das in­ter­net darf kein bür­ger­rechts­frei­er raum wer­den

felix schwenzel

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aber das in­ter­net könn­te mög­li­cher­wei­se ein SPD-frei­er raum wer­den.

john dean ver­sucht die SPD zu ver­tei­di­gen:

[Die SPD hat] ent­schei­den­de Punk­te der Pro­test­be­we­gung in die Ver­hand­lun­gen ein­ge­bracht hat­te und er­folg­reich durch­ge­setzt hat. Dar­un­ter:
- kei­ne Straf­bar­keit [1]
- kei­ne An­wen­dung über KiPo hin­aus [2]
- Be­fris­tung des Ge­set­zes auf 3 Jah­re [3]
- Ein­bin­dung des Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten [4]
- Be­vor­zu­gung von Lö­schen statt Sper­ren [5]
Ist das so ab­grund­tief übel?

punkt eins ist wit­zig. wenn ich mich recht er­in­ne­re hat bri­git­te zy­pries, die SPD-jus­tiz­min­te­rin die straf­recht­li­che ver­fol­gung von stopp-schild-sur­fern erst in den gestz­ent­wurf ein­ge­bracht (zu­min­dest kann man die­sen sz-be­richt so le­sen). erst da­für sor­gen, dass die straf­ver­fol­ger zu­griff auf die IP-adres­sen er­hal­ten und sich dann als ver­hin­de­rer dar­stel­len? [nach­trag: ich habe mich recht er­in­nert: „Zy­pries will ver­such­ten Zu­griff auf Kin­der­por­no-Sei­ten be­stra­fen.“ dan­ke jens!]

punkt zwei ist eher un­glaub­wür­dig. im­mer wie­der mel­den po­li­ti­ker und ver­bän­de be­gehr­lich­kei­ten an, auch an­de­re in­hal­te zu „sper­ren“. auch aus den obers­ten rei­hen der SPD kom­men sol­che ge­dan­ken­spie­le. ganz platt for­mu­liert das auch die CDU in ei­ner pres­se­mit­tei­lung die auf die SPD-be­schlüs­se zum zen­sur­su­la-ge­setz zielt:

Da­mit ist eine ge­fähr­li­che Ent­wick­lung ge­stoppt wor­den. Un­ter Be­ru­fung auf eine an­geb­li­che In­ter­net­zen­sur durch den Staat woll­ten die Links­au­ßen in derSPD durch­set­zen, dass das In­ter­net zum rechts­frei­en Raumwird. Die SPD wäre da­durch Ge­fahr ge­lau­fen,Straf­ta­ten im In­ter­net Vor­schub zu leis­ten, von derVer­ge­wal­ti­gung und Er­nied­ri­gung klei­ner Kin­derbis hin zuUr­he­ber­rechts­ver­let­zun­gen in brei­tes­tem Aus­maßge­gen­über Künst­lern und Krea­ti­ven. Al­len en­ga­gier­ten Strei­tern ge­gen das ab­scheu­li­che Ver­bre­chen der Kin­der­por­no­gra­fie ist an­ge­sichts des Schei­terns der SPD-Lin­ken ein Stein vom Her­zen ge­fal­len.

da steckt ei­ner­seits drin, dass die CDU durch­aus an das sper­ren von an­geb­lich das ur­he­ber­recht-ver­let­zen­den in­hal­ten denkt und aus­ser­dem, dass die CDU zu be­schränkt zum klar-for­mu­lie­ren ist und den ein­druck er­weckt, ur­he­ber­rechts­ver­let­zun­gen sei­en schlim­mer als kin­der­por­no­gra­phie.

punkt vier fällt flach, der bun­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­te hate kei­ne lust ober­zen­sor zu wer­den.

eben­so er­scheint punkt fünf eher un­glaub­haft: der ge­setz­ent­wurf be­sagt:

Die Auf­nah­me in die Sperr­lis­te er­folgt nur, so­weit zu­läs­si­ge Maß­nah­men, die auf die Lö­schung des Te­le­me­di­en­an­ge­bots ab­zie­len, nicht oder nicht in an­ge­mes­se­ner Zeit er­folg­ver­spre­chend sind.

ist das jetzt ein be­grüs­sens­wer­ter kom­pro­miss, auf den die SPD sich mit ih­rem ko­ali­ti­ons­part­ner ge­ei­nigt hat und ist das kla­gen über die­sen kom­pro­miss „ein Be­weis da­für […], dass es den Kri­ti­kern der Sper­ren ab­so­lut an Kom­pro­miss­fä­hig­keit man­gelt“?

1996, als sa­bi­ne leu­theus­ser-schnar­ren­ber­ger aus pro­test ge­gen die ein­füh­rung des gros­sen lausch­an­griffs als jus­tiz­mi­nis­te­rin zu­rück­trat, herrsch­te mei­ner mei­nung nach eine ver­gleich­ba­re si­tua­ti­on. da­mals fiel der start­schuss für im­mer aus­ufern­de ein­schnit­te in die bür­ger­rech­te, die im üb­ri­gen fast alle von der SPD mit­ge­tra­gen oder in­i­tiert wur­den (er­in­nert sich noch je­mand an otto schi­ly?), bis hin zum be­schluss zur vor­rats­da­ten­spei­che­rung. wie weit soll die kom­pro­miss­fä­hig­keit ge­hen? wenn man die ein­schrän­kung der bür­ger­rech­te mit la­den­dieb­stahl ver­glei­chen wür­de (ein ver­gleich der si­cher­lich hinkt), dann wür­de po­li­ti­sche kom­pro­miss­fä­hig­keit dar­in be­stehen, statt zehn ta­feln nur acht ta­feln scho­ko­la­de zu klau­en? oder sie­ben? war­um nicht ein­fach auf den kom­pro­miss scheis­sen und die scho­ko­la­de kau­fen?

die ein­rich­tung ei­ner zen­sur­in­fra­struk­tur, die mas­sen­haf­te ver­dachts­un­ab­hän­gi­ge spei­che­rung von kom­mu­ni­ka­ti­ons-ve­kerhrs­da­ten al­ler deut­schen, die aus­ufern­de te­le­fon­über­wa­chung, die über­mitt­lung von flug­gast­da­ten an aus­län­di­sche be­hör­den — all das ge­schah mit der kom­pro­miss­be­rei­ten SPD — und soll of­fen­bar vor­erst nicht en­den.

ent­täusch­te lieb­ha­ber sind die schlimms­ten fein­de. ich war noch bis vor ein paar jah­ren sym­pa­thi­sant und wäh­ler der SPD (ix qwähl­te thier­se). aber je un­ver­ständ­li­cher, frem­der das ehe­ma­li­ge ob­jekt der sym­pa­thie sich ver­hält, des­to grös­ser die ent­täu­schung. bei mir lief das fass vor ca. ei­nem jahr über. bei john­ny ist es jetzt über­ge­lau­fen.

bei ei­ni­gen an­de­ren ist das fass eben­so über­ge­lau­fen, viel­leicht so­gar bei ei­ner gan­zen ge­ne­ra­ti­on, die die SPD jetzt vor den kopf stösst und ver­liert.

auch wenn es noch ein paar auf­rech­te in der SPD gibt die jetzt fleis­sig brie­fe an ihre kol­le­gen ge­nos­sen schrei­ben (björn böh­ning und ma­thi­as ri­chel oder jörg tauss), ich glau­be auch, dass mei­ne sym­pa­thie zur SPD an ei­nem stopp-schild an­ge­langt ist.

[bild­quel­le spree­blick]