kalter medien-kaffee zu web2.0

felix schwenzel, , in wirres.net    

media coffee zu web2.0

gestern abend lud newsaktuell zum media coffee ein, thema „web 2.0 — wie verändern sich medien und pr?“. geladene gäste auf dem podium waren lars-christian cords, fischerAppelt kommunikation, philip graf dönhof, netzeitung, klaus-peter frahm, newsaktuell, stefan keuchel, google, mathias müller von blumencron, spiegel online, moderiert von anette hillebrand, akademie für publizistik. eine lustige, gutgelaunte runde. obwohl so richtig gutgelaunt war nur der blumencron. der hatte ein dauergrinsen aufgesetzt und blickte ständig erwartungsfroh ins publikum.

die diskussion entwickelte sich zwar im laufe des abends in eine three-men-show von blumencron, keuchel und cords. blumencron wurde vom veranstalter auch gleich „publikumsmagnet“ befördert. frahm bekam im laufe der diskussion kaum die gefalteten hände vorm gesicht weg, dönhof langweilte sich offenbar etwas und konnte mit dem thema nicht allzuviel anfangen.

nach einer kurzen begriffserklärung angeblicher web2.0 begriffe wie rss, podcast, vodcast, chat, trackback, wiki, forum, die alle teilnehmer der runde reihum erklären sollten um bildungs-gleichstand im publikum zu erreichen ging die erste frage an blumencron: „was sind die gefahren von web2.0 für die klassischen, etablierten medien?“ blumencron blieb erstaunlich differenziert: „das alles ist keine bedrohung, das ist eine ergänzung.“ die klassischen medien hätten nach wie vor grosse bedeutung, die leserzahlen würden weiter steigen, es gäbe da keine wirkliche konkurenzsituation. allerdings komme deutschland in sachen blogs nicht richtig voran. in amerika wäre da eine viel grössere vielfalt und die amerikanischen blogs wären vielfach viel interessanter. sein lieblingsblog sei „paidcontent“, das sei richtig interessant, da würde er alles wichtige aus der medienszene erfahren. die würden auch geld mit werbung und veranstaltungen verdienen und das sei ja auch gut und richtig so. entweder man verdiene mit blogs geld oder sei, wie die amerikaner sagten, ein „trustfund baby“. von blogs habe er auch eine menge gelernt, nämlich vor allem einen offenen umgang mit fehlern. und da hätten die deutschen medien grossen nachholbedarf. deutsche zeitungen hätten (fast) alle keine korrekturspalte (räusper, wo ist die korrekturspalte von spon?). blogs würden diese funktion zum teil sehr gut erfüllen. „damit müssen wir umgehen lernen. blogs sind eine neue machtvolle stimme für jedermann.“ später wies blumencron noch auf eine besonderheit der deutschen online-landschaft hin. überall auf der welt wären die stärksten und relevantesten onlineangebote die von tageszeitungen, nirgendwo würden wie in deutschland die wochenmagazine den onlinemarkt beherrschen (spon, stern, zeit). wenn man bedenke, dass online die zukunft des journalismus liege und tagsüber die hauptinformationsquelle „online“ sei, würden die zeitungen gerade ihre eigene zukunft verpennen. das bereite ihm sorgen, sagte er grinsend.

keuchel haute berechtigterweise in die gleiche kerbe wie blumencron: in deutschland werde seiner meinung nach die zukunft der blogs verschlafen. wenn man bedenke, dass das „frosta-blog“ das erfolgreichtse corporate-blog in deutschland sei (lachen im saal), sehe man, dass man in deutschland ständig nur die gefahren von blogs sehen würde und nicht die chancen und potenziale die sich ergäben. cords meinte er wäre zwar gerne der berater gewesen der frosta empfohlen hätte zu bloggen, aber (qed!) er würde niemandem empfehlen ein corporate blog zu machen. die „risiken“ seien zu hoch, die deutsche unternehmenskultur sei noch nicht so weit, es herrsche auf allen seiten nicht genügend vertrauen und ausserdem könne eh niemand „die responses händeln“.

philip graf dönhof erzählte was web2.0-mässig so bei der netzeitung los sei. in etwa so euphorisierend und mitreissend wie die readers edition sich zur zeit darstellt, erzählte er auch davon. das sei halt so ne zeitung die von lesern erstellt werde, die moderatoren gestalteten kräftig mit und seien so eine art „betreute leser“, auch wenn unter den moderatoren teilweise „echte“ journalisten seien. man schule die moderatoren in workshops und eine redakteurin verantworte das ganze. was man denn da besonderes bekomme bei der readers edition, warf die moderatorin ein. „nun“, stammelte dönhof, vor allem eine stärkung der regionalen berichterstattung. ups. ich habe die RE seit dem start aboniert, aber regionales habe ich da noch nicht allzuviel gelesen. ich vermute ja eher, das projekt ist redaktionsintern bereits abgeschrieben, als gescheitert, langweilig und die erwartungen nicht erfüllend, im papierkorb gelandet. oder dönhof ist extrem untalentiert im verkaufen. vielleicht auch beides.

