die welt ist vol­ler schwach­ma­ten

felix schwenzel

es ist ein nor­ma­ler mensch­li­cher we­sens­zug, das han­deln der an­de­ren kurz­sich­tig, dumm oder falsch zu fin­den. ent­ge­gen land­läu­fi­ger mei­nun­gen ist das kei­nes­falls auf die be­schränkt, die ins in­ter­net oder auf pa­pier schrei­ben. je­der macht das so. da­bei ist es oft auch tat­säch­lich ein­fa­cher, be­stimm­te sach­ver­hal­te bes­ser von aus­sen, aus der aus­sen­per­spek­ti­ve zu be­ur­tei­len.

eben­so ist es ein nor­ma­ler mensch­li­cher we­sens­zug kri­tik weit­ge­hend zu igno­rie­ren. auch da­für gibt es vie­le grün­de. von in­nen sind vie­le zu­sam­men­hän­ge sehr viel kom­le­xer und sach­zwän­gi­ger als sie von aus­sen schei­nen. fast alle ver­hal­tens­wei­sen, kurz­sich­ti­ge, dum­me, fal­sche, aber auch klu­ge und weit­sich­ti­ge, ha­ben grün­de, manch­mal so­gar gute. kri­tik wird von kri­ti­sier­ten öf­fent­lich so­gar manch­mal will­kom­men ge­heis­sen, oft al­ler­dings mit der ein­schrän­kung, so­lan­ge die kri­tik „sach­lich“ (oder „kon­struk­tiv“) sei. of­fen­bar kann man kri­tik, wenn sie „sach­lich“ ist, bes­ser igno­rie­ren. un­sach­li­che kri­tik da­ge­gen fällt vie­len kri­ti­sier­ten viel schwe­rer zu igno­rie­ren. sie ant­wor­ten dann oft eben­so un­sach­lich, dro­hen oder zie­hen vor ge­richt.

sach­li­che (oder kon­struk­ti­ve) kri­tik funk­tio­niert meis­ten nicht be­son­ders gut. wenn sach­li­che kri­tik nicht min­des­tens auch ein paar aspek­te (un­sach­li­che) emo­tio­na­li­tät ent­hält, ent­fal­tet sie kaum wir­kung. da­von ab­ge­se­hen, gibt es sehr vie­le for­men der un­sach­li­chen kri­tik. man kann kri­tik zu­spit­zen oder die sach­ver­hal­te stark ver­ein­fa­chen da­mit sie wir­kung er­zielt. auch die die viel­zi­tier­te kraft der märk­te, ist ei­gent­lich eine un­kon­struk­ti­ve und un­sach­li­che kri­tik. wenn im­mer we­ni­ger men­schen zei­tun­gen oder zeit­schrif­ten oder im­mer we­ni­ger mu­sik kau­fen ist das um ein viel­fa­ches un­kon­struk­ti­ver und un­sach­li­cher als bei­spiels­wei­se ein wü­ten­den­der blog­ar­ti­kel. selbst mar­cel reich-ra­ni­ckis wü­ten­de fern­seh­kri­tik (so etwa: „al­les schrott“) ist um ein viel­fa­ches kon­struk­ti­ver als je­mand der das fern­se­hen kri­ti­siert, in­dem er es ein­fach nicht mehr ein­schal­tet.

aber ich drif­te ab. ich woll­te ei­gent­lich nur ein biss­chen rum­kri­ti­sie­ren und -mä­keln und die welt be­schimp­fen. die vor­re­de dien­te nur dazu, mei­ne kri­tik, auch wenn sie sich nicht so an­hört, als kon­struk­tiv und sach­lich zu klas­si­fi­zie­ren.

tat­säch­lich bin ich heu­te beim zei­tungs- und in­ter­net le­sen aus dem kopf­schüt­teln kaum noch her­aus­ge­kom­men. es fing da­mit an, dass ich las, das die deut­schen ree­der die deut­sche re­gie­rung, bzw. ma­ri­ne um den schutz vor pi­ra­ten bit­ten. die deut­sche ree­der, die ihre schif­fe in mal­ta, pa­na­ma oder den ba­ha­mas re­gis­trie­ren, um ih­ren best­zun­gen we­ni­ger geld zah­len zu müs­sen und um steu­ern zu spa­ren, fra­gen nicht etwa in mal­ta, pa­na­ma oder den ba­ha­mas um schutz vor pi­ra­ten, son­dern in deutsch­land. was für eine pos­se, was für eine zu­tiefst aso­zia­le hal­tung. die hal­tung, ge­win­ne zu pri­va­ti­sie­ren und ri­si­ken zu ver­ge­sell­schaf­ten, der all­ge­mein­heit aufs auge zu drü­cken, ge­hört ja mitt­ler­wei­le bei busi­ness-kas­pern zum gu­ten ton.

