vie­le wor­te um vie­le wor­te

felix schwenzel

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die ver­an­stal­tung ges­tern abend war vor al­lem eine er­klär­bär-ver­an­stal­tung zum web2.0 für „ent­schei­der“. das pu­bli­kum be­stand vor­wie­gend aus lo­kal­grös­sen und ho­no­ra­tio­ren. so rich­tig kna­cki­ge neu­ig­kei­ten oder er­kennt­nis­se zum web2.0 ka­men nicht ans licht, aber das war ja auch auf dem o’reil­ly-kon­gress nicht viel an­ders. wahr­schein­lich ist das so­wie­so ein ding der un­mög­lich­keit web2.0 auf ir­gend­ei­ne for­mel zu brin­gen. an­de­rer­seits ist „web2.0“ ja ge­nau die­se for­mel: ein ne­bu­lö­ser be­griff um al­les was sich zur zeit so im in­ter­net be­wegt mit ei­nem schlag­wort zu­sam­men­zu­fas­sen. das bes­te syn­onym für web2.0 ist dem­nach „dings“.

und — ich wie­der­ho­le mich — die­ses dings wur­de auf die­ser ver­an­stal­tung sehr be­müht aus al­len mög­li­chen per­spek­ti­ven be­leuch­tet. be­ein­dru­ckend war wie ge­wis­sen­haft sich die mo­de­ra­to­rin nova mei­er­hen­rich vor­be­rei­tet hat­te. zu 62-78 pro­zent war ihre vor­be­rei­tung auch fun­diert. ihre an­mo­de­ra­ti­on war in etwa de­ckungs­gleich mit dem, was sie vor der ver­an­stal­tung in ihr blog schrob. dass ihr wäh­rend der ver­an­stal­tung ein paar un­ge­nau­ig­kei­ten raus­rutsch­ten wur­de von den teil­neh­mern der run­de ge­flis­sent­lich über­gan­gen, also wer­de ich auch nicht dar­auf rum­rei­ten, dass die fir­ma kryp­to­ni­te kei­nes­falls „plei­te“ ging nach­dem „kürz­lich“ ein vi­deo durch die blogs geis­ter­te auf dem zu se­hen war wie ein­fach die an­geb­lich si­che­ren schlös­ser zu kna­cken sind. im­mer­hin wi­der­sprach sa­scha lobo, nach­dem sie ihn als „ur­ge­stein des in­ter­nets“ und „kult­blog­ger“ be­zeich­ne­te.

eben­falls be­ein­dru­ckend fand ich, dass der gast­ge­ber, der vor­stands­vor­sit­zen­de der spar­kas­se han­no­ver, die ver­an­stal­tung aus­ge­rech­net mit ei­nem zi­tat von jean-remy von matt er­öff­ne­te. man müs­se die nor­mal­spur schon ver­las­sen um an­de­re zu über­ho­len, soll der ge­sagt ha­ben. da­bei sprach er al­ler­dings nicht über das in­ter­net oder blogs oder web2.0, son­dern über die zu­kunft des wirt­schafts­stand­orts han­no­ver. „die hoff­nung stirb zu­letzt“ hat er lei­der nicht ge­sagt.

dass sa­scha lobo sich da­nach, schein­bar lis­pelnd, mit ei­ner ein­fa­chen er­klä­rung und zehn stei­len the­sen zur zu­kunft des in­ter­nets ab­müh­te, hab ix ja schon er­wähnt. die zehn stei­len the­sen habe ich hier noch­mal ex­tra zum nach­le­sen ab­ge­schrie­ben. al­ler­dings ver­wirr­te mich schon die ers­te stei­le the­se: „TV und Print wird es im­mer ge­ben.“ denn da­nach sag­te er, dass das netz sämt­li­che an­de­ren me­di­en­for­men bis auf das buch und buch­ähn­li­che zeit­schrif­ten ab­lö­sen wer­de. letzt­lich war das dann auch in der an­schlies­sen­den dis­kus­si­on der ein­zi­ge streit­punkt: wie ver­teilt sich künf­tig die auf­merk­sam­keit der „nut­zer“, wer er­zielt die gröss­ten oder hoch­wer­tigs­ten „reich­wei­ten“, wer er­reicht wie sei­ne ziel­grup­pe und wie kann man das zu geld ma­chen?