was denn das spannende an web2.0 wäre, fragte die moderatorin. blumencron meinte web2.0 sei voll retro. deshalb sei es auch so hip. das begeisterte die moderatorin: „das ist morgen die überschrift!“. blumencron meinte wenn man bedenke, dass das web bereits in der version 1.0 total „anarchisch“ gewesen sei, dass bereits damals jeder sagen konnte was er wolle habe sich eigentlich gar nicht so viel verändert. zum beispiel hätte vor 10 jahren die ganze „community“ laut geschrien als spiegel online ging und dann auch noch werbung machte (komisch, hab ich damals nicht mitbekommen, hört sich an wie ein urbane legende). trotzdem habe sich vieles verändert, vor allem technisch, alles sei schneller, einfacher, vernetzter, machtvoller geworden.

[morgen mehr darüber wie lars-christian cords sich in rage redete, stefan keuchel kein wort über google verlor und klaus-peter frahm und philip graf dönhof fast nichts sagten.]

die moderatorin fragte irgendwann das publikum, wer denn alles selber blogge. da ich gerade in dem moment dabei war was ins internet zu schreiben und eh nicht mehr blogge konnte ich nicht aufzeigen, aber auch nicht sehen wieviele blogger sich meldeten. ich glaube es waren vier oder fünf finger. lars-christian cords nahm den geringen anteil blogger im publikum als steilvorlage: „sie verpassen da aber auch nix.“ blogs seien immer noch „zu 99,9% egozentrischer, selbstreflektierter schrott auf dem niveau von teenager-tagebüchern.“ was man youtube, myspace und sonstwo finde sei alles so unterirdisch, „da möchte man sich gar nicht mit auseinandersetzen.“ [nachtrag: cords meint er habe folgendes gesagt: „ 99,99% des Inhalts im Web 2.0 ist das Ergebnis von egozentrischen Selbstreflektierern und hat das Niveau von Teenager-Tagebüchern.“] cords fing an sich in rage und ins herz des publikums zu reden. unterbrochen nun nur noch ab und an von mattias müller von blumencron und klaus-peter frahm, wobei blumencron versuchte cords aussagen zu relativieren („wir erhalten durchaus interessantes aus der leserschaft“, „die alten hierarchien lassen sich nicht aufrechterhalten“) und frahm das von cords gesagte nochmal für weniger sprachbegabte laien zusammenfasste: was er da gesagt hätte sei total 2004 und provokant. blogs seien mittlerweile erwachsen geworden. [nachtrag: ich habe das von herrn frahm gesagte stark vereinfacht. hier in den kommentaren steht es von ihm selbst nachjustiert etwas detailierter. tzz. im gedächnis bleiben immer nur die schreihälse.]

cords wurde jetzt munter und leitete seine nächste runde monolog mit einer rhetorischen frage an sich selbst ein: „mich interessiert meinungsbildung. wie kann ich meinung beeinflussen?“ er frage sich ob „wir“ es mit einer art schwarmintelligenz (der olle profi wusste das: beim wort schwarmintelligenz lachte sich das publikum halb schief) zu tun bekommen würden, mit so einer „voll demokratischen, irgendwie veredelten meinungsbildung“ oder ob sich wieder „contentpyramiden“ von meinungsführern bilden würden, denen dann alle wie im print in einer art herdentrieb folgen würden. ihn würde interessieren wie man dort die meinungen beeinflussen könne, ob man sich mit diesen schwärmen auseinandersetzen müsse oder eben doch nur ein paar meinungsführer. „wie kann ich die meinungen beeinflussen?“ fragte er die runde. mit anderen worten, er fragte wie er künftig seinen job erledigen solle.