nicht we­ni­ger ver­ach­tens­wert ist es, jah­re­lang kun­den­wün­sche zu igno­rie­ren, nach­fra­ge auf neu­en ver­triebs­ka­nä­len nicht zu stil­len und kun­den zu kri­mi­na­li­sie­ren und dann, wenn die jah­re­lang pro­phe­zei­te kri­se da ist, nach staat­li­chen ret­tungs­pro­gram­men oder ge­setz­li­chen mass­nah­men zu ru­fen um die geld­gier wei­ter zu be­frie­di­gen. mar­cel weiss hat der ge­sam­ten me­di­en­in­dus­trie eine „un­fä­hig­keit zu ler­nen“ at­tes­tiert. die busi­ness-kas­per snd sich nicht zu scha­de, erst die grün­de für ihr ver­sa­gen al­len an­de­ren, aus­ser sich selbst, in die schu­he zu schie­ben und dann alle an­de­ren auch noch für ihre un­fä­hig­keit zah­len zu las­sen.

al­lein die tat­sa­che das film- und fern­seh­pro­du­zen­ten ei­nen für kon­su­men­ten völ­lig un­durch­dring­ba­ren und un­ver­ständ­li­chen rech­te- und ver­triebs­dschun­gel auf­ge­baut ha­ben, der es selbst für leu­te die be­reit sind geld für die pro­duk­te zu zah­len, un­mög­lich macht an die­se pro­duk­te le­gal her­an­zu­kom­men, treibt mir die zor­nes­rö­te ins ge­sicht. tür­kisch für an­fän­ger im in­ter­net an­gu­cken? fehl­an­zei­ge (auch nicht wei­ter schlimm). ame­ri­ka­ni­sche fern­seh­se­ri­en im deut­schen itu­nes-store kau­fen? bis auf we­ni­ge aus­nah­men: un­mög­lich. DVDs die man in ame­ri­ka kauft in deutsch­land gu­cken? geht nicht. ge­kauf­te DVDs auf ei­nem ipod oder lap­top ohne DVD-lauf­werk an­gu­cken? ver­bo­ten. selbst se­ri­en die es theo­re­tisch on­line zu er­wer­ben gäbe, kann die film­in­dus­trie ein­fach so aus den on­line-lä­den ent­fer­nen, wenn es bes­ser in ihr ver­triebs­kon­zept passt.

man könn­te ds ge­fühl be­kom­men, man sei von schwach­ma­ten um­ge­ben.

apro­pos schwach­ma­ten. be­son­ders ge­fres­sen habe ich ja die schwach­ma­ten die be­haup­ten, dass leu­te die es vor­zie­hen mit com­pu­tern und über das in­ter­net zu kom­mu­ni­zie­ren, als ent­rückt von der „ech­ten welt“ oder so­zi­al min­der­be­mit­telt dar­zu­stel­len. ben hat schön her­aus­ge­stellt wie lä­cher­lich schwach­ma­tisch das klingt, wenn ge­ra­de wer­be­fuz­zis, die die „ech­te“ welt mit schrott der ver­füh­ren und nicht vor­han­de­ne be­dürf­nis­se we­cken soll zu­pflas­tern, da­vor war­nen, dass com­pu­ter­spie­le, vir­tu­el­le wel­ten oder das in­ter­net mit sei­nen blogs und fo­ren und co­mu­ni­dings „Ver­füh­run­gen und Süch­te“ aus­lö­sen könn­te:

Aus­drück­lich sehe ich die­se Ge­fah­ren nicht nur für Her­an­wach­sen­de oder Ju­gend­li­che, son­dern eben­so für Er­wach­se­ne, de­nen das rea­le Le­ben nicht die An­er­ken­nung schenkt, die je­der Mensch braucht und sich wünscht. (Ro­land Kühl-v.Putt­ka­mer)

sagt ein wer­ber.

wie ge­sagt. es gibt für je­denm schwach­sinn grün­de, manch­mal gute, manch­mal we­ni­ger gute. heu­te habe ich aber kei­ne lust zu dif­fe­ren­zie­ren und will mich noch ein biss­chen wei­ter auf­re­gen. mor­gen er­ge­be ich mich dann wie­der mei­nen ei­ge­nen sach­zwän­gen und rede selbst wei­ter schwach­sinn.