dazu gab es ei­nen hüb­schen klei­nen wort­wech­sel zwi­schen sa­scha lobo und ste­fan beh­rendt von t-on­line. sa­scha lobo sprach da­von, dass die zeit gros­ser por­ta­le oder reich­wei­ten­star­ker fern­seh­sen­dun­gen, also ei­gent­lich die zeit des mas­sen­ge­schmacks vor­bei sei, bzw. dass es den „mas­sen­ge­schmack“ ei­gent­lich eh nie ge­ge­ben hät­te und dass sich das jetzt zei­ge und der markt sich zer­split­te­re, zer­fa­se­re und im­mer klein­tei­li­ger wer­de. beh­rend frag­te lobo dann: „und wo­her kommt das geld?“ lobo: „wer­bung!“ beh­rend: „aber da­für braucht man reich­wei­te.“ lobo: „nicht wenn man die ziel­grup­pe ex­akt er­rei­chen kann.“ beh­rend warf lobo dann vor die mark­ge­set­ze zu igno­rie­ren, für den „re­ve­nue stream“ bräuch­te man halt die reich­wei­te. lobo stimm­te ihm zu, dass er die markt­ge­set­ze igno­rie­re und brach­te dann das bei­spiel des adi­cal-blog­gers „psp-freak“. dort wür­den sich täg­lich bis zu 15000 men­schen über die mo­bi­le play­sta­ti­on in­for­mie­ren, so eine ge­naue ziel­gru­pen­an­spra­che kön­ne man selbst mit den 1,5 mil­lio­nen be­su­chern auf t-on­line nie hin­be­kom­men. leicht an­ge­säu­ert kor­ri­gier­te beh­rend ihn, es sei­en 14 mil­lio­nen. lobo mein­te dar­auf­hin er be­zie­he sich auf die zu­kunft. wenn ich mich recht er­in­ne­re habe ich als ein­zi­ger dar­über ge­lacht. tors­ten muth von cis­co ver­such­te dann den schlich­ter zu spie­len: „es ist reich­wei­te und ziel­grup­pe!“.

aber lobo war nicht der ein­zi­ge der stei­le the­sen auf­stell­te. der ver­tre­ter der ver­lags­grup­pe madsack der an­dre­as arnt­zen ver­trat und des­sen na­men ich nicht im ver­an­stal­tungs­pro­gramm fin­den oder auf­schnap­pen konn­te, fa­bu­lier­te wäh­rend der dis­kus­si­on über den frei­heits­grad des pa­pie­res: „pa­pier ist frei. pa­pier macht un­ab­hän­gig. pa­pier bie­tet ei­nen weit grös­se­ren frei­heits­grad als elek­tro­ni­sche me­di­en.“ sein kil­ler­ar­gu­ment lau­te­te: „pa­pier braucht kei­nen strom.“ sehr über­zeu­gend. wenn es kei­nen strom mehr gäbe, sprach sa­scha lobo mei­ne as­so­zia­ti­on aus, dann hät­ten wir si­cher ganz an­de­re pro­ble­me als dass wir auf pa­pier nach­le­sen woll­ten was an­ge­la mer­kels ka­bi­nett be­schlos­sen habe. und wie man dru­cke­rei­en ohne strom be­trei­ben wol­le oder dass der ver­trieb von zei­tun­gen ohne en­er­gie auch nicht so ganz ein­fach ist woll­te dann ei­gent­lich auch kei­ner im de­tail dis­ku­tie­ren. ich bin mir auch si­cher, dass die ver­lags­grup­pe madsack zei­tun­gen nicht mehr im blei­satz her­stel­len kann (und selbst der blei­satz braucht so­weit ix weiss strom). bleibt na­tür­lich die hap­tik des pa­pie­res als über­zeu­gends­tes ar­gu­ment üb­rig. ob­wohl ich seit­dem ich die hap­tik des ipho­ne-brow­sers aus­pro­biert habe, auch bald so weit bin, in be­zug auf web­sei­ten von hap­tik zu re­den.

eine wei­te­re stei­le the­se aus dem hau­se madsack (und t-on­line) lau­te­te: die gra­nu­lier­ten, zer­fa­ser­ten in­for­ma­tio­nen aus den wei­ten des in­ter­nets in­ter­es­sier­ten ei­gent­lich nie­man­den, nie­mand wol­le sich durch hun­der­te blogs oder web­sei­ten ar­bei­ten um an in­for­ma­tio­nen zu kom­men. die gros­sen ver­la­ge ver­edel­ten in­for­ma­tio­nen und prä­sen­tier­ten die­se glaub­wür­dig und mit ho­hem qua­li­täts­an­spruch un­ter ei­ner gros­sen mar­ke. da war es wie­der das gute alte gate­kee­per-ar­gu­ment und die über­zeu­gung, dass glaub­wür­dig­keit und qua­li­tät von den gros­sen play­ern ge­pach­tet sei. sa­scha lobo war so feund­lich auf die­se schaum­schlä­ge­rei mit ei­nem plä­doy­er für me­di­en­kom­pe­tenz zu ant­wor­ten. dan­kens­wer­ter­wei­se ohne die­ses furch­ba­re wort in den mund zu neh­men, son­dern ein­fach in­dem er dar­auf hin­wies, dass blöd­sinn kei­nes­falls nur in blogs oder „im in­ter­net“ ste­he, son­dern durch­aus auch in zei­tun­gen oder agen­tur­mel­dun­gen. al­les was ge­gen blöd­sinn hel­fe sei di­stanz und bil­dung.

