitmachen, denn die zweite unterstellung ist, dass a-lister eine so verschworene gemeinschaft wären, dass sie das für einen anderen tun würden. blogger, auch die sogenannten a-lister, sind viel zu heterogen und haben viel zu viel (berechtigte) furcht ihren ruf, ihre glaubwürdigkeit aufs spiel zu setzen um sich für eine kampagne von a-list-blogger xy instrumentalisieren zu lassen. für mich riecht das so ein bisschen nach verschwörungstheorie und fehlwahrnehmung: „die da oben“ als zielgerichtetes oder instrumentalisierbares netzwerk gibts nicht, auch wenn es enge und gute kontakte gibt.

3. verantwortung

junge, junge, jörg-olaf, in dem moment wo ich mich nach draussen begebe habe ich die verantwortung für das was ich schreibe, bin ich justiziabel, ob ich will oder nicht, ob ichs weiss oder nicht. das ist im übrigen nicht anders als beim autofahren. es macht das autofahren nicht sicherer, wenn ich mich hinstelle und rufe: „autofahrer, insbesondere die a-klasse fahrer müssen sich ihrer besonderen verantwortung im strassenverkehr bewusst sein.“ diejenigen die verantwortungslos rasen, die sich danebenbenehmen erreichst du auch mit solchen gutgemeinten appellen nicht, nichtsdesto trotz tragen sie für ihr tun veranwortung, ob sie es wissen, ob sie es wollen oder nicht. moni (aber auch der werbeblogger) haben das ihrerzeit treffend beschrieben, all die solidarität, die kontakte und die vorherrschende stimmung helfen nicht, wenn du vor gericht stehst oder die abmahnung in der hand hälst. vor gericht und auf hoher see, bist du in gottes hand. wenn moni dann von irgendeiner pappnase zwischen den zeilen unterstellt wird, sie sei sich ihrer verantwortung nicht bewusst gewesen (und da gabs ja viele), dann empört mich das. in den anderen fällen wo es mich nicht empört läuft es meist auf profilneurotische klugscheisserei raus: „ich weiss etwas was ihr nicht wisst: ihr tragt verantwortung! welcome to real world. face it.“ (oder so ähnlich). [nachtrag] blogger tragen verantwortung, aktive und passive und die ganz grosse mehrheit ist sich dessen bewusst. wer anderer meinung ist kann mir gerne beispiele nennen.

4. verstärkte rudelbildung durch technik

nochmal, wie auch bei punkt 1, die rudelbildung kommt bei so einer heterogenen masse wie den bloggern nur bei ganz speziellen themen überhaupt in gang. das gerechtigkeitsempfinden muss schon ganz heftig erschüttert werden um so viele unterschiedliche menschen zu motivieren. genauso schnell wie sie sich gebildet haben, verlaufen sich diese rudel auch wieder. im gegenteil, ich bin der meinung die rudelbildung der blogger ist viel weniger ausgeprägt als die der professionellen journalisten. ich weiss nicht ob es dir aufgefallen ist, wie jede zeitung dieser republik von soetwas wie „angst vor vogelgrippe nimmt zu“ schrieb. jedes einzelne blatt versuchte diese angst zu beschwören. nur, ich habe bis heute niemanden getroffen der angst vor vogelgrippe hatte. jens hat diesen medial inszenierten wahnsinn und panikmache mal ganz hübsch in relation zum blogdings gesetzt. und was sind 200-300 blogger gegen eine kleine meldung in der tagesschau.de oder der süddeutschen? der spin solcher meldungen ist sehr viel nachhaltiger als das diffuse rauschen im blogwald. auch wenn es das bloggerherz trifft, noch sind blogger meilenweit davon entfernt gesamtgesellschaftliche debatten entscheidend mitzugestalten. selbst das bildblog ist noch meilenweit davon entfernt.

christoph schultheis spricht in dem zusammenhang sogar von einer ganz anderen rudelbildung in den klassischen medien, nämlich die um den vermeintlichen leitwolf „bild“: „[Es] werden nach wie vor immer häufig falsche oder irreführende Berichte aus “Bild” von anderen Medien ungeprüft übernommen - manchmal sogar, nachdem wir darauf aufmerksam gemacht haben, dass und was da nicht stimmt.“

blogger und ihre rudel sind irrelevant. noch immer und noch für eine ganze weile.

5. blogger instrumentalisieren google für „treibjagden“ (googlebombing)

erstmal sollte man google nicht überschätzen. ebenso wie man den einfluss den blogger (und ihre suchergebnisse) haben nicht überbewerten darf. suchergebnisse mit schlechtem karma sind noch lange nicht meinungsbildend, zumal pro und kontra meist bei google dicht beieinander liegen. wenn das angebliche „opfer“ ausserdem unfähig ist eine webseite so zu bauen, so dass google dort relevante informationen rausholen kann oder mit diesen informationen so sparsam umgeht, dass die gegenseite gar nicht gehört werden kann, was hat das dann mit den bloggern zu tun? oft hören sich die vorwürfe an den blogger mob so an, als hätten sich blogger die relevanz-algoritmen von google ausgedacht.

kann man im konkreten fall, im „moni-gate“, den bloggern auch keinen vorwurf daraus machen, dass die gegenseite aus überheblichkeit weiter eskaliert und die welle vorantreibt. hätte ti-d am montag die sache geklärt, hätte sich der google juice auch relativ schnell wieder verdünnt. unter meinem beitrag hätte eventuell ein nachtrag gestanden: alles halb so schlimm was da oben steht, ti-d ist ein prima laden, alles ein kleines missverständniss.

hinzu kommt dann noch so eine blödsinnige unterschwellige unterstellung, nämlich dass alle blogger nach seo-logik bloggen würden. bloggen für google? kommt vor, ist aber sicher die ausnahme.

kurz zusammengefasst: die meta diskussion die sich hier in den letzten tagen entwickelt und versucht mal mahnend, mal warnend, mal belehrend zu intervenieren, finde ich völlig überzogen und an der sache vorbei. für mich wird da ständig das olle killerargument wiedergekaut, dass es ohne redaktionelle kontrolle und professionelle standards ja auch nichts geben kann mit dem blogdings. aus dem gleichen grund könne wikipedia ja auch nicht funktionieren. selbstorganisation ist unberechenbar und grösstenteils unverständlich, dass dieses unverständnis dann aber ständig in panikmache und fatalistischen blogpessimissmus führen muss, verstehe ich nicht. ich sehe die qualitäten des bloggens ganz woanders als in journalistischen gewässern (aber das ist eine eigene geschichte).

[nachtrag]
johnny denkt über ähnliches nach.