Tu­ri & Fon­si

Stefan Niggemeier

Von Paul Watz­la­wik stammt der be­kann­te Satz: „Man kann in ei­ner so­zia­len Si­tua­ti­on nicht nicht-kom­mu­ni­zie­ren.“

In Blogs ver­schärft sich die Lage dra­ma­tisch. Hier gilt der nicht so be­kann­te Satz: „Man kann in Blogs nicht nicht-kom­men­tie­ren.“

Die Mög­lich­keit, je­man­den, den man für drin­gend igno­rie­rens­wert hält, ein­fach zu igno­rie­ren, exis­tiert hier nicht. Statt­des­sen schreibt man in sein Blog, war­um je­mand drin­gend igno­riert wer­den soll­te, und igno­riert ihn also nicht. Es folgt eine län­ge­re Kom­men­tar­schlacht, in der es wie­der­um un­mög­lich ist, ver­nach­läs­si­gens­wer­te Be­mer­kun­gen ein­fach zu ver­nach­läs­si­gen. Bes­ten­falls wer­den aus be­son­ders ab­we­gi­gen Dis­kus­sio­nen Me­ta­dis­kus­sio­nen über ihre Ab­we­gig­keit.

Es scheint kei­ne [igno­re]-Funk­ti­on im Netz zu ge­ben.

Bei der „Tier-Nan­ny“ im Fern­se­hen sieht man fast jede Wo­che, dass es nicht hilft, das Ver­hal­ten ei­ner kläf­fen­de Töle zu än­dern, in dem man sie am Hals­band zieht, an­brüllt, schlägt, tritt, ein­sperrt, mit ihr schimpft, ihr das Spiel­zeug oder das Fres­sen weg­nimmt. Das ein­zi­ge, was ko­mi­scher­wei­se fast im­mer hilft, je­den­falls bei der „Tier-Nan­ny“ im Fern­se­hen: sie nicht be­ach­ten. (Die Töle, nicht die „Tier-Nan­ny“.)

Men­schen sind nicht gut dar­in, und Blog­ger kön­nen es gar nicht. Ich auch nicht. Des­halb ist auch dies ei­ner die­ser Mil­lio­nen Ein­trä­ge, die ei­gent­lich nicht ge­schrie­ben wer­den soll­ten, weil sie nur Auf­for­de­rung zum Igno­rie­ren sind und das Ge­gen­teil tun und er­rei­chen. Aber ich trös­te mich da­mit, dass ix auch nie sei­ne Klap­pe hal­ten kann, wenn es bes­ser wäre zu schwei­gen, und auch et­was dazu ge­bloggt hät­te, nur wahr­schein­lich kür­zer und wit­zi­ger.

Und jetzt kommt, was ich im­mer schon mal schrei­ben woll­te: ein Dis­clai­mer. Nein, gleich zwei.

1.) Ich habe Ende der 90er Jah­re als frei­er Mit­ar­bei­ter für den „Kress Re­port“ ge­ar­bei­tet, als Pe­ter Turi dort Chef war. 1999 habe ich ge­kün­digt und war nicht un­glück­lich, in der Zeit da­nach un­ge­fähr nichts mit Pe­ter Turi zu tun ge­habt zu ha­ben.
2.) Ich habe im Som­mer 2004 im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Ar­ti­kel, den ich über die „Net­zei­tung“ ge­schrie­ben habe, und der nach­fol­gen­den, lan­gen und hef­ti­gen ju­ris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung sehr un­an­ge­neh­me Er­fah­run­gen mit Rai­ner Mey­er Don Al­phon­so ge­macht, der sich ei­nen Kör­per mit Don Al­phon­so Rai­ner Mey­er teilt.

Turi und Fon­si mö­gen sich nicht. Wenn die bei­den öf­fent­lich mit Förm­chen auf­ein­an­der wer­fen oder sich an den Haa­ren zie­hen, weiß ich nicht, wen ich ge­win­nen se­hen möch­te. Ei­gent­lich wäre dann die nor­ma­le Re­ak­ti­on, weg­zu­gu­cken – die Freu­de und Span­nung beim Ver­fol­gen ei­nes Wett­kamp­fes ent­steht doch auch vor al­lem da­durch, dass man ei­ner Sei­te die Dau­men drückt. Oder na­tür­lich da­durch, sich ganz all­ge­mein an der Tech­nik, dem Ta­lent, der Kunst der Wett­kämp­fen­den zu er­freu­en – aber da­von kann hier wirk­lich kei­ne Rede sein.

Nein, ich weiß nicht, war­um ich mir das im­mer wie­der an­gu­cke und durch­le­se, wenn die sich mit­ein­an­der kab­beln. Das ist ein ge­ne­ti­scher De­fekt von mir: Ich kann auch nicht um­schal­ten, wenn mich auf Neun Live zu­ge­koks­te Mo­de­ra­to­ren an­brül­len, dass der Hot But­ton je­den Au­gen­blick zu­schla­gen kann und die Uhr nicht auf Null läuft. Das ist die­ser be­kann­te Ef­fekt, den Blick nicht von über­fah­re­nen Tie­ren am Stra­ßen­rand ab­wen­den zu kön­nen. Je­den­falls: Ich les mir das al­les durch, und das ist na­tür­lich mei­ne ei­ge­ne Schuld und die von nie­man­dem sonst.