zu­sa­men­fas­sen kann man die dis­kus­si­on so: alle se­hen wie sich die auf­merk­sam­kei­ten und ziel­grup­pen zer­fa­sern, zer­split­tern und ver­mi­schen (stei­le lobo-the­se num­mer 10), wie sich ge­mein­schaf­ten — wie im ech­ten le­ben — zu­sam­men­clus­tern (stei­le lobo-the­se num­mer 9) und wie nut­zer im­mer mehr in­hal­te selbst pro­du­zie­ren (stei­le lobo-the­se num­mer 3). alle die mit­spie­len ver­su­chen ein stück von gros­sen ku­chen ab­zu­be­kom­men. wie das funk­tio­nie­ren soll weiss kei­ner so ge­nau. of­fen­bar ste­hen wir noch am an­fang von pha­se eins, in der alle ver­su­chen zu ver­ste­hen was über­haupt los ist und wie man die krüm­mel des ku­chens die man be­reits zu ha­ben meint, ver­tei­di­gen kann. also ganz kurz zu­sam­men­ge­fasst: „schaun mer mal.“

[nach­trag 23.11.2007]
mitt­ler­wei­le hat sich inka bu­row in der ha­no­ver­schen all­ge­mei­nen zu der ver­an­stal­tung ge­äus­sert und mei­ne tex­te auf auf recht­schreib und zei­chen­set­zungs­feh­ler ab­ge­klopft. drei tage spä­ter? die drei tage ha­ben zu­min­dest nicht da­für ge­reicht mal ei­nen blick in die rie­sen­ma­schi­ne zu wer­fen, um zu er­ken­nen, dass die nicht sa­scha lo­bos „In­ter­net­ta­ge­buch“ ist.

auf den sei­ten des ver­an­stal­ters hat sich auch et­was ge­tan, dort kann man jetzt ei­nen „Bil­der­bo­gen Po­di­um“ und ei­nen „Bil­der­bo­gen Gäs­te“ be­trach­ten. der name des ab­we­sen­den an­dre­as arnt­zen von der ver­lags­grup­pe madsack ziert dort al­ler­dings im­mer noch das po­di­um, mit­ter­wei­le hat mir ein ent­schei­der aus han­no­ver aber ge­flüs­tert, dass der name des ver­tre­ters auf dem po­di­um hans-jür­gen thein­ert lau­te­te.

an­bei noch eine lose zi­ta­te­samm­lung:
tors­ten muth fiel in der dis­kus­si­on das wort „ta­ges­zei­tun­gen“ nicht ein. das läge dar­an, dass er in lon­don lebe und we­nig deutsch spre­che. sym­bo­lisch aber ein schö­nes state­ment.

zu ei­ner der ein­zi­gen pu­bli­kums­fra­ge nach der si­cher­heit des gan­zen web2.0-dings ant­wor­te­te muth: „um hy­gie­ne muss man sich selbst küm­mern.“ das sei wie im ech­ten le­ben. si­cher­heit habe auch et­was mit faul­heit zu tun.
sa­scha lobo ant­wor­te­te auf die­sel­be fra­ge: „si­cher­heit in­ter­es­siert mich nicht: ich er­war­te ein­fah dass es si­cher ist.“

sa­scha lobo auf die pu­bli­kums­fra­ge wie man den wahr­heits­ge­halt ei­ner aus­sa­ge wie „dort­mund ist scheis­se“ auf ei­ner web­sei­te ver­ri­fi­zie­ren sol­le: „mei­nun­gen zu ve­ri­fi­zie­ren ist ein sehr an­stren­gen­der job.“

sa­scha lobo: „nie­mand hat die ab­sicht die mas­sen­me­di­en ab­zu­schaf­fen!“
sa­scha lobo: „es ist ge­nau­so blöd al­les im in­ter­net zu glau­ben, wie es dumm ist al­les was in der zei­tung steht zu glau­ben.“

ste­fan beh­rend: „bil­dung ist ok.“ zu sa­scha lobo: „den slo­gan kön­nen sie ha­ben.“

madsack: „wir ha­ben es ge­schafft, dass in der han­no­ve­ri­schen all­ge­mei­nen zei­tung je­der ar­tik­lel kom­men­tiert wer­den kann.“ sze­nen­ap­plaus von sa­scha lobo.

sa­scha lobo zu adi­cal: „wir ma­chen gar nicht so viel an­ders. ein paar in­no­va­ti­ve an­sät­ze, sonst was wer­bung halt so macht: mar­ken ver­mit­teln. wir beu­gen uns den üb­li­chen me­cha­nis­men. wich­tig ist, dass sich ei­ni­ge mit den wer­be­gel­dern re­fi­nan­zie­ren kön­nen.“

tors­ten muth: „in zu­kunft wird es nur noch we­ni­ge blog­ger ge­ben.“

ste­fan beh­rendt über t-on­line: „wir ha­ben in deutsch­land eine gute po­si­ti­on bei der su­che.“

maus-po­di­um
han­no­ve­ra­ner ent­schei­der beim es­sen