rea­ders edi­ti­on: und nu?

felix schwenzel

da die netz­zei­tung in form von phil­ip graf dön­hof hier nach kon­struk­ti­ver kri­tik ge­fragt hat, drü­cke ich hier mal ein biss­chen senf zur rea­ders edi­ti­on der net­zei­tung ab. die hun­dert tage schon­frist sind ja auch ab­ge­lau­fen. ich fand das pro­jekt ja theo­re­tisch ganz span­nend. auch tech­nisch wur­de es pri­ma ge­löst mit ei­nem auf­ge­boh­ren word­press, das auch gar nicht mal so übel aus­sieht. die idee ist ganz char­mant, le­ser, „mil­lio­nen le­ser“ wie vor dem launch noch ge­tönt wur­de, eine platt­form zu bie­ten. nur die pra­xis ist ent­täu­schend. we­nig ar­ti­kel, we­ni­ges das die „mir-doch-egal-schwel­le“ über­tritt und zum teil frag­wür­di­ges und är­ger­li­ches.

es gab mal ei­nen ar­ti­kel, der hat­te was. ein in­ter­view mit gün­ter wall­raf. das in­ter­view war al­ler­dings zweit­ver­wer­tet aus ei­ner schü­ler­zei­tung. dann gabs ein­mal pr von fon für fon. kann man ma­chen, auch wennns we­der was mit jour­na­lis­mus, noch mit „bür­ger-jour­na­lis­mus“ zu tun hat. ar­ti­kel wie die­ser ja­gen mir dann aber doch schau­er über den rü­cken; schlam­pig pseu­do­pro­fes­sio­nell und ein­sei­tig ge­schrie­ben, in­for­ma­tio­nen die den te­nor des ar­ti­kels ra­di­kal ver­än­dern wür­den wer­den — ob­wohl be­kannt — ein­fach weg­ge­las­sen, mit links und ge­nau­en quel­len­an­ga­ben wird aus un­er­find­li­chen grün­den ge­geizt („ich habe mei­ne quel­len, die nenn ich aber nicht!“). news-schrott für den sich selbst kat­zen­blog­ger schä­men wür­den.

re­gio­nal will die rea­der edi­ti­on sein. auch da fehl­an­zei­ge. in je­dem haupt­stadt­blog oder den met­blogs gibts 100mal bes­se­re und 1000mal mehr ar­ti­kel. je­des x-be­lie­bi­ge blog bie­tet mehr re­gio­na­le in­hal­te als die RE. war­um soll in ei­ner zeit in der je­der nach drei klicks sein ei­ge­nes blog öff­nen kann je­mand für die net­zei­tung schrei­ben? was ist der an­reiz? das ist das eine pro­blem, das an­de­re: wie soll man für qua­li­tät sor­gen? die net­zei­tung meint mo­de­ra­ti­on wäre die lö­sung. un­ter­ir­di­sche text­qua­li­tät, recht­schreib­feh­ler, wer­bung und ju­ris­ti­sche trot­te­lei­en mag man weg­mo­die­ren kön­nen, aber wie kann man in­ter­es­san­tes, le­sens­wer­tes her­mo­de­rie­ren?

ich sehe zwei ver­säum­nis­se der net­zei­tung:

  • mas­se schaf­fen, eine brei­te user­ba­sis
  • an­rei­ze schaf­fen für die RE zu schrei­ben
  • the­men und hil­fe­stell­lung vor dem schrei­ben leis­ten und so zum schrei­ben ani­mie­ren

klar, die net­zei­tung hat kein geld um die RE rich­tig zu pu­schen oder pe­ku­niä­re an­rei­ze für die au­toren zu bie­ten. aber war­um steht da ein­fach nur: „schrei­ben sie!“ und nicht wor­über, nicht wie, nicht war­um?

war­um sam­meln die „er­fah­re­nen“ re­dak­teu­re nicht the­men über die die le­ser schrei­ben könn­ten, war­um po­si­tio­niert sich die RE nicht als ein la­den in dem man schrei­ben un­ter pro­fes­sio­nel­ler an­lei­tung ler­nen kann und sich aus­pro­bie­ren kann, war­um gibt es kein über­ge­ord­ne­tes the­ma mit dem sich die RE po­si­tio­niert und pro­fi­liert, so wie die rie­sen­ma­schi­ne (kei­ne be­find­lich­kei­ten, mög­lichst zu­kunfts­wei­sen­des oder welt­erklä­ren­des, kei­ne kla­gen über die bahn)?

war­um, zum bei­spiel, bie­tet die RE nicht eine art bör­se mit ideen, mit the­men oder the­sen, mit ter­mi­nen, ver­an­stal­tun­gen über die man schrei­ben kann? ich wäre nie­mals auf die idee ge­kom­men alle par­tei­ta­ge zu be­su­chen und darüp­ber zu blog­gen, wenn mich nicht nico lum­ma ge­fragt hät­te. und mir fällt es zu­ge­ge­be­ner­mas­sen schwer mich durch hun­der­te von pres­se­mel­dun­gen zu ackern um in­ter­es­san­te ter­mi­ne her­aus­zu­de­s­ti­lie­ren. war­um lässt die net­zei­tung das nicht von re­dak­tue­ren er­le­di­gen die eh den gan­zen tag nichts an­de­res ma­chen als the­men, mel­dun­gen und pres­se­mit­tei­lun­gen zu wich­ten, ein­zu­or­de­nen? eine term­nin­bör­se in der in­ter­es­san­te ge­richts­ter­mi­ne ste­hen, ver­an­stal­tun­gen, pres­se­kon­fe­ren­zen von de­nen man be­rich­ten könn­te und ne­ben den pro­fis auch gleich ein paar ama­teu­re hin­schi­cken könn­te? gleich­zei­tig könn­te man hil­fe bei evtl. nö­ti­gen ak­kre­di­tie­run­gen bie­ten. ge­ra­de bei wahl­kämp­fen habe ich fest­ge­stellt, dass es vie­le in­ter­es­san­te ter­mi­ne gibt über die man schrei­ben könnn­te, nur ver­strei­chen sie meist un­be­ach­tet und ich er­fah­re erst et­was von ih­nen (aus der zei­tung) wenn sie vor­bei sind.

im ernst. wenn man möch­te, dass ei­nem le­ser con­tent lie­fern, könn­te man ih­nen ja auch hil­fe­stel­lung, an­re­gun­gen, re­sour­cen ge­ben. den auf­wand be­trei­ben re­dak­tio­nen wie dei der net­zei­tung eh. nur — und das wird das pro­blem sein — dem pö­bel will man so ein her­schafts­wis­sen na­tür­lich nicht zur ver­fü­gung stel­len. der pö­bel re­agiert dann auch ent­spre­chend. mit mas­si­vem und aus­ge­präg­tem des­in­ter­es­se.

ach, viel­leicht noch eine idee. da der bes­te ar­ti­kel in der RE bis­her ein ar­ti­kel aus ei­ner schü­ler­zei­tung war, wie wärs denn mit ta­lent­su­che? ein­fach alle deut­schen schü­ler­zei­tun­gen nach ver­wert­ba­rem, wert­vol­lem ab­su­chen und zweit­ver­wer­ten? hört sich lahm an, könn­te mich aber even­tu­ell da­von ab­hal­ten die RE we­gen aku­ter lan­ge­wei­le aus mei­nem feed­rea­der zu wer­fen.