stefan keuchel flüsterte ihm von der seite zu, er solle sich doch mal anschauen was mit der meinungsbildung bei der „du bist deutschland“-kampagne passiert sei. da hätte die meinungsbildung doch fast nur bei spreeblick stattgefunden. cords wurde jetzt ein bisschen emotional. das sei ja alles „ok“ gewesen, die motive der flickr gruppe seien teilweise besser gewesen als die original-motive. ABER DAS SEI ALLES DER JOHNNY HAEUSLER GEWESEN! DER HABE DAS ALLES GEMACHT! SOGAR DIE PHOTOSHOP TEMPLATES UM DIE KAMPAGNE ZU VERULKEN! ALLES JOHNNY HAEUSLER! wer denn dieser haeusler sei, fragte die moderatorin im namen des publikums. ACH DAS SEI DER BLOGGER SCHLECHTHIN DER DIESE GANZE CHOOSE MIT DEN WEBLOGS INS ROLLEN GEBRACHT HÄTTE, MIT SONER JAMBA-GESCHICHTE DIE DANN GANZ GROSS GEWORDEN SEI WEIL DER SPIEGEL SIE AUFGEGRIFFEN HÄTTE (darauf folgte ein vorwurfvoller blick in richtung blumencron). „DAS WAR ALLES DER HAEUSLER, DER REST IST ZU NEUNUNDNEUNZIG KOMMA NEUN PROZENT IRRELEVANT!“

nachdem cords den boden des podiums mit hunderten kleinen ausrufezeichen ausgelegt hatte, aber doch noch irgendwie die kurve zur unternehmenskommunikation hinbekommen hatte und plötzlich die these im raum stand es gehe immer öfter um einen kampf der etablierten mit etwas neuem, unberechenbaren, widersprach blumencron; johnny haeusler sei mittlerweile durchaus etabliert, sogar selbst verleger: „der ist journalist wie damals der kress“, der sich irgendwo hingesetzt habe und sein ding durchgezogen habe. neu sei, dass heutzutage jeder einen unternehmensskandal auslösen könne. und da sei eben interessant: „wie gehe ich mit meinen fehlern um?“ an der meinungsbildung seien nun einfach sehr viel mehr menschen beteiligt.

ans publikum gewandt sagte blumencron: „wenn sie alle bloggen würden, dann werden wir uns das ganz genau angucken. und wenn da was lustiges dabei ist oder was peinliches, dann machen wir eine geschichte daraus.“ obwohl blumencron bereits seit gut andertalb stunden ununterbrochen grinste, legte er an dieser stelle nochmal etwas zu. keine ahnung ob das eine ankündigung war, dass spiegel-online das niveau künftig noch ein bisschen senken möchte oder ob das eine drohung oder warnung an die hamburger geschäftswelt war die finger vom bloggen zu lassen.

cords wollte dann auch nochmal was sagen. er fände doof dass das thema web2.0 immer auf „diese blogs“ reduziert werde. viel relevanter seien doch themen wie „breitband“ und das nun dank einer vielzahl an technischen innovationen video und audio viel einfacher viral unter die leute zu bringen sei. man könne die leute ja per video viel besser emotional packen, es täten sich viele spannende potenziale die unternehmenskommunikation auf. die sache mit dem „lonelygirl15“ fände er spannend obwohl das ja wohl ein „kulturelles projekt“ gewesen sei. aber das hätte gezeigt, wie die „etablierten“ es den bloggern, den usern mal in sachen „cultural hacking“ zurückzahlen könnten. blumencron widersprach und wies darauf hin, dass die macher von „lonelygirl15“ keinesfalls etablierte gewesen seien, im gegenteil. „hätten aber sein können!“ rief cords. was sich durchsetzen würde, hier wie da, auf youtube, in blogs, bei den „etablierten“ sei qualität. wenn etwas gut und authentisch sei, dann kämen die leute auch.

am ende musste ich mir eingestehen, derjenige in der runde der am besten verstanden wie das mit diesem internetdings und diesem angeblichen webzwonulldings läuft war mathias müller von blumencron. lars-christian cords steht wie der ochs vorm webwzonullberge und versteht die welt nicht mehr. er kann seinen job nicht mehr ordentlich machen weil er nach 5-9 jahren blogdings immer noch nicht rausbekommen hat wie man dieses ding beeinflussen kann. alles was ihm einfällt ist: „audio und video, da packen wir sie viral und emotional. die mehrheit möchte eh passiv konsumieren.“ stefan keuchel ist viel sympathischer als seine affige frisur vermuten lässt. und er kennt blogger persönlich und glaubt daran, dass blogger meinungen beeinflussen können. huh. wie philip graf dönhof aussieht habe ich genauso vergessen wie das was er gesagt hat. als ich eben nochmal meine notizen durchgegangen bin habe ich den eindruck gewonnen er habe gar nix gesagt. hat er aber. glaube ich. genauso wie der klaus-peter frahm. nur was? steht sicher bald im mediacoffee blog. oder in den kommentaren. oder sonstwo.

[nachtrag]
ausserdem zum thema:

media coffee zu web2.0