Und, ja, ich kann es ver­ste­hen, dass man ir­gend­wann denkt, man müs­se das end­gül­tig ver­nich­ten­de Fon­si-Stück auf­schrei­ben, dem Ter­ror, der aus je­der Dis­kus­si­on ei­nen Brüll­wett­be­werb macht, end­lich ein Ende set­zen, die­ses auf­ge­bla­se­ne, wich­tig­tue­ri­sche, selbst­ge­fäl­li­ge… oh, ich ver­zet­tel’ mich. Ich kann den Ge­dan­ken gut nach­voll­zie­hen. Ein­mal, ein ein­zi­ges Mal, habe ich es ge­schafft, Fon­si auf eine län­ge­re Mail nur zu ant­wor­ten: „Nein, dis­ku­tie­ren woll­te ich mit Ih­nen nicht.“ Da war ich ziem­lich stolz auf mich. Naja, ein ein­zi­ges Mal. Und nun kriegt er hier schon wie­der x Zei­len.

Aber wenn ich es dann schrie­be, das gro­ße Fon­si-Ab­rech­nungs­stück, dann hät­te ich mir im Ge­gen­satz zu Pe­ter Turi bes­se­re Be­schimp­fun­gen über­legt als die, die ich vom Schul­hof ken­ne: „er ist nur Rai­ner Mey­er: gro­ßes M* * * und klei­ne E* * *“. Oder den längst tot­zi­tier­ten und da­durch poin­ten- und geist­frei­en Satz: „Kei­ner ist un­nütz auf Got­tes schö­ner Erde - er kann im­mer noch als ab­schre­cken­des Bei­spiel die­nen.“ Ich hät­te mir bes­se­re Ar­gu­men­te ge­sucht, als das, dass Fon­sis Buch in­zwi­schen auch ge­braucht ver­kauft wird und sich an­de­re Bü­cher bes­ser ver­kauft ha­ben. Und vor al­lem hät­te ich vor­her re­cher­chiert, was Rai­ner Mey­er nun tat­säch­lich ge­macht hat bei und mit dem „Auf­bau“ und was nicht. Ich hät­te, kurz ge­sagt: noch ein­mal drü­ber ge­schla­fen, be­vor ich die rei­ne ge­ron­ne­ne Wut in all ih­rer Dumm­heit, die Wut so an sich hat, in mein Blog ge­kippt hät­te. Und wenn ich schlau ge­we­sen wäre, hät­te ich am nächs­ten Tag gar nichts über Rai­ner Mey­er ge­schrie­ben. Und wenn ich we­ni­ger schlau ge­we­sen wäre, hät­te ich mei­nen Text noch ein­mal kri­tisch durch­ge­le­sen und dann erst ge­bloggt.

Aber, ja: Das wäre nicht Blog­gen. Blog­gen ist Schrei­ben ohne noch­mal drü­ber schla­fen. Oder, im Fall von Turi und Fon­si: Schrei­ben ohne nach­den­ken.

Fon­si hät­te tat­säch­lich ein paar Punk­te bei mir gut­ma­chen kön­nen (nicht dass ihn das in­ter­es­siert, bei mir Punk­te gut­zu­ma­chen), wenn er aus die­sem Blog­ein­trag bei Turi den ver­mut­lich ein­zi­gen Blog­ein­trag über­haupt ge­macht hät­te, in dem er vor­kommt, aber sich nicht zu Wort mel­det. Aber das kann er nicht. Wenn man ihn ei­nen all­ge­gen­wär­ti­gen Rum­kra­kee­ler nennt, kommt er so­fort und kra­keelt rum. Turi nennt ihn ei­nen Pro­zess­han­sel, und Fon­si droht mit An­wäl­ten! Glaubt, dass man Stra­fe zah­len muss, wenn man aus sei­nem 416-Sei­ten-Werk zwei klei­ne Ab­sät­ze zi­tiert! Be­schimpft Turi als „Plei­tier“, was er schon so oft ge­macht hat, dass es ihn selbst schon lang­wei­len müss­te. Aber das ist ein Hass­text­bau­stein, der muss dann raus, so wie „Web2.0“ oder „Pro­Blog­ger“ oder „New Eco­no­my“. Und auch das ist noch nicht ge­nug, Fon­si muss auch noch in sei­nem ei­ge­nen Blog eine Sze­ne er­fin­den, die mit all ih­rer wich­tig­tue­ri­schen Ver­schwur­belt­heit noch je­den Vor­wurf von Turi be­stä­tigt.

Und das Schlimms­te: Ak­tu­ell ste­hen un­ter den bei­den Ein­trä­gen zu­sam­men 46 Kom­men­ta­re von Leu­ten, die nicht es nicht schaff­ten, das Elend nicht zu kom­men­tie­ren. Man müss­te klei­ne Blog­schutz­po­li­zis­ten an die­sen Ein­trä­gen auf­stel­len, die die Schau­lus­ti­gen ver­scheu­chen: „Ge­hen Sie wei­ter, hier gibt es nichts zu se­hen!“ Aber nein, man steht da, starrt auf das über­fah­re­ne Tier am Stra­ßen­rand und dar­auf, wie sich zwei Men­schen vol­ler Stolz in al­ler Öf­fent­lich­keit zu Kom­plett­dep­pen ma­chen, und schreibt auch noch gan­ze Blog­ein­trä­ge dar